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Genius der Genetik: Ausstellung zu Gregor Mendel  
  Eine Ausstellung im Sankt-Thomas-Kloster in Brünn widmet sich dem Mann, der mit seinen Kreuzungsversuchen mit Erbsen vor knapp 150 Jahren den Grundstein der Genetik legte: Gregor Mendel.  
Messgeräte, Pflanzensammlungen, schriftliche Aufzeichnungen, Briefe und Bücher mit Mendels handschriftlichen Notizen am Rand präsentieren das Bild eines umfassend wissenschaftlich interessierten Mannes.
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Gregor Mendel
Gregor Johann Mendel (1822-1884) wurde als Sohn eines Bauern im österreichischen Schlesien geboren. 1843 trat er in die Augustiner Abtei in Brünn ein und arbeitete lange Jahre als Lehrer an der Realschule in Brünn. Zwischen 1856 und 1863 unternahm er zahlreiche Kreuzungsversuche mit Erbsen und stellte Gesetzmäßigkeiten in deren Vererbung fest. Seine Arbeiten wurden 1866 erstmals publiziert.
->   MendelWeb
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Die Ausstellungskuratorin Marina Wallace, Lektorin für Kunst und Design am Central Martin¿s College in London, hat dazu mit ihren Kollegen die vergangenen elf Monate das Kloster nach Objekten aus Mendels Zeit durchstöbert.

Sie hat sich mit ihrer Firma Artakt auf Projekte, in denen Wissenschaft und Kunst verknüpft werden, spezialisiert.
->   Artakt
"Mensch Mendel" im Mittelpunkt

Die Kloster-Bibliothek
Die Idee war es, den "Mensch Mendel" zu zeigen - seinen Hintergrund, was und wo er studiert hat, sein Umfeld im Kloster, seine Verbundenheit mit Geschichte und Gesellschaft des Ortes, an dem er gearbeitet hat. Die konkreten Experimente mit Erbsen, die die Grundlage der Genetik bilden, werden im letzten Raum der Ausstellung gezeigt.

Werke zeitgenössischer Künstler reflektieren zum einen neuere Ergebnisse und die Art des Erkenntnisgewinns in der Biologie, andere thematisieren gesellschaftlich relevante Fragen, die die moderne Genetik aufwirft.

Vor allem in der Kloster-Bibliothek wurde Marina Wallace fündig. Aus deren Fenstern konnte Mendel direkt auf seinen Erbsen-Garten hinunterschauen. In den Regalen standen ihm sämtliche wissenschaftliche Bücher seiner Zeit zur Verfügung.
Mendel und Darwin
Teilweise belegen seine handschriftlichen Randanmerkungen, wann er sich womit beschäftigt hat. Besonders interessant ist die ausgestellte deutsche Übersetzung von Charles Darwins "Entstehung der Arten" - mit Mendels Bemerkungen.

Es gibt viele Spekulationen darüber, was passiert wäre, hätten die Zeitgenossen Mendel und Darwin einander gekannt und ihre Ideen ausgetauscht. Das Buch in der Brünner Ausstellung zeigt, dass zumindest der Begründer der Genetik die Theorien seines berühmten englischen Kollegen kannte - Darwin hingegen dürfte Mendels Schriften nie gesehen haben.
Umfassendes wissenschaftliches Interesse
Die Bücher, die er gelesen hat, seine eigenen Publikationen und seine zahlreichen Messgeräte und Versuchsinstrumente zeigen, dass Mendels wissenschaftliches Interesse weit über die Erbsenzucht hinausging.
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Meteorologie, Bienen und Mathematik
Bisher kaum bekannt, befasste sich der größte Teil der wissenschaftlichen Publikationen Gregor Mendels mit meteorologischen Themen. Außerdem war Mendel begeisterter Bienenzüchter. Reste seines Bienenhauses sind heute noch hinter dem Kloster zu sehen - und heuer wurde dort nach vielen Jahren auch erstmals wieder Honig hergestellt. Bei dem Physiker Christian Doppler erwarb Gregor Mendel an der Universität Wien seine mathematischen Kenntnisse.
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"Wiege der Genetik"
Die Klostergemeinschaft ist mittlerweile auf eine Handvoll Mönche geschrumpft. Abt Lukas Martinec hat die Ausstellung mit initiiert und war von Anfang an Feuer und Flamme für die Idee. Vor allem nachdem Gregor Mendel so lange Zeit in Vergessenheit geraten war, sieht er darin eine Chance, Interessierte auch wieder zurück an die "Wiege der Genetik" zu bringen.
Lange unbeachtet

Das Kloster
Tatsächlich blieben Gregor Mendels Schriften über vier Jahrzehnte beinahe unbeachtet. Nach den Erbsen versuchte Mendel ohne Erfolg seine Kreuzungsexperimente mit Hieracium, dem Wiesen-Habichtskraut, zu wiederholen. Er stand darüber in regem Briefwechsel mit dem Botaniker Carl Nägeli, der aber offensichtlich die Erkenntnisse aus den Erbsenversuchen auch unterschätzt hat.

Erst um 1900 wurden die Schriften über die Vererbungsgesetze Gregor Mendels wiederentdeckt, ihre Bedeutung erkannt und die Genetik nahm ihren Aufschwung.
Ideologiefeindliche Theorien
Viel länger währte die Geringschätzung Mendels am Ort seines Wirkens. Die Mendelschen Theorien standen im krassen Gegensatz zu denen Trofim Lyssenkos, eines sowjetischen Agronomen, dessen biologisches Erklärungsmodell besser in das stalinistisch-marxistische Weltbild passte.
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Trofim Lyssenko
Trofim Denissowitsch Lyssenko leitete das Moskauer Institut für Genetik der sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Berühmt wurde er durch seine Theorie, Erbanlagen ließen sich direkt und gezielt durch äußere Lebensbedingungen verändern. Die Schaffung eines neuen Menschentyps innerhalb nur einer Generation durch eine radikale gesellschaftliche Umformung schien damit möglich. Diese Thesen erwiesen sich zwar später als unhaltbar, sie beruhten auf Fehlinterpretationen und auch Fälschungen seiner wissenschaftlichen Untersuchungen - zur Zeit Stalins bestimmte Lyssenko allerdings die biologische Wissenschaft in der Sowjetunion.
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Über die Thesen Gregor Mendels wurde, wenn überhaupt, nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen, ein öffentliches Eintreten dafür endete für viele im Gefängnis. Erst in den späten sechziger Jahren begann langsam Mendels Rehabilitierung auch im Osten.
Brünn-Initiative
Die jetzige Ausstellung, die ein Jahr dauert, soll aber nur ein Anfang sein. Verantwortlich ist die im Jahr 2000 in Wien gegründete Vereinigung zur Förderung der Genomforschung (VFG), die die Brünn-Initiative organisiert hat.

Als nächster Schritt, so Kim Nasmyth, Direktor des Instituts für Molekulare Pathologie und Mitglied der VFG, soll kommendes Jahr der Genetik-Garten im Kloster neu belebt werden.

Längerfristig gibt es ambitionierte Ziele: Aus der (dann erweiterten) Ausstellung soll ein unbefristetes Mendel-Museum werden, mit einschlägigen Konferenzen will man ein permanentes Life Science Center in der Abtei Sankt Thomas einrichten.
Impuls für tschechische Wissenschaft
Auch wenn als Veranstalter und Organisatoren der Ausstellung großteils Personen aus Österreich und Großbritannien auftreten - die Brünner Masaryk-Universität war von Anfang an in das Projekt involviert.

Ihr Rektor, Jiri Zlatuska, erwartet sich davon einen entscheidenden Impuls auch für die heimische Wissenschaft und das geplante neue Zentrum für biomedizinische Forschung.

Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft
->   Das Mendel-Museum in Brünn
->   Mendel-Symposion (16.-19. Mai 2002)
->   Masaryk-Universität
->   Central Martin¿s College
 
 
 
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01.01.2010