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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
CO2: Bedrohung aus der Tundra  
  Ein Wiener Ökologe erforscht die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die sibirische Tundra. Gerade in der Arktis ist die Temperatur in den vergangenen 30 Jahren besonders deutlich angestiegen: um bis zu fünf Grad. Der Boden der Tundra erweist sich nun als enorme Kohlenstoffquelle.  
Andreas Richter vom Institut für Ökologie und Umweltschutz der Universität Wien kommt gerade von einer Forschungsreise in Sibirien zurück. Er war vier Wochen lang in Westsibirien, um die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den russischen Teil der Arktis zu studieren.
Temperaturanstieg: Erste Auswirkungen im Boden
Richter erforscht die Tundra. Er macht Erwärmungsexperimente, um zu sehen, wie der CO2-Austausch funktioniert.

Und er sammelt Daten an verschiedenen Punkten, um langfristige Temperaturänderungen zu beobachten. Die Temperaturerhöhung wirkt sich natürlich als erstes im Boden aus, sagt Richter.
Vom Speicher zur Quelle
Die Temperaturerhöhungen in der Arktis beeinflussen die weltweite CO2-Bilanz. Ursprünglich war das arktische Ökosystem ein starker CO2-Speicher. Die Pflanzen haben das Kohlendioxid aus der Luft aufgenommen und fixiert.

Durch die tiefen Temperaturen im Boden und die hohe Feuchtigkeit konnte das Material aber nicht mehr abgebaut werden. "Im arktischen System wurde das CO2 in den letzten 10.000 Jahren als Biomasse gespeichert", erklärt Andreas Richter.

Jetzt entwickeln sich die Systeme zu großen Kohlenstoffquellen, wie der Experte erläutert: "Die Ökosysteme geben enorme Mengen an CO2 ab, bis vor kurzem war allerdings unklar warum."
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Treibhausgas CO2 (Kohlendioxid)
CO2 ist ein farb- und geruchloses Gas, das etwa bei der Verbrennung fosiiler Energieträger wie Kohle oder Öl, aber auch bei der Atmung entsteht und als natürlicher Bestandteil der Luft vorkommt. Durch den Einfluss des Menschen ist sein Anteil allerdings in den vergangenen Jahren enorm angestiegen - mit negativen Folgen für das Klima (Treibhauseffekt).

Pflanzen können Kohlendioxid binden, doch sobald sie absterben, sei es durch Krankheit, Schädlinge, Waldbrände oder einfach auf natürlichem Wege, gelangt das Gas wieder in die Atmosphäre.
->   Mehr Informationen im umweltlexikon-online.de
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Kein Stickstoff - kein vermehrtes Pflanzenwachstum
Mit dem CO2 wird normalerweise auch Stickstoff freigesetzt. Dieser Stickstoff und andere Nährstoffe wiederum sollten zu mehr CO2-Fixierung beitragen. Dies jedoch geschieht nicht. Richter erforscht deshalb die Stoffkreisläufe in der Tundra.

Der Ökologe und sein Team haben schon eine erste weitreichende Entdeckung in der sibirischen Tundra gemacht: Die Forscher fanden heraus, dass die verschiedenen Bodenschichten sehr unterschiedlich auf die Erwärmung reagieren.
Viel CO2 aus den oberen Bodenschichten
"In den obersten Schichten wird kein Stickstoff freigesetzt - Stickstoff, der für das Pflanzenwachstum wichtig ist. Dagegen werden aber enorme Mengen an Kohlenstoff freigesetzt", meint Richter.

In den unteren Schichten hingegen ist es umgekehrt. Es kommt also zur Entkopplung von Stickstoff und Kohlenstoff, was in anderen Gebieten bisher noch nicht beobachtet wurde.

Das System ist eine starke Kohlenstoffquelle, weil sich die Erwärmung natürlich zuerst auf die oberen Bodenschichten auswirkt. Erst 40 oder 50 Jahre später kann wieder mehr CO2 fixiert werden.
20 Prozent des globalen Kohlenstoffs in der Tundra
Diese Biochemie könnte entscheidend auf den Klimakreislauf rückwirken. Denn bis zu 20 Prozent des gesamten globalen organischen Kohlenstoffs liegt in der Tundra.

Es gibt zwei Szenarien: Zum einen könnte nach einer kurzen Phase, in der mehr CO2 frei wird, das CO2 wieder fixiert werden. Bedrohlicher erscheint das zweite Szenario: Dass nach 200 oder 300 Jahren die hohe CO2-Konzentration zu einer noch größeren Temperaturerhöhung führen könnte.
Bisher zu wenig fundierte Daten
Es ist noch unklar, was passieren wird. Es gibt bisher noch keine Erwärmungsexperimente in Russland, ein großes Manko, findet Richter: "Denn hier sind die größten Tundrengebiete weltweit zu finden"

Zum anderen habe man wenig fundierte Daten über Sibirien, erklärt der Experte weiter, "die Forschung hat sich bisher vor allem auf die nordamerikanische und europäische Arktis konzentriert."

Gemeinsam mit Forschern aus Novosibirsk will Richter diese Forschungslücke nun schließen - und auch die Archive der Russen knacken. "Viele dieser Daten sind streng geheim und für Ausländer kaum zugänglich."

Ein Beitrag von Ulrike Schmitzer für die Sendung "Dimensionen" in Radio Österreich 1 am 4. Juli 2002 um 19.05 Uhr.
->   Österreich 1
->   Institut für Ökologie und Umweltschutz der Universität Wien
->   Wälder binden weniger CO2 als bisher vermutet (11.4.2002)
->   Aufforstung: Keine Lösung für Klimaschutz (9.7.2001)
 
 
 
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01.01.2010