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Oberstufenreform: An den Details scheiden sich die Geister  
  Auf dem bildungspolitischen Stundenplan der Regierung steht nun die - lange anvisierte - Reform der AHS-Oberstufen, deren Eckpunkte in den kommenden Wochen präsentiert werden sollen. Für zentrale Punkte benötigt die Regierung allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, also auch Stimmen der Opposition. Doch bei den Details der Reform - etwa der konkreten Aufteilung zwischen Pflichtfächern und Wahlpflichtfächern - scheiden sich nach wie vor die Geister bzw. Parteien.  
Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) wird nach Angaben von ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon in den nächsten Wochen die Details zur Reform der AHS-Oberstufe präsentieren, also jener vier Jahre, die die Jugendlichen direkt zur Matura führen.

Im diesem Zusammenhang appellierte Amon am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien an die SPÖ, von der "starren Oppositionshaltung" in der Bildungspolitik abzugehen.
Zentrale Punkte nur mit Stimmen der SPÖ
Denn für zentrale Punkte der Reform - wie die Einführung des Fachs Informations- und Kommunikationstechnologie ab der 1. Klasse AHS oder die Beschränkung des Pflichtfachs Latein auf die Oberstufe des Gymnasiums - ist im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig und die Regierung benötigt die Stimmen der SPÖ.
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SPÖ und ÖVP: "Schlagabtausch"
Amon: Chaos in der SPÖ
Amon warf der SPÖ "Fundamentalopposition" in Bildungsfragen vor. Außerdem sei es schwierig, mit der SPÖ in diesem Bereich zu verhandeln, weil man nicht wisse, wer für Bildungspolitik zuständig sei. "Eigentlich könnten wir uns freuen, dass es in der SPÖ so ein Chaos gibt. Das Problem ist, dass bei erforderlicher Zwei-Drittel-Mehrheit Regierung und Opposition zusammenarbeiten müssen", erklärte Amon. Die Oberstufenreform sei hier die "Nagelprobe" für die SPÖ.

SPÖ spricht vom "kosmetischen Reförmchen"
In Reaktion auf die Äußerungen von Amon zeigte sich die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl "grundsätzlich gesprächsbereit" bezüglich der Oberstufenreform. Allerdings sei zu befürchten, dass mit dieser Bundesregierung nicht mehr als ein kosmetisches Reförmchen machbar sein werde, so Kuntzl in einer Aussendung vom Montag.
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AHS soll erhalten bleiben ...
Nach Ansicht Amons muss die AHS als "achtjähriges Bildungskontinuum" erhalten bleiben, und zwar wie schon bisher in den Zweigen Wirtschaftskundliches Gymnasium, Realgymnasium und Gymnasium.
... aber Schwerpunkte setzten
Innerhalb dieses Typensystems solle es aber zu Schwerpunktbildungen kommen, damit sie im Konkurrenzkampf mit den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) bestehen können.

Die Schulen sollen sich im Rahmen ihrer Autonomie attraktiv positionieren, indem sie selbst 15 bis 20 Prozent der Jahreswochenstunden in Form von Wahlpflichtfächern festlegen. Als Beispiel nannte Amon das Wahlpflichtfach "Ökologie" in der Oberstufe.
SPÖ dagegen will Kurssystem
Die SPÖ dagegen favorisiert in ihrem Modell die Einführung eines Kurs- bzw. Modulsystems. Dies würde zu einer Aufhebung der Trennung in Gymnasium, Realgymnasium und Wirtschaftskundliches Realgymnasium führen.

Konkret sollen die Schüler bereits in der 5. Klasse der AHS auf ein Kurs- und Modulsystem vorbereitet werden. Die 6. Klasse könnte dann einen Übergang zu diesem flexiblen Modulkonzept bilden, ab der 7. Klasse soll ausschließlich in Kursen und Modulen unterrichtet werden.
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Weitere Details des SPÖ-Modells
Nach dem SPÖ-Modell soll das "verbindliche Kurssystem" 60 bis 70 Prozent der Inhalte der Gegenstände umfassen, darüber hinaus sollen die Schüler nach ihren Interessen und mit Hinblick auf ein eventuelles Universitätsstudium Module wählen können.

Wer einen Abschluss nicht schafft, müsse nach einigen Wochen eine Nachholprüfung bestehen, erklärte Kuntzl, die im Zuge der Reform die Lehrerausbildung so ändern will, dass diese ihre Gegenstände auch in einer Fremdsprache unterrichten können.
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Amon: Kurssystem löst Typen auf
Ein Kurssystem in Verbindung mit der Auflösung der AHS und BHS als Typenformen, wie es die SPÖ fordere, lehnt Amon aber ab. Das Typensystem sei sehr erfolgreich, außerdem würden an den BHS auch Berufe erlernt.

Mit Auflösung dieser Typen würde diese Berufsausbildung und die damit verbundenen Berufsberechtigungen verschwinden. Die Schulen könnten aber im Rahmen ihrer Autonomie bestimmte Fächer geblockt anbieten, so Amon.
FPÖ will Kurssystem - und Matura neugestalten
Die diesbezüglichen Forderungen der FPÖ scheinen dem SPÖ-Modell ähnlicher, als den Vorschlägen des Regierungspartners, wie FPÖ-Generalsekretär Karl Schweitzer in einer Aussendung vom Montag darstellte.

Die freiheitliche Bildungspolitik sei seit jeher für ein Kurs- bzw. Modulsystem eingetreten. Als Beispiel nannte Schweitzer den Schwerpunkt Naturwissenschaften für die 7. und 8. Klasse - zusammengefasst aus Biologie, Geografie, Physik und Chemie.

Schweitzer sprach sich zudem für eine Neugestaltung der Matura aus. Eine schriftliche Diplomarbeit solle die Grundlage für die Abschlussprüfung sein. Bei der mündlichen Matura würde dann die Präsentation im Mittelpunkt stehen, "mit einem Inhalt auf hohem Niveau".
Informatik und Latein
Die Zustimmung der SPÖ benötigt die Regierung im Übrigen laut Amon für die geplante Einführung des Fachs Informations- und Kommunikationstechnologie ab der 1. Klasse sowie für die geplanten Reformen bei Latein.

Weitgehende Zustimmung zu ersterem scheint gewiss, dagegen ist die Frage des Lateinunterrichtes ein umstrittenes Thema. In den aktuellen Aussendungen gehen allerdings weder SPÖ noch FPÖ auf diesen Punkt ein.
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Streitpunkt Latein und innerparteiliche Meinungsschwenks
Das Fach Latein soll, geht es nach der ÖVP, in der Unterstufe des Gymnasiums nur mehr als Wahlpflichtfach - alternativ zu anderen Fremdsprachen - angeboten werden und nur mehr in der Oberstufe Pflichtfach sein. Derzeit ist es in diesem AHS-Zweig Latein ab der 3. Klasse Pflichtfach, allerdings werden laut Amon von den insgesamt 160 gymnasialen Standorten in Österreich bereits 111 das Fach in dieser Kurzform anbieten.

Amon hatte allerdings zunächst noch (2001) die Abschaffung des Lateinunterrichts als AHS-Pflichtfach gefordert und erhielt dafür Applaus von SPÖ-Sprecher Dieter Antoni, der das schon lange fordert. Im neuen Jahr war Amon dann plötzlich wieder für Latein; dafür stellte es der damalige FPÖ-Bildungssprecher Karl Schweitzer in Frage. Der neue FPÖ-Bildungssprecher Rüdiger Schender wiederum trat vehement für die Beibehaltung des verpflichtenden Lateinunterrichts ein und erhielt dafür Tadel vom Grünen Bildungssprecher Dieter Brosz.
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Neuer Anlauf bei sonderpädagogischem Förderbedarf
Schließlich will Amon nochmals einen Anlauf unternehmen, die Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Polytechnischen Schulen durchzusetzen.

Der letzte Anlauf war am Widerstand der SPÖ gescheitert, der dieser Vorschlag zu wenig weitgehend war. Die FPÖ möchte dieses Thema völlig aus der Oberstufenreform heraushalten, wie Generalsekretär Schweitzer in der Aussendung erklärte.
Reform soll im Herbst beschlossen werden
Die Reformen sollen laut Amons Zeitplan noch vor dem Sommer dem Parlament zugewiesen und im Herbst beschlossen werden. In Kraft treten könnten sie dann im Herbst 2003.
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
->   science.ORF.at: AHS-Reform - Stand der Diskussion (12.02.02)
 
 
 
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01.01.2010