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Naturschutz durch Flammen: Feuerökologie  
  Ein Brand bedeutet für uns meist eine Zivilisations- oder Naturkatastrophe. Für einzelne Naturräume ist das Feuer aber lebenswichtig. Damit beschäftigt sich das noch sehr junge Feld der "Feuerökologie".  
Feuerökologie
Die "Feuerökologie" ist vor allem mit einem Namen verbunden, mit dem Freiburger Johann Georg Goldammer, der am Max-Planck-Institut für Chemie eine eigene Abteilung leitet. Eines seiner Forschungsziele: eine ökologisch sachliche Bewertung des Feuers.
->   Arbeitsgruppe Feuerökologie, Max-Planck-Institut für Chemie
Keimung durch Feuer
Die Zapfen einiger Fichten- und Kiefernarten im hohen Norden sind so stark mit Harz verklebt, dass nicht einmal heiße Sommertage den Verschluss schmelzen.

Wenn nun ein Feuer durch den jahrzehnte- oder jahrhundertealten Waldbestand läuft, wird zuerst einmal die dicke Humusschicht am Boden abgetragen. Sie würde eine Keimung verhindern, da Fichten- und Kiefern Kontakt mit dem Mineralboden brauchen. Erst wenn das Feuer durchgelaufen ist, bersten die Zapfen auf. Die Samen fallen auf das frische Keimbett. Eine neue Generation Wald wird geboren.
Planet des Feuers
"Das Feuer war wirklich ein Evolutionsfaktor", meint Johann Georg Goldammer. Schon vor einer Million Jahren konnten unsere Vorfahren, die Hominiden, mit Feuer umgehen, wenn sie es auch vermutlich nicht selber entzünden konnten, so Goldammer.
Keine Savanne ohne Feuer
Die Savanne ist wohl jener Naturraum, der am meisten auf das Feuer angewiesen ist. Ohne Brände wächst die Savanne zu, Busch und Baumarten nehmen überhand. Alle ein bis drei Jahre zieht das Feuer durch und erhöht damit die Artenvielfalt in dieser Graslandschaft.
Verletzlicher Regenwald
Im Regenwald ist Feuer hingegen ökologisch nicht vorgesehen. Die Bäume in den Tropen haben im Gegensatz zu den nördlichen Nadelhölzern eine sehr dünne Rinde, sind daher sehr verletzbar. Umso größer die Katastrophe, wenn es tatsächlich zu brennen beginnt. Dass der Regenwald aber auch schon vor dem intensiven menschlichen Einfluss ab- und an in Flammen aufging, zeigen Bodenproben mit Holzkohleresten.
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Borneo in Flammen
In Indonesien brannten zwischen 1997 und 1998 insgesamt zehn Millionen Hektar Regenwald ab - das entspricht dem gesamten Waldbestand der Bundesrepublik Deutschland. Die Rauchwolke bedeckte halb Südostasien. Die Kosten aufgrund von Behinderungen im Flugverkehr oder rauchbedingten Krankheiten: rund 1,5 Milliarden Euro. Der ökonomische Verlust in Sachen Holz und Tourismus betrug gar sieben Milliarden Euro.

Der Münchner Biologe Florian Siegert hat die enormen Brände rekonstruiert: Zuerst einmal trocknet El Nino 1997 das ganze Gebiet aus - in manchen Landstrichen regnet es acht Monate lang nicht. Gleichzeitig wird Südostasien von einer Wirtschaftskrise heimgesucht. Die Folge: 60.000 Feuer innerhalb von nur vier Monaten, wie Wettersatelliten gezeigt haben.
->   Brandfahndung per Radarsatellit
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Feuer aus Armut
Viele Bauern auf Borneo legen Feuer, um damit Affen oder Schildkröten aus dem Busch zu locken - also leichter an Bushmeat zu kommen. Andere haben allzu viele Bäume aus ihren so gemammtem "Holzkonzessionen" geschlagen. Da die gepachteten Landstriche nicht mehr wirtschaftlich sind, lassen sie die Konzessionen "zufällig" - und gegen das Gesetz - abbrennen, um sie so in Plantagen umwidmen zu können.
Brennbar durch Holzeinschlag
Durch Feuer verwundbar wird der Regenwald erst durch die Holzwirtschaft. Normalerweise ist das Regenwalddach geschlossen - darunter ist es feucht. Beim Schlägern werden Löcher in dieses Blätterdach gerissen, der Boden beginnt auszutrocknen, mit ihm das beim Holzschlag übrig gebliebene Restholz. Ideale Voraussetzungen für das Feuer.

Mit jedem weiteren Brand sinkt die Chance des Regenwalds, sich zu erholen. Nach etwa 20 Jahren ist die Artenvielfalt auf jene nördlicher Wälder reduziert.
Atlas der Feuerschäden
Florian Siegert hat rund 100 Aufnahmen von Radar- und Wettersatelliten mit einem geografischen Informationssystem (GIS) ausgewertet und durch Vergleiche mit Vor-Ort-Untersuchungen eine Schädigungskarte aufgestellt.

Danach korrelierte er die Daten mit Vegetationskarten sowie mit Landnutzungskarten. Das Produkt dieser Bestandsaufnahme: eine Feuerrisikokarte für noch nicht brandgeschädigte Bestände in Borneo. Grundlage für mögliche Schutzmaßnahmen, u.a. Brunnen, die jedoch mangels politischem Willen nicht genutzt werden.
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"Global Fire Monitoring Center"
Im alten Kontrollturm am Freiburger Flughafen, der Basis der Feuerökologie-Gruppe, hat Johann Georg Goldammer das so genannte "Global Fire Monitoring Center" eingerichtet. Hier werden Feuerdaten aus den unterschiedlichsten Quellen aktuell aufbereitet - vom Wettersatelliten über den experimentellen Feuersatelliten BIRD bis hin zu Augenzeugenberichten.

Von Bränden betroffene Länder können die Reports via Internet abrufen und sofort zur Feuerbekämpfung verwenden - ein Service, das Goldammer in enger Kooperation mit der UNO-Abteilung zur Reduktion von Naturkatastrophen anbietet.
->   Global Fire Monitoring Center
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Brand in Äthiopien
Im Jahr 2000 bat Äthiopien Johann Georg Goldammer um Hilfe. Das ostafrikanische Land wurde damals von heftigen Bergbränden heimgesucht. Nach einer Besichtigung des Brandes entschied sich der Experte zum Eingreifen und rief ein Netzwerk auf den Plan. Mit Know-How aus Südafrika wurden rund 70-000 Äthiopier vor Ort innerhalb weniger Tage zur Feuerbekämpfung ausgebildet.
Hausgemachte Brände
Auch in unseren Breiten, in den Vereinigten Staaten oder Australien sind viele Brände hausgemacht. Das trockene, abgestorbene Holz ist wirtschaftlich uninteressant geworden, niemand geht mehr Holz sammeln, also bleibt es im Wald - und wird dadurch zum Feuerrisiko.
"Brennen" gehen
Manchmal gehen die Feuerökologen aus Freiburg "brennen", wie sie sagen. Das heißt, sie legen in einem kontrollierten Areal Versuchsbrände, um daraus zu erfahren, welche Schadstoffe emittiert werden und wie sich der Brand generell verhält - ein noch relativ neues Thema für Mitteleuropa, weil aktive Brandversuche hier lange Zeit tabuisiert waren.

In Nordamerika oder Australien hat die Feuerforschung hingegen eine lange Tradition, anfangs um die Feuerbekämpfung zu verbessern, nach dem Zweiten Weltkrieg begann man sich aber auch mit den ökologischen Aspekten von Bränden zu beschäftigen.
Juhu, es brennt
Bei uns gilt Feuer nach wie vor nur als Bedrohung - anderswo wird nicht alles, was brennt, gelöscht, etwa in großen Nationalparks in den USA oder Australien. Dort wird nach wissenschaftlich-ökologischen Kriterien entschieden, ob ein Feuer durch Blitzschlag oder auch eine weggeworfene Zigarette brennen darf, weil es dem Ressourcen-Management entspricht.
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Brandwald-Feldbau
Das Feuer war einst auch bei uns landschaftsbildend. Ein Wald wurde gerodet, das Holz verwertet, der Waldboden kontrolliert niedergebrannt. Die Stämme trieben zwar wieder aus, aber bis sie zu Kraft kamen, konnten die Bauern das Feld bewirtschaften. Danach rodete man ein anderes Stück Wald.
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Feuer als Kulturelement ...
Johann Georg Goldammer möchte das Feuer auch wieder in die hiesige Kulturlandschaft einführen - in Österreich etwa ist das Abbrennen von Strohstoppeln am Feld unter strengen Auflagen erlaubt, in Deutschland hingegen verboten. Ohne Feuer ergeht es Heidelandschaften wie der Lüneburger Heide so wie Savannen, die vom Feuer verschont bleiben - sie überwuchern, so Goldammer, deswegen haben die Schafhirten sie zumindest früher abgebrannt.
... und als Klimafaktor
Seit einiger Zeit beschäftigt sich auch die Klimaforschung mit dem Feuer. Dahinter steht die Sorge, dass die zunehmende Waldverbrennung in den Tropen allzu viel Kohlenstoff in die Atmosphäre schleudert und damit zum Treibhauseffekt beiträgt.

Diese Gleichung geht allerdings nur auf, wenn es heutzutage mehr brennt als früher - was Goldammer nicht bestätigen kann. Ansonsten schleudern die Brände genauso viel in die Luft wie schon seit Ur-Zeiten, während die nachwachsende Vegetation den Kohlenstoff wieder bindet.
Feuer und Ozon
Naturfeuer tragen ähnlich wie Autoabgase oder der Rauch aus Schloten zur Bildung von bodennahem Ozon bei, das in größeren Mengen u.a. zu Lungenproblemen führt. Ende der 80er Jahre wurden von Satelliten über dem südlichen Afrika und dem atlantischen Ozean große Ozonwolken entdeckt - allerdings industrielles Umfeld. Eine Messkampagne bestätigte, dass Vegetationsbrände genauso zur Ozon-Bildung beitragen wie Autos oder Industrie.
Wettermacher Feuer
Große Brände ändern das Klima großräumig: Beim Brand wird jede Menge Feinstaub in die Luft gewirbelt. Durch dieses Überangebot an Kondensationskernen bilden sich statt Regen nur Wolken und eine dunstige Atmosphäre. Unter dem Regenmangel können dann auch entfernte brandfreie Regionen leiden.
Feuer kühlt den Planeten
So paradox es klingt: die Brände erhitzen unseren Planeten nicht, sie kühlen die Erde - die Rauchpartikel reflektieren nämlich einen Teil des Sonnenlichts zurück in den Weltraum. Dieser Abkühlungseffekt ist derzeit stärker als der Treibhauseffekt, so Goldammer. Könnte man das Feuer einige Zeit von der Erde verbannen, würde sich der Planet um rund 2 Grad erhitzen.
Feuerbilanz
Stark zugenommen hat laut Goldammer auf jeden Fall die Zahl der Regenwaldbrände. Andererseits ist das Feuer in den Savannengegenden weniger geworden. Und zwar deswegen, weil sie landwirtschaftlich viel intensiver genutzt werden als früher.

Damit geht der Kohlenstoff nicht als Futter fürs Feuer auf, sondern dient als Rohstoff für die pflanzliche und tierische Produktion. Der Prozess der Zivilisation scheint also tatsächlich eine Geschichte vom Kampf mit dem Feuer zu sein und schlussendlich von seiner Zähmung.

Ein Beitrag von Franz Zeller für die Ö1-Dimensionen vom 26. März, 19 Uhr.
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->   Radio Österreich 1
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Mehr zum Thema Feuer in science.ORF.at:
->   Feuer in Australien: Diskussion um Folgen
 
 
 
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01.01.2010