News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Pflanzliche Östrogene im menschlichen Körper  
  Hormonell wirksame Stoffe finden sich nicht nur in Medikamenten, sondern kommen auch in der Natur vor: Einige Pflanzen wie beispielsweise Soja produzieren Substanzen, die eine östrogene Wirkung auf Tiere und Menschen ausüben - Untersuchungen haben gezeigt, dass dadurch etwa Krebserkrankungen positiv beeinflusst werden. Was genau dabei im Körper vor sich geht, war bislang allerdings unklar. Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung könnte diese Fragen nun erhellen.  
Im Pflanzenreich finden sich so genannte Isoflavonoide, diese Stoffe werden auch als Phytoestrogene bezeichnet, da sie - relativ schwache - östrogene Wirkungen auf Tiere und Menschen ausüben können. Was geschieht jedoch, wenn diese Stoffe vom Menschen mit der Nahrung aufgenommen werden?
...
Beispiel: Wie sich der Klee gegen die Kuh wehrt
Das skurrile Beispiel einer Pflanze, die sich die östrogene Wirkung der Isoflavonoide als Überlebensstrategie zu Nutze macht, bietet der Klee: Unter schlechten Wachstumsbedingungen bilden die Pflanzen vermehrt Phytoestrogene, was zu einer Scheinschwangerschaft bei den grasenden Kühen führt. Diese Kühe haben im nächsten Jahr keinen Nachwuchs - das Überleben des Klees ist somit auch in schlechten Zeiten gesichert.
...
Östrogen aus Soja gegen Krebs
Isoflavonoide treten - außer im Klee - in größeren Mengen in Soja und seinen Produkten, aber auch in Bier auf. Sojaprodukte werden hauptsächlich in asiatischen Ländern konsumiert. Dort fiel auf, dass Brust-, Darm- und Prostatakrebs weniger häufig auftreten als in westlichen Kulturen.

Daraufhin durchgeführte Studien zeigten, dass Isoflavonoide hormonabhängige Krebsarten, Arteriosklerose, Osteoporose, menopausale Symptome und den Cholesterinspiegel im Blut positiv beeinflussen können.
Neue Therapiemöglichkeit?
Aufgrund dieser positiven Eigenschaften sollen Isoflavonoide jetzt in der Chemoprävention und in der Therapie hormonabhängiger Krankheiten eingesetzt werden. Die Frage, die sich damit nun stellt: Erreichen diese Stoffe unverändert ihr Ziel, oder werden sie während des Transports im Körper modifiziert?
...
Die "Nebenwirkungen" von Östrogenen
Unter dem Sammelbegriff Östrogene werden die weiblichen Sexualhormone Östradiol, Östron und Östriol zusammengefasst. Östrogene stehen allerdings nicht nur im Dienst der Fortpflanzung, vielmehr üben sie allerlei vorteilhafte "Nebenwirkungen" aus, so etwa auf das Herz-Kreislauf-System, auf den Stoffwechsel der Knochen und auch auf das Gehirn: Dort tragen Östrogene als Neurohormone und Schutzfaktoren auf vielfältige Weise zur Funktion und Erhaltung von Nervenzellen bei.

Eine Arbeitsgruppe vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München hat z.B. vor einigen Jahren festgestellt, dass Östrogene aufgrund ihrer chemischen Struktur als neuroprotektive - also die Nervenzellen schützende - Antioxidantien wirken: Sie fangen die so genannten "freien Radikalen" (chemisch aggressive Moleküle, die einen zerstörerischen oxidierenden Einfluss auf Nervenzellen haben) ab. Ähnlich dem Vitamin E wirken Östrogene also als Radikalenfänger und bilden eine Art "molekulares Schutzschild" für die Nervenzellen.
->   Mehr Informationen zu Östrogenen
...
Veränderung durch den Stoffwechsel
Der menschliche Körper selbst verändert durch seinen Stoffwechsel die Isoflavonoide, indem wasserlösliche Komponenten angehängt werden. Dieses erleichtert den Transport im wässrigen Milieu. Dabei bleibt die Grundstruktur des Moleküls erhalten.

Doch auch andere Mechanismen nehmen Einfluss auf die Form der Flavonoide, wie eine Arbeitsgruppe um Michael Blaut vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung - ein Institut der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz - nun nachweisen konnte.
Darmbakterium schwächt Wirkung ab
Den Forschern gelang es, ein Bakterium aus dem menschlichen Darm zu isolieren und identifizieren, welches das Grundgerüst der Isoflavonoide verändert und sogar spaltet.

Diese Veränderung kann die östrogene Wirkung der Isoflavonoide stark beeinflussen. Im Falle des gefundenen Bakteriums Eubacterium ramulus wird sie abgeschwächt bzw. vollkommen aufgehoben.
Weitere Bakterien an Veränderung beteiligt ...
Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass weitere Bakterien im Darm zur Veränderung des Grundgerüsts der Isoflavonoide fähig sind. So wurde zum Beispiel das so genannte Equol, ein mögliches Abbauprodukt der Isoflavonoide, in Ausscheidungen des Menschen gefunden.

Die östrogene Wirkung dieses Stoffes liegt um ein Vielfaches höher als die der Ausgangssubstanz und die Bildung des Equols wird auf Bakterien des Darmtraktes zurückgeführt.
Weitere Studien notwendig
Die Untersuchungen zeigen, dass es nötig ist, die Bakterien des Darms, welche Isoflavonoide umsetzen können, zu identifizieren und deren Stoffwechselaktivitäten aufzuklären. Denn die Art und Anzahl der Bakterien im Darm bestimmt letztendlich die Auswirkungen einer medizinischen Isoflavonoidtherapie mit.
->   Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE)
Mehr zu diesem Thema im science.ORF.at-Archiv:
->   Hormonell wirksame Stoffe im heimischen Wasser?
->   Spuren von Hormon-Substanzen in Lebensmitteln
->   Wie Östrogene gegen Alzheimer wirken
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010