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Virologen erwarten Masernepidemie in Österreich  
  Virologen befürchten in Österreich eine Masernepidemie. In Deutschland und Italien hat sie bereits begonnen. In Österreich sind trotz Gratisimpfung immer noch zu wenige Kinder geimpft, sodass die Epidemie jederzeit ausbrechen kann. Masern werden meist als Kinderkrankheit bezeichnet, sind aber tatsächlich eine schwere Erkrankung und enden bei kleinen Kinder oft tödlich.  
Masern enden nicht immer glimpflich. Ein Fünftel der Kinder bekommt eine Lungenentzündung oder Mittelohrentzündung, manche bekommen Gehirnentzündung. An dieser stirbt ein Viertel der betroffenen Kinder, die anderen haben Langzeitschäden.
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Masern
Masern sind eine akute Infektionskrankheit. Aufgrund ihrer hohen Ansteckungsfähigkeit treten Masern meist als Kinderkrankheit auf und hinterlassen eine lebenslange Immunität. Die Erkrankung wird anhand ihrer Symptome, insbesondere der charakteristischen Hautveränderungen, diagnostiziert. Die Therapie erfolgt symptomatisch.

Der Erreger - das Masernvirus - gehört zur zur Familie der Paramyxoviridae. Das Masernvirus ist lympho- und neurotrop, d.h. es befällt bevorzugt Zellen des Immun- und Nervensystems. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Säuglinge von Müttern, die entweder eine Masernerkrankung durchgemacht haben oder geimpft wurden, sind bis zum 6. Lebensmonat durch über die Gebärmutter übertragene Antikörper vor einer Maserninfektion geschützt.
->   Mehr Informationen zu Masern beim Robert-Koch-Institut
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Gehirnversagen auf Raten
Am schwersten ist die so genannte SSPE-Erkrankung, ein Gehirnversagen auf Raten. In den letzten drei Jahren sind acht Kinder daran gestorben. Gegen diese Krankheit gibt es keine Medizin, sagt die Virologin der Universität Wien Heidemarie Holzmann. Sie spricht von einer Slow-Virus-Erkrankung, d.h. der Organismus wird mit dem Virus nicht fertig.

"Die Infektion erfolgt sehr früh, meist nach der Geburt. Man kann diese kleinen Kinder aber nur schützen, wenn auch in dessen Umgebung alle durch Impfung geschützt sind und die Zirkulation des Virus, die Übertragung von Mensch zu Mensch, unterbrochen wird. Die Kleinsten haben ein wesentlich höheres Risiko, an der schweren Folgeerkrankung zu sterben", so die Expertin.
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September 2001: Zwei Menschen sterben in Österreich
Auch vergangenen September schlugen die Fachleute vom Institut für Virologie Alarm: Innerhalb von nur vier Wochen starben zwei Personen in Österreich an der SSPE: Betroffen waren eine 19-jährige Frau sowie ein sechs Jahre alter Bub. Er war zwar 1996 gegen die Masern geimpft worden, hatte sich allerdings zuvor bereits mit den Viren infiziert.
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Epidemien - durch Impfung vermeidbar
Nun warnen die Experten vor einer Masernepidemie. Sie treten etwa alle fünf bis sieben Jahre auf. 1996 war die letzte Epidemie in Österreich. In Deutschland, wo ebenfalls vor sechs Jahren eine Epidemie grassierte, sind bereits 2.000 Kinder erkrankt. Auch in Italien hat die Epidemie eingesetzt.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es bei uns wieder losgeht, sagt Professorin Holzmann. Denn die Durchimpfungsrate in Österreich liegt nur bei 75 Prozent, obwohl die Impfung gratis ist.

"Wir müssen das Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen, wie wichtig diese Impfung ist. Um das Virus auszurotten, bedarf es einer hohen Durchimpfungsrate, da es nur von Mensch zu Mensch übertragen werden kann", so die Expertin.
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Impfungen: Ja oder Nein?
In den letzten Jahren hat sich die Diskussion über Nutzen und Risiken von Impfungen erheblich verstärkt. "Schwerwiegende Nebenwirkungen bei Impfungen sind extrem selten - im Gegensatz zu Komplikationen beim Krankheitsverlauf", heißt es in einer Aussendung des Robert-Koch-Institutes. Bei Masern zum Beispiel komme es bei bis zu zwanzig Prozent der Fälle zu ernsthaften Komplikationen wie Lungenentzündung und Mittelohrentzündung, während die Gehirnentzündung als Folge einer Impfung (postvakzinale Enzephalitis) einmal pro ein bis zwei Millionen Masernimpfungen auftrete. Die Skepsis gegenüber Impfungen werde durch einzelne - wissenschaftlich fragwürdige - Veröffentlichungen geschürt, seit Ende des 19. Jahrhunderts Impfungen eingeführt worden seien.
->   Mehr dazu beim Robert-Koch-Institut
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Ausrottung bis 2007 als Ziel der WHO
Wie die Medizinerin erläutert, ist die Ausrottung auch das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO. "Dass das gelingen kann, sieht man am Beispiel der USA: Seit 1993 ist es dort ausgerottet", so Holzmann. In ganz Europa will die WHO das Masern-Virus bis zum Jahr 2007 ausrotten. In Finnland, Schweden und Norwegen gilt die Erkrankung bereits als vernichtet.

Das geht aber nur, wenn alle geimpft sind. Da die ganz kleinen Kinder meistens daran sterben, können sie erst ab dem 14. Lebensmonat geimpft werden. Wenn alle Menschen, die mit dem kleinen Kind zu tun haben, geimpft sind, kann ihnen nichts passieren.

"Wer die Masern einmal durchgemacht hat, ist ein Leben lang immun. Allerdings kann man zwei Wochen nach der Impfung einen ganz kleinen Masernverlauf bekommen mit etwas Fieber und einem kleinen Ausschlag - das ist aber viel abgeschwächter als die eigentliche Masernerkrankung und geht nicht mit den schweren Komplikationen einher. Die Impfung soll auch ein Leben lang schützen", so Holzmann.
Warnung vor "Masernpartys"
Die Virologin warnt auch vor den so genannten "Masernpartys": Partys, zu denen manche gehen, um sich anzustecken und dann nicht mehr krank zu werden. "Das ist absurd, denn es handelt sich nicht um eine harmlose Erkrankung, sondern um eine sehr schwere. Bei jedem Fünften kommt es zu schweren Komplikationen mit bleibenden Schäden, oft endet sie auch tödlich."

Nach Schätzungen der WHO sterben jedes Jahr ca. eine Million Menschen an den Folgen einer Masernerkrankung. In den Entwicklungsländern gehören die Masern beispielsweise zu den häufigsten Ursachen für Erblindungen.

Edith Bachkönig, Ö1-Wissenschaft/ red
->   Institut für Virologie der Universität Wien
->   WHO
Mehr zu diesem Thema im ORF:
->   science.ORF.at: Impfmüdigkeit in Österreich nimmt zu
->   science.ORF.at: Masern auf dem Vormarsch?
->   oesterreich.ORF.at: Die Masern kommen - Ärzte raten zu Impfungen
 
 
 
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01.01.2010