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Biomedizin-Konvention: Keine Fortschritte bei Umsetzung  
  Keine Fortschritte in der Frage, ob Österreich die Biomedizin-Konvention des Europarats unterzeichnen soll, brachte am Dienstag ein Expertenhearing im parlamentarischen Petitionsausschuss. Das völkerrechtlich bindende Abkommen legt erstmals internationale ethische Normen für den Umgang mit Gentechnik, Embryonenforschung, Organtransplantation und Biomedizin fest. Einige Bereiche der Konvention sind allerdings heftig umstritten.  
Laut Parlamentskorrespondenz plädierte zwar die Mehrheit der Experten - trotz Vorbehalten gegen einzelne Artikel - für eine Unterzeichnung der Konvention, die internationale Mindeststandards zum Schutz der Menschenrechte und -würde im Hinblick auf medizinische Anwendungen festlegt.

Der Ausschuss beschloss allerdings einstimmig, die Beratungen über die Petition "Nein zur Biomedizin-Konvention des Europarates" zu vertagen. Allerdings ist Österreich schon lange säumig, denn die Biomedizin-Konvention des Europarats wartet seit Jahren die Ratifizierung.
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Die Biomedizin-Konvention des Europarats
Die Biomedizin-Konvention des Europarats (ursprünglich Bioethik-Konvention, Anm.) trat mit 1. Dezember 1999 in Kraft. Das völkerrechtlich bindende Abkommen legt internationale ethische Normen für den Umgang mit Gentechnik, Embryonenforschung, Organtransplantation und Biomedizin fest.

Die Konvention verbietet jede Form von Diskriminierung von Menschen auf Grund ihrer genetischen Erbanlagen. Gentests sind nur zu medizinischen Zwecken erlaubt. Der medizinischen Forschung sollen damit dort Grenzen gesetzt werden, wo die Würde und Rechte des Menschen angetastet werden könnten.
Convention on Human Rights and Biomedicine

Ergänzt wird die Konvention durch ein 1998 zur Unterzeichnung aufgelegtes Zusatzprotokoll zum Verbot des Klonens von Menschen - nicht unter dieses Verbot fällt das Klonen einzelner menschlicher Zellen oder Gewebeteile.
Additional Protocol: Prohibition of Cloning Human Beings
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Verbesserung des Schutzes in einigen Bereichen
Beim Experten-Hearing im Petitionsausschuss argumentierten Vertreter der beim Bundeskanzleramt eingerichteten Bioethik-Kommission, dass die Konvention in einigen Bereichen zu einer Verbesserung des Schutzniveaus in Bezug auf biomedizinische Forschung in Österreich führen wird.

Gleichzeitig bestehe keinerlei Verpflichtung, dort, wo Österreich ein höheres Schutzniveau habe, die Standards abzusenken. Die Bioethik-Kommission hatte im Februar der Regierung die Unterzeichnung der Konvention empfohlen.
Nationale Gesetze bleiben unberührt
Die Experten betonen auch in ihrer Empfehlung, dass ein höheres nationales Schutzniveau von einem Beitritt unberührt bleibe.

So würde eine Unterzeichnung an der derzeitigen Unzulässigkeit der "fremdnützigen" Forschung (ohne Therapiezweck, Anm.) an Einwilligungsunfähigen nichts ändern.

In vielen anderen Punkten sehe die Biomedizin-Konvention dagegen strengeren Schutz vor als das österreichische Recht.
->   science.ORF.at: Biomedizin-Konvention - Bioethik-Kommission für Unterzeichnung
Kritiker gegen Forschung an Einwilligungsunfähigen
1997 haben sich dagegen Behindertenorganisationen in Österreich zur Plattform "Nein zur Biomedizin-Konvention" zusammengeschlossen. Die Kritiker der Konvention stoßen sich vor allem an der Bestimmung, die unter bestimmten Umständen Forschung an einwilligungsunfähigen Personen wie Babys, Koma-Patienten oder geistig Behinderten erlaubt.

Skeptisch zur Biomedizin-Konvention äußerte sich am Dienstag Birgit Primig als Vertreterin der Behindertenverbände. Es sei prinzipiell gut, dass versucht werde, europaweite Mindeststandards für die biomedizinische Forschung einzuführen, so Primig.

Die Konvention scheint ihrer Meinung nach aber nicht dafür geeignet, da sie in manchen Bereichen Menschenrechte verletze und einwilligungsunfähige Menschen diskriminiere.
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Die umstrittenen Punkte der Konvention
Umstritten sind vor allem die Bestimmungen über die Forschung an einwilligungsunfähigen Personen (Artikel 17), etwa Babys, Koma-Patienten oder geistig Behinderten. Die Europarats-Konvention erlaubt solche Forschung auch dann, wenn die Betroffenen keinen direkten therapeutischen Nutzen daraus zu erwarten haben. Voraussetzung ist allerdings, dass die gesetzlichen Vertreter zustimmen und die Eingriffe nur ein "minimales Risiko" bergen.
->   science.ORF.at: Debatte um Artikel 17 der Bioethik-Konvention
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Schlupfloch für konventionswidrige Forschung?
Der Staatsrechtler Christian Kopetzki, ein Mitglied der Bioethik-Kommission, wies allerdings auf die Gefahr hin, dass Österreich durch die Nicht-Ratifizierung der Konvention zu einem Schlupfloch für Firmen werden könnte, die von hier aus in Drittländern
konventionswidrige Forschung betreiben wollen.

Jeder Staat, der die Teilnahme an der Konvention verweigere, leiste einen Beitrag zur Verhinderung von Mindeststandards.

Der Verhandlungsleiter Österreichs im zuständigen Komitee des Europarates, Michael Stormann (Justizministerium), meinte, es wäre ein "Illusion" zu glauben, man könnte noch irgendwelche Verbesserungen der Konvention erreichen.
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Bisher 31 Unterzeichnerstaaten
Die Unterzeichnerstaaten der Konvention verpflichten sich, diese Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Jedes Land kann aber schärfere Gesetze erlassen. Bisher haben laut Europarats-Homepage 31 der insgesamt 44 Europarats-Mitgliedsländer die Konvention unterzeichnet, 13 davon das Abkommen auch ratifiziert.

Österreich hat ebenso wie etwa Belgien, Deutschland, Irland und Großbritannien die Konvention bisher nicht unterschrieben. Allerdings hatte Österreich bereits 1996 - bei der Abstimmung im Europarat - der Konvention über Menschenrechte und Biomedizin zugestimmt.
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Verfassungsrang für bestimmte Schutzbestimmungen?
Reserviert gab sich am Dienstag auch Max Rubisch von der Sektion Behindertenangelegenheiten im Sozialministerium. Für sein Ressort komme eine Ratifizierung nur in Frage, wenn zuvor die Schutzbestimmungen, die es in Österreich für einwilligungsunfähige Personen gebe, in Verfassungsrang erhoben würden.

Auch die Grün-Abgeordnete Theresia Haidlmayr forderte eine verfassungsrechtliche Absicherung des derzeit in Österreich geltenden höheren Schutzniveaus für einwilligungsunfähige Patienten vor einer Ratifizierung der Konvention.
Weitere Punkte der Biomedizin-Konvention
Laut Konvention dürfen Ärzte Eingriffe in das menschliche Erbgut nur vornehmen, wenn es diagnostische, therapeutische oder vorbeugende Gründe gibt, keinesfalls dürfen solche Eingriffe Veränderungen der menschlichen Keimbahn zum Ziel haben.

Verboten sind ferner die Züchtung von menschlichen Embryonen nur zu Forschungszwecken, nicht aber die Verwendung "überschüssiger" Embryonen, etwa aus Reagenzglas-Befruchtungen.

Unter das Verbot fällt weiters die Organentnahme bei nicht einwilligungsfähigen Personen, etwa Kindern oder Behinderten, sowie der Organhandel.
->   Der Europarat
->   Mehr Informationen zur europäischen Bioethik-Politik beim Council of Europe
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Ulrich Körtner: Bioethik-Konvention - die Zeit drängt! (08.01.2002)
->   Österreich bei Biomedizin-Konvention säumig (03.08.2001)
->   Die Biomedizin-Konvention: Ein Überblick (13.03.2001)
 
 
 
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01.01.2010