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Wespen erkennen einander - am Gesicht  
  Menschen können es, Vögel können es - sogar Goldfische sind in der Lage dazu: Sie erkennen visuell Individuen ihrer Art. Insekten hat man diese Fähigkeit bislang abgesprochen. Eine Studie hat nun untersucht, ob Wespen einer bestimmten Art einander unterscheiden können - und dabei festgestellt, dass die schwarz-gelben Insekten bestimmte Artgenossen sehr wohl anhand von Farbunterschieden am Kopf erkennen.  
Die Verhaltensbiologin Elizabeth Tibbetts von der amerikanischen Cornell University hat sich die Wespenart Polistes fuscatus als Studienobjekt vorgenommen und ihre Ergebnisse in den britischen "Proceedings of the Royal Society" veröffentlicht.
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"Visual signals of individual identity"
Der Artikel "Visual signals of individual identity in the wasp Polistes fuscatus" erscheint in den "Proceedings: Biological Sciences" vom 22. Juli 2002, Bd. 269, Nr. 1499, Seiten 1423 bis 1428.
->   Abstract des Artikels
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Chemische Signale zur Unterscheidung
Insekten, die in einem sozialen Verbund leben, verwenden nach Ansicht von Biologen größtenteils chemische Signale für die Unterscheidung zwischen Mitgliedern ihres Nestes und fremden Insekten.

Bislang jedoch hat man ihnen die Intelligenz zum Erkennen einzelner Individuen abgesprochen, obwohl die Tiere zum Teil in äußerst komplexen sozialen Gefügen zusammen leben - wie beispielsweise so genannte soziale Wespen.
Gelbe Flecken zur Unterscheidung?
 
Bild: Elizabeth Tibbets

Doch die verschiedenartigen, deutlichen Zeichnungen der Polistes fuscatus - die Insekten weisen gelbe Flecken und Streifen auf Gesicht und Unterleib auf - ließen die Biologin Elizabeth Tibbets annehmen, dass diese einer genaueren Unterscheidung zwischen den einzelnen Wespen dienen könnten.

Zumal die Tiere in einer strikt hierarchisch gegliederten Ordnung leben, die regelt, wie Nahrung, Arbeit und Reproduktion innerhlab der Kolonie verteilt werden. Eine solche stabile Hierarchie - so Tibbets These - wäre einfacher, könnten die einzelnen Insekten einander als Individuen unterscheiden.
"Schönheitsoperation" mit dem Farbpinsel
Um ihre These zu überprüfen, sammelte die Biologin Wespen verschiedenster sozialer Stufen aus insgesamt 23 Nestern ein und wählte jeweils eine der Insekten für eine kleine "Schönheitsoperation" aus.

Die Gesichter der Insekten wurden mit einem Muster aus schwarzen und gelben Flecken bemalt, das ihr ursprüngliches Aussehen veränderte. Die anderen Wespen des jeweiligen Nestes wurden ebenfalls bemalt - jedoch auf eine Weise, die ihrem ursprünglichen Muster entsprach.
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Insekten und Wespen
Insekten sind so genannte Kerbtiere - ihr Name leitet sich vom Lateinischen her und heißt "Eingeschnittene", nach der meist scharfen Einkerbung zwischen Kopf, Brust und Hinterleib. Insekten haben im Laufe der Evolution fast alle Lebensräume auf der Erde erobert und stellen die artenreichste Gruppe von Lebewesen auf diesem Planeten. Schätzungen bewegen sich zwischen sieben und 30 Millionen verschiedenen Arten.

Wespen gehören zur Familie der Hautflügler, insgesamt kennt man etwa 3.000 verschiedene Arten. Es gibt sowohl einzeln lebende sowie staatenbildende, soziale Wespen. Die Nester entstehen allerdings jedes Jahr neu und werden von einem einzelnen befruchteten Weibchen, der Königin begründet. Nur die weiblichen Wespen tragen einen Wehrstachel.
->   Mehr Informationen zu Wespen
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Nestgenossen attackieren bemalte Wespen
Alle Insekten wurden schließlich zurück in ihr jeweiliges Nest gebracht. Dort konnte Biologin Tibbets beobachten, dass diejenigen Tiere mit veränderter Zeichnung deutlich häufiger attackiert wurden, als ihre fast unveränderten Artgenossen.

Dies geschah, obwohl die chemischen Marker sie nach wie vor als Bewohner des Nestes auswiesen. Die Attacken stoppten nach etwa zwei Stunden, was laut Tibbets darauf hinweist, dass sie zu diesem Zeitpunkt ihren Platz innerhalb der Hierarchie wiedererlangt hatten.
Insekten-Interaktion - eine komplexe Angelegenheit
Die relativ leichten "Prügel", die die Wespen - verglichen mit der üblichen Behandlung völlig fremder Wespen - zuvor bezogen hatten, deutet die Wissenschaftlerin so, dass die Tiere zwar als Nestgenossen erkannt wurden, jedoch nicht als bestimmte Individuen, die einen bestimmten Platz einnehmen.

Dieser Beiweis für das individuelle Wiedererkennen bei Polistes fuscatus deute darauf hin, dass Interaktionen zwischen Insekten noch sehr viel komplexer sein könnten, als man bisher geglaubt habe, so die Biologin.
->   Cornell University
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01.01.2010