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Geschlechterfragen nach wie vor ungelöst  
  Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern erscheint in vielen Bereichen bereits weitgehend erreicht. Tatsächlich aber gibt es in Beruf, Privatleben und Kultur viele alte und neue Ungleichheiten. Eine Veranstaltung in der Reihe "University meets Public" beschäftigt sich vor diesem Hintergrund mit Theorie und Praxis der Geschlechtergerechtigkeit. Katharina Prinzenstein fasst die wichtigsten Aspekte in einem Gastbeitrag für science.ORF.at zusammen.  
Wege zur Geschlechtergerechtigkeit
Von Katarina Prinzenstein

Begriffsverwirrung entsteht immer da, wo "Unterschiede" mit "Ungleichheit" gleichgesetzt wird und "Gleichrangigkeit" und "Gleichsein" verwechselt werden. "Unterschiede" gibt es zwischen allen Menschen: Daher ist es niemals ein politisches Ziel von Gleichberechtigungsprogrammen, Gleichsein mittels Gleichmacherei herzustellen - das ist das erste grobe Missverständnis.
Kein Grund für Diskriminierung
Das zweite grobe Missverständnis betrifft den Umgang mit faktischen Unterschieden zwischen Menschen; zwischen den Geschlechtern: Es kann niemals eine Verschiedenheit Rechtfertigung für Diskriminierung sein.

Damit aber Unterschiede nicht zu einer Ungleichbehandlung und damit zu einer "sozialen Ungleichheit" - d.h. Ungerechtigkeit führen, gibt es immer wieder das Bemühen um Gleichstellung/Gleichrangigkeit.
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Antidiskriminierungsmaßnahmen
Wenn Menschen das Ideal einer gerechten Gesellschaft als Ziel nehmen, gibt es viele verschiedene Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen: Fast scheint es, als gäbe es mittlerweile eine fatale Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Positionen und Vorgangsweisen, die neue Verwirrungen heraufbeschwört.

Die unterschiedlichen Wege sind aber nicht zwangsläufig widersprüchlich. Es braucht nur ein genaues Nachdenken und eine Analyse aus der Praxis, um zu erkennen, was wozu dient.
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Rechtsschutz - öffentlich und allgemein
Grundsätze der Verfassung und einzelne Bundesgesetze für den öffentlichen Bereich sollen die Diskriminierung von Einzelnen durch staaatliches Handeln verhindern oder einen Rechtsschutz dagegen bieten (wie im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz).

Gesetze für den allgemeinen Bereich stellen Regelungen zur Verfügung, wie Diskriminierung auch in der Privatwirtschaft unterbunden oder sanktioniert werden kann (dies tut v.a. das Gleichbehandlungsgesetz).

Für vorsorgliche Maßnahmen gegen Ungleichheiten dienen im öffentlichen Bereich Verordnungen wie der Frauenförderungsplan des jeweiligen Ressorts, in der Privatwirtschaft vielfältige Konzepte des Managements (Managing Equality, Equality Management).
"Gender Mainstreaming"
In beiden Bereichen sind allgemeine Strategien zur Stärkung der Chancen von Frauen bedeutsam: Innerhalb der jeweiligen Arbeitszusammenhänge wird auf Mentoring und Netzwerkbilden gesetzt, weiters dienen Grundrechtskataloge als Richtlinien, die eingemahnt werden können:

Seit der Verabschiedung der UN-Konvention zur "Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau" 1979 (ratifiziert durch Österreich 1982) haben sich inter- und übernational viele weitere Basiskonzepte entwickelt, wie eine geschlechtergerechte Welt herzustellen ist - das jüngste Ergebnis ist das Konzept "Gender Mainstreaming", dem allerdings eine korrekte Umsetzung noch weitgehend fehlt.
Umsetzung von Strategien
Strategien können nur bei wirklicher Bereitschaft und Aktivität der Beteiligten erfolgreich sein - dies ist eine altbekannte Tatsache. So zeigte die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vielfach ein ermüdendes Kräftemessen zwischen Frauenaktivistinnen mit den jeweils etablierten Männern (und z.T. Frauen), die eine Veränderung der Verhältnisse ablehnten.
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Globale Ungerechtigkeiten
So ist es u.a. zu erklären, dass sich in den letzten 20 Jahren die "Lohnschere" zwischen den Einkommen von Frauen und Männern stark verbreitert hat, dass weder Gewalt/Menschenhandel gegen weibliche Menschen zurückgegangen ist noch jene Diskriminierungen abgenommen haben, die auf den ersten Blick nichts mit der Position als Frau zu tun haben, aber sehr geschlechtsspezifisch wirken (Rassismus, Neo-Kolonialismus usw.).
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Möglichkeiten der Freiheit
Dass jene Verhinderer (Verhinderinnen) einer geschlechtergerechten Welt damit nicht nur der gesamten Gesellschaft schaden, sondern sich letztlich selbst um Freiheitsmöglichkeiten bringen, haben Feministinnen und kritische GeschlechterforscherInnen seit vielen Jahrzehnten versucht klarzulegen. Und mehr und mehr Menschen versuchen auch, dies zu erkennen.
Schwierigkeiten
Die Wege zu einer geschlechtergerechten Welt sind oft sehr lange und von Misserfolgen begleitet, was zwei ältere Beispiele aus Österreich zeigen:

Seit den 70er Jahren war die sogenannte Quotenregelung anfangs in der sozialistischen Partei, später insgesamt ein Thema, an dem sich die Gemüter wie im oben erwähnten Missverständnis zwischen "Gleichstellung" und "Gleichsein" erhitzen konnten. (Manche Menschen erzürnt der Anspruch auf eine verhältnismäßige Teilhabe von Frauen/Männern an der Gestaltungsmacht nach wie vor).
"Halbe-Halbe"
In den 90er Jahren scheiterte die Frauenministerin Konrad an einer gleichstellungsrelevanten Kampagne so sehr, dass dies das Ende ihrer eigenen politischen Karriere war: Die PR-Aktion "Ganze Männer machen Halbe-Halbe" hatte zum Ziel, die gleichgewichtige Aufteilung der Haus- und Versorgungsarbeit in der Familie als Anspruch und auch Verpflichtung in einer Ehe festzulegen.

Diese sachliche Bemessung und gleiche Aufteilung der Arbeit zwischen Frau/Mann im unbezahlten Bereich hätte das Alltagsleben vieler massiv verändert. Daher fühlten sich auch viel mehr Menschen davon betroffen als von den "Quoten" in bestimmten Bereichen. Die Diskussionen waren vielfältig.
"Kurze Beine"
Was eine konkrete Strategie zur positiven Veränderung der Geschlechterverhältnisse war, wurde zum Witz degradiert. Aber dies wird nicht so bleiben, denn Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Diskriminierung/Lächerlichmachen und Ausbeutung haben wie die Lügen im Sprichwort "kurze Beine".
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"University meets Public" - Vortrag und Workshop
Da die vielen Wege und Strategien zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit im Alltag tatsächlich widersprüchlich erscheinen und miteinander in Konkurrenz gesetzt werden, ist die Praxis nicht immer einfach. Um sie zu erleichtern, bietet die VHS Floridsdorf im Rahmen der Reihe "University Meets Public" am 24. und 25. Mai die Möglichkeit, grundlegende Analyseformen kennen zu lernen bzw. zu diskutieren / auszuprobieren:

Im Vortrag und Workshop "100 Wege zur Geschlechtergerechtigkeit" (Katharina Prinzenstein und Marietta Schneider) sollen grundlegende Denk- und Analyseraster so vermittelt werden, um selbst die verschiedenen Strategien analysieren zu können.

Volkshochschule Floridsdorf
Vortrag: 24. 4., Beginn 18.30 Uhr
Workshop: 25. 5. Beginn 10.30 Uhr
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01.01.2010