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Eine kurze Geschichte des Schulzeugnisses  
  Am Freitag werden an den Schulen Ostösterreichs die Zeugnisse verteilt - mit Hunderttausenden von Noten. Was den einen oder anderen mit Sorge erfüllt, hat noch gar keine so lange Tradition: Die Idee, Schulabgängern den Besuch der Bildungsanstalt schriftlich zu bestätigen, hatte Kaiser Joseph II. Von den handgeschriebenen Kurz-Benotungen am Ende des 18. Jahrhunderts bis zu dem heute üblichen numerischen System war es allerdings ein langer Weg.  
Beginn am 17. September 1783
In "allerhöchster" Vorschrift vom 17. September 1783 verfügte Joseph II., der Sohn Kaiserin Maria Theresias, dass schreibkundigen Kindern am Ende der Trivialschule ein "Schulattestat" auszustellen ist.
Vorerst zählt einzig regelmäßiger Schulbesuch
Die "Allgemeine Schulordnung" Maria Theresias sah zunächst noch keine Leistungsbeurteilung oder -beschreibung vor. Vorrangige Sorge war damals nicht der Erfolg, sondern der regelmäßige Schulbesuch der Kinder.

Die Kunst des Lesens, Schreibens und Rechnens wurde im Lauf der sechsjährigen Trivialschule vermittelt. Zusätzlich konnten die Mädchen und Buben ihr Wissen und Können in der vier Jahre dauernden Sonntagsschule festigen.
Attest mit einem Satz
Das von Joseph II. verordnete Attest bestand zunächst aus einem einzigen handgeschriebenen Satz. So lautet etwa ein Zeugnistext aus dem Jahr 1792: "Es wird bestätigt, dass Josef Pammer, ehelicher Sohn des Bäckermeisters, sich durch 6 Jahre in der hiesigen Trivialschule alle vorgeschriebenen Gegenständen zur Genüge zu eigen gemacht hat."
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Trend zu differenzierter Darstellung
Der Trend zu differenzierter Darstellung nach Lehrfächern und ihrer Beherrschung wurde allerdings immer stärker. 1804 drückte es ein Schulmeister aus Bad Leonfelden (Oberösterreich) so aus: "Der Schüler hat die Religion, das Buchstabieren, das Schönschreiben und das Zählen im Kopf erlernet, soweit ich es ihm beibringen konnte."
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Beurteilungsstufen erst ab 1830
Um 1830 wurde die Leistung der Schüler erstmals in sprachlich genormten Beurteilungsstufen gewertet - wobei man mit den vier Stufen "sehr gut", "gut", "zufriedenstellend" und "ungenügend" das Auslangen fand.

Die heute gültige fünfteilige Notenskala ließ noch einmal fast 40 Jahre auf sich warten. Den fünf Stufen wurden damals quasi als Kurzformel Kennziffern zugeordnet: Sehr gut (1), Gut (2), Befriedigend (3), Genügend (4) und Ungenügend (5).
Öffentliche Prüfungen mit Belohnungen
Die Prüfungen waren in der Regel öffentlich, als besondere Belohnung für gute Ergebnisse gab es Brezel, Fleißbildchen und in besonderen Fällen auch Ehrenmedaillen. Mit dem öffentlichen Examen wollte man auch Eltern den Nutzen der Schule und die Notwendigkeit einer regelmäßigen Anwesenheit vor Augen führen. Denn trotz Schulpflicht kamen viele Kinder immer noch unregelmäßig.
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Klasseneinteilung nach Wissensstand
Ein besonders gutes Zeugnis konnte auch den Aufstieg in eine höhere "Classe" bedeuten. In den damaligen Lehrstuben waren nämlich oft weit über 100 Schüler versammelt. Diese wurden nicht nach Alter, sondern nach dem Wissensstand in drei Abteilungen gegliedert: erst-, zweit- und drittklassige Schüler, erst später wurde der Begriff "Classe" zu einer vom Schüleralter bestimmten Einheit.
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1869 übernimmt Staat die Oberaufsicht
Im Mittelpunkt der Leistungsbeurteilung standen ursprünglich Religion sowie die elementaren Fächer Lesen, Schön- und Rechtschreiben sowie Rechnen. Mit dem Reichsvolksschulgesetz 1869 übernahm der Staat die Oberaufsicht über die Schulen. Ab diesem Zeitpunkt flossen auch naturkundliche Fächer wie Naturlehre, Erdkunde oder Landwirtschaftskunde ein.
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Geschlechtsspezifische Fächer
Differenziert wurde auch zwischen "weiblichen" und "männlichen" Fächern: Die Zeugnisse der Mädchen wiesen das Fach Handarbeit auf, auch "Nadelunterricht" genannt, Buben wurden in Leibesübungen unterrichtet und beurteilt.
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Nationalsozialismus: Turnen Haupt-, Religion Privatsache
Eine von vielen Zäsuren in der Zeugnisgeschichte bildete die Ära des Nationalsozialismus. Es gab eine sechsgradige Beurteilung, und der Turnunterricht wurde erstmals auf beide Geschlechter ausgedehnt: Bei den Mädchen galt als Motto "Förderung der Anmut der Frau", für die Knaben hieß die Parole "Kampfsportarten, Haltung, Kriegsertüchtigung". Turnen wurde an erster Stelle der Fächerliste im Zeugnis positioniert, Religion als "Privatsache" deklariert und aus dem Papier verbannt.
Betragen in Religionsnote inkludiert
In der Religionsnote war ursprünglich die spätere Betragensnote verpackt. Ein Zweier in Religion galt zumindest am Land als Hinweis auf "schandhaft schlechte Sitten des Kindes". Erst später wurden Begriffe wie "Sittliches Betragen", "Fleiß", "Äußere Form" oder "Verhalten" kreiert.

Dass das Zeugnis seit jeher für Diskussionen gesorgt hat, zeigt die Tatsache, dass es allein im Grundschulbereich seit seiner Einführung 1783 fast 50 textliche Neufassungen gesetzlicher Regelungen gegeben hat.
->   Bildungswesen in Österreich (Bildungsministerium)
->   Unterrichtspflicht in Österreich (AEIOU)
->   Überblick über die Österreichische Bildungsgeschichte
 
 
 
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01.01.2010