News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Adulte Stammzellen mindern Parkinson-Symptome  
  Von adulten Stammzellen verspricht sich die Forschung vieles: Sie sollen beispielsweise gegen neuronale Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson helfen. Ein amerikanisches Forscherteam hat nun bekannt gegeben, dass erstmals ein Parkinson-Patient mit seinen eigenen neuronalen Stammzellen behandelt wurde - der Erkrankte zeigt demnach rund ein Jahr nach der Reimplantation der Zellen eine dramatische Besserung der Symptome.  
Der Neurochirurg Michel Levesque von dem kanadischen Biotech-Unternehmen Celmed BioSciences berichtete auf einem Kongress der "American Association of Neurological Surgeons" in Chicago, es sei seinem Forschungsteam gelungen, einen Parkinson-Patienten erfolgreich mit dessen eigenen neuronalen Stammzellen zu behandeln.
Neuronale Stammzellen gezüchtet und reimplantiert
Die Mediziner hatten am "Cedars-Sinai Medical Center" in Kalifornien einem 57-Jährigen, der unter einer schweren Verlaufsform der Parkinson-Krankheit leidet, Stammzellen aus dessen Gehirn entnommen.

Diese Zellen wurden danach mehrere Monate lang im Reagenzglas gezüchtet - unter Bedingungen, die speziell die Entwicklung so genannter dopaminerger Neuronen fördern - und schließlich dem Patienten wieder ins Gehirn implantiert.
...
Dopaminerge Neuronen und Parkinson
Morbus Parkinson ist eine unheilbare, fortschreitende Erkrankung. Beim Morbus Parkinson sterben - aus nach wie vor nicht bekannten Gründen - bestimmte Gehirnzellen im Bereich der so genannten Substantia nigra ab. Diese Zellen sind für die Bildung des Nervenbotenstoffs Dopamin zuständig - daher dopaminerge Neuronen.

Der Mangel an Dopamin, aber vor allem die aus dem Gleichgewicht geratene Balance der verschiedenen Botenstoffe des Gehirns, führen zu den typischen Symptomen der Erkrankung. Zittern, Steifigkeit und Verlangsamung aller Bewegungen sind die drei Kardinalbeschwerden der Krankheit. In Österreich leiden rund 30.000 Menschen an Morbus Parkinson.
->   Mehr über Ursache, Symptome und Behandlung des Morbus Parkinson
...
80-prozentiger Rückgang der Symptome
Bereits sechs Monate nach dem Eingriff konnten die Wissenschaftler eine fortschreitende Besserung der motorischen Defizite feststellen. Der Zustand des Mannes verbesserte sich in den kommenden Monaten weiter. Die Symptome sind nach Angaben der Wissenschaftler um 80 Prozent zurückgegangen.
Funktionierende Neuronen erzeugt
Wie Levesque erklärte, zeige der Therapieerfolg zum einen, dass neuronale Stammzellen tatsächlich dazu gebracht werden können, sich zu den spezifisch gewünschten Zellen, in diesem Fall den Dopamin produzierenden Neuronen, zu entwickeln.

Zudem habe man bewiesen, dass diese Zellen nach einer Reimplantation funktionieren, denn Gehirn-Scans mit Hilfe eines Positronen-Emissions-Tomografen zeigten drei Monate nach der Behandlung eine gesteigerte Dopamin-Aufnahme im Gehirn.
Überraschendes Teilergebnis: Andere Zellen wirken mit
Doch die Untersuchungen brachten auch ein überraschendes Ergebnis, denn die PET-Scans zeigten nach einem Jahr, dass die Dopamin-Aufnahme wieder auf den Stand vor der Behandlung gesunken war.

"Wir müssen nun untersuchen, ob andere Mechanismen in die Parkinson-Erkrankung involviert sind, die wiederum zu alternativen Behandlungsformen führen könnten", erklärte dazu Levesque.

Der Mediziner glaubt, dass andere Zellen des Nervensystems für den Erfolg verantwortlich sein könnten, die zusammen mit den dopaminergen Zellen reimplantiert wurden. Denn in den Petrischalen der Forscher befanden sich nur zu 20 Prozent solche Neuronen.
...
Details über den Patienten und die Behandlung
Bei dem behandelten Patient war im Alter von 49 Jahren Morbus Parkinson diagnostiziert worden. Drei Jahre später musste der Mann seinen Beruf wegen der fortschreitenden Krankheitssymptome aufgeben, denn gängige medikamentöse Behandlungsformen - die normalerweise gute Ergebnisse zeigen - schlugen nicht an.

Die Neurochirurgen entnahmen mittels einer Biopsie Stammzellen aus dem Kortex des Betroffenen und kultivierten diese im Labor, bis mehrere Millionen Zellen entstanden waren. Etwa 20 Prozent entwickelten sich zu ausgewachsenen dopaminergen Zellen. Sämtliche kultivierten Zellen wurden dem Patienten schließlich durch Mikroinjektionen an sechs Stellen im Gehirn - genauer gesagt in den Kern der Basalganglien - reimplantiert.
...
Große Hoffnungen wären verfrüht
Die Ergebnisse der Studie werfen ein neues Licht auf die Forschung an adulten Stammzellen, allerdings ist es - nach nur einem offenbar erfolgreich behandelten Patienten - noch zu früh, um bei Parkinson-Erkrankten große Hoffnungen zu wecken.

Die Forschung könnte jedoch, lassen sich die Ergebnisse in weiteren Studien bestätigen, in Zukunft noch stärker in Richtung adulte Stammzellen-Therapie gehen.

Denn bisherige Ergebnisse mit embryonalen Stammzellen haben zwar bei manchen Patienten zu einer Besserung geführt, in einigen Fällen jedoch wurden auch ernste negative Auswirkungen beobachtet.
...
Stammzellen und ihr medizinisches Potential
Stammzellen sind "unreife" Zellen, also Vorläuferzellen, denen mehrere Entwicklungsmöglichkeiten offen stehen; sie kommen praktisch in allen Geweben vor. Versuche zur therapeutischen Nutzung finden vor allem mit embryonalen Stammzellen statt, die aus Embryonen gewonnen werden. Von besonderem Interesse sind aber auch neuronale Stammzellen aus dem Gehirn Erwachsener, die ebenfalls ein breites Entwicklungspotenzial besitzen sollen.
...
Vorteil: Ethisch unbedenklich
Die adulten neuronalen Stammzellen weisen im Übrigen einen großen Vorteil auf: Im Gegensatz zu den aus Embryonen gewonnenen Zellen sind sie ethisch völlig unbedenklich. Da sie vom Patienten stammen, sinkt außerdem das Risiko von Infektionen oder Abstoßungsreaktionen.

In Tierversuchen konnten bereits erstaunliche Erfolge beobachtet werden. Bei Ratten gelang es etwa, mit neuronalen Stammzellen die Lähmungserscheinungen nach einer Rückenmarksverletzung deutlich zu mindern.
Weitere Forschungen folgen
Um die Ergebnisse der Studie zu bestätigen, sollen nun weitere Forschungen folgen: Wie in einer Aussendung von Celmed BioSciences berichtet wird, hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA Levesque authorisiert, eine klinische Studie - die erste weltweit, die eine Behandlung von Parkinson mit neuronalen Stammzellen untersucht - durchzuführen.
->   Celmed BioSciences
->   American Association of Neurological Surgeons
->   Mehr zum Thema Parkinson in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010