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Geregelte Präimplantationsdiagnostik auch in Österreich?  
  Am Sonntag fanden im Rahmen der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Embryologie (ESHRE) in Wien Arbeitskreise zu den verschiedensten Themen der Reproduktionsmedizin statt. Dabei ging es auch um die Präimplantationsdiagnostik (PID). Ein Kursteilnehmer war der Wiener Genetiker Markus Hengstschläger. In einem Kommentar für science.ORF.at erläutert er die neuesten Entwicklungen sowie deren Bedeutung für die aktuelle Diskussion in Österreich - und schlägt für Österreich die PID mit Einzelfall-Regelung vor, als Alternative zur allgemeinen Freigabe.  
Das Prinzip der Präimplantationsidagnostik
Von Markus Hengstschläger, Abteilung für Pränatale Diagnostik und Therapie der Universitätsklinik für Frauenheilkunde

Im Zuge der Präimplantationsdiagnostik (PID) wird einem über künstliche Befruchtung erzeugten Embryo eine Zelle entnommen und auf bestimmte genetische Krankheiten untersucht. Ziel dieser Technologie ist es, der Frau nur jene Embryonen einzusetzen, die nicht Träger der untersuchten Krankheit sind.

Anwendung findet diese Methode bei Paaren mit einem hohen Risiko, ein genetisch krankes Kind zu bekommen. Der Haken dabei ist, dass die als krank identifizierten Embryonen "verworfen" werden.
Viele Embryonen von Natur aus nicht lebensfähig
In vielen Fällen, bei denen die Präimplantationsdiagnostik heute zur Anwendung kommt, werden allerdings hierbei solche Embryonen nicht eingesetzt, die auch von Natur aus nicht lebensfähig wären.
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In Östererreich nicht erlaubt
Diese genetische Diagnosemethode ist zum Beispiel in Frankreich, Dänemark, Spanien und Großbritannien gesetzlich erlaubt. Weiters wird sie auch in Ländern angewandt, in denen keine gesetzlichen Regelungen für ein Verbot vorliegen, wie zum Beispiel Italien, Niederlande, Portugal, Belgien, Kanada, Finnland, Schweden, Griechenland oder USA. Gesetzlich verboten ist die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland, Irland und Österreich.
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Experten: Keine zusätzlichen Tests notwendig
Ein immer wieder gebrachtes Argument gegen die Präimplantationsdiagnostik ist eine angenommene hohe Fehlerrate dieser Methode, die dazu führt, dass alle Fälle noch zusätzlich mittels einer genetischen Pränataldiagnostik überprüft werden müssen.

"Wenn man all die strengen Regeln, die immer am aktuellsten internationalen Stand gebracht werden, einhält, so ist eine zusätzliche Pränataldiagnostik zur Absicherung des Ergebnisses nicht notwendig" - so die allgemeine Meinung der am Kurs teilnehmenden Wissenschaftler, die diese Methode bereits seit Jahren anwenden.
Alternative zur "Schwangerschaft auf Probe"
Die Präimplantationsdiagnostik kann also immer mehr als realistische Alternative zur "Schwangerschaft auf Probe" angesehen werden.

Paare, die ein hohes Risiko für das Auftreten einer genetischen Erkrankung bei Nachkommen haben, entscheiden sich nicht selten für eine Schwangerschaft, eine Pränataldiagnostik durch Fruchtwasserpunktion und einen eventuellen Abbruch im Falle eines negativen Ergebnisses.

Eltern solchen psychischen und körperlichen Belastungen aussetzen zu müssen, halten viele Kollegen in Zeiten der Anwendbarkeit der Präimplantationsdiagnostik nicht mehr für gerechtfertigt.
Viele Chromosomenveränderungen bei Embryonen
Die neuesten präsentierten Untersuchungen weisen daraufhin, dass 50 bis 70 Prozent aller auf natürlichem Wege oder durch künstliche Befruchtung entstandenen Embryos eine Chromosomenveränderung haben.

Davon ist der überwiegenden Anteil nicht lebensfähig. Ob bemerkt oder unbemerkt entwickelt sich die Schwangerschaft nicht (weiter). Zusätzlich gibt es Paare, die aufgrund bestimmter genetischer Anlagen, ein noch höheres Risiko für nicht lebensfähige Embryonen haben.
PID zur Erfüllung des Kinderwunsches
Genetiker und Reproduktionsmediziner haben die Hoffnung, dass das Auswählen von Embryonen ohne Chromosomenschäden für solche Paare die Erfüllung des Kinderwunsches ermöglicht.

Wenn auch vielleicht die Fallzahlen noch nicht groß genug sind, so weisen erste bei diesem Kurs präsentierte klinische Studien darauf hin, dass es sich hierbei um eine äußerst realistische Chance handelt.

Ethische Bedenken, so die Meinung der meisten Wissenschaftler, sind hierbei von eingeschränkter Bedeutung, da die nicht eingesetzten Embryonen ohnedies mehrheitlich nicht lebensfähig sind.
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Was kann getestet werden?
Menschliche Eigenschaften, Intelligenz oder Verhalten werden von einem Zusammenspiel vieler Gene mit Umwelteinflüssen bestimmt. Sie sind keiner genetischen Testung, und schon gar nicht der Präimplantationsdiagnostik, zugänglich. Neben den Chromosomenschäden können heute ungefähr 40 Erkrankungen, die durch die Veränderung eines Gens ausgelöst werden, mittels Präimplantationsdiagnostik getestet werden.

Getestet wird immer nur dann (und nur auf die eine Krankheit), wenn aufgrund einer bestimmten Familiengeschichte der entsprechende Verdacht besteht. Da diese Erkrankungen selten auftreten, ist ein Testen ohne solch einer familiären Indikation sinnlos und aussichtslos.
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"Whole Genome Amplification" ...
Kann man aus dem Erbgut einer einzigen im Zuge der Präimplantationsdiagnostik isolierten Zelle mehr als eine Krankheit testen?

Das Zauberwort neuester Entwicklungen heißt "Whole Genome Amplification". Molekulare Technologien wurden entwickelt um das Erbgut (die DNA) dieser einen Zelle exponentiell zu vermehren.

Dies macht es schließlich möglich mehr als eine genetische Fragestellung anhand einer einzigen Zelle zu beantworten. Ohne Zweifel eine sehr beeindruckende Entwicklung und klinische Fälle bei denen das wichtig sein könnte sind vorstellbar.
... und die Ehtik
Dem Genetiker, der auch die Ethik im Blickfeld hat, ist nicht ganz wohl dabei. Könnte der eine oder andere auf die Idee kommen bei der Untersuchung auf die eigentliche Erkrankung auch noch etwas anderes mitzutesten, vielleicht sogar ohne Zusammenhang mit einer Erkrankung?
PID: Eine wichtige Chance bei Einzelfall-Regelung
Und so wurden durch die Teilnahme an diesem Kurs gleich zwei meiner Ansichten gestärkt: 1) Die Präimplantationsdiagnostik ist eine weit entwickelte und reproduzierbare Technologie, die Paaren mit bestimmten Voraussetzungen eine wichtige (einzige) Chance bietet.

2) Eine Regelung, die Einzelgenehmigungen durch eine Komission ermöglicht, ziehe ich persönlich einem allgemeinen Erlauben der Präimplantationsdiagnostik in Österreich vor. Wichtig ist aber natürlich nicht, was ich denke, sondern was alle ÖsterreicherInnen denken.
->   European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Präimplantationsdiagnostik statt Fehlgeburten
->   Möglichkeiten und Grenzen der Reproduktionsmedizin
->   Ulrich Körtner: Präimplantationsdiagnostik - Hilfe für Betroffene oder neue Eugenik?
 
 
 
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01.01.2010