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Pheromonrezeptoren bei Säugetieren entdeckt  
  Seit den 50er Jahren werden Pheromone - chemische Botenstoffe, die unter anderem das Fortpflanzungs- und Sozialverhalten steuern - und ihre Wirkungsweisen untersucht. Verschiedenste Versuche haben den "betörenden" Einfluss der Duftstoffe auch beim Menschen nachgewiesen- allerdings streitet die Wissenschaft nach wie vor darüber, was Pheromone genau sind. Neuen Aufschluss könnte nun eine Studie amerikanischer Wissenschaftler bringen. Sie haben erstmals Pheromonrezeptoren bei Säugetieren funktionell nachgewiesen.  
Die Wissenschaftler um Karina De Punta von der Rockefeller University in New York haben bei früheren Studien bereits einen Genabschnitt gefunden, den sie mit der Bildung von Pheromonrezeptoren bei Säugetieren in Zusammenhang brachten.
Anderes Sexualverhalten - gestörte Pheromonaufnahme
Nun konnte das Forscherteam nachweisen, dass manipulierte Mäuse, denen diese speziellen Gene fehlen, tatsächlich ein signifikant geringeres Aggressivitäts- und Sexualverhalten aufweisen - dass also in diesem Fall die Pheromonaufnahme gestört ist. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" präsentiert.
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"Deficient pheromone responses in mice"
Der Artikel "Deficient pheromone responses in mice lacking a cluster of vomeronasal receptor genes" ist erschienen in "Nature", Bd. 419, Seiten 70-73, vom 5. September 2002.
->   Originalartikel (kostenpflichtig)
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Pheromone zur Kommunikation
Was genau Pheromone sind, ist unter Biologen nach wie vor umstritten. Es sind chemische Substanzen, die der Kommunikation zwischen Organismen einer Art dienen und als Vorläufer der Hormone angesehen werden - soweit die bislang gültige Definition.

Diese Stoffe beeinflussen beispielsweise das Sexual- und Aggressionsverhalten - Versuche konnten zeigen, dass Männer unter dem Eindruck weiblicher Pheromone auf Bildern dargestellte Frauen deutlich attraktiver beurteilten, als Probanden, die ohne die Duftstoffe die gleichen Abbildungen sahen.
Wahrnehmung über die Nase?
Wie genau die Pheromone vom Menschen bzw. von Säugetieren wahrgenommen werden, zählt zu den bislang nicht geklärten Fragen. Die Nase als Geruchsorgan steht dabei ebenso zur Debatte wie das so genannte Vomeronasal-Organ.

Tatsächlich gilt letztgenanntes - ein spezialisierter Teilbereich der Nasenhöhle - als ein wahrscheinlicher Kandidat. So haben sich auch die Wissenschaftler der Rockefeller University auf das Vomeronasal-Organ der Mäuse konzentriert.
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Pheromone - unterteilt nach ihrer Wirkung
Eine Möglichkeit, Pheromone zu kategorisieren, ist die Unterscheidung nach ihrer Wirkung - je nachdem unterscheidet man verschiedene Arten - Sexualpheromone etwa beeinflussen das Sexualverhalten von Tieren bzw. locken den Partner an. Am besten untersucht sind die Insektenpheromone. Es wird vermutet, dass Pheromone als "sehr alte Substanzen" funktionelle Vorläufer von Hormonen sind. Chemisch handelt es sich meist um Alkohole, Säuren oder Kohlenwasserstoffe.
->   Mehr Informationen zu Pheromonen
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Rezeptoren im Vomeronasal-Organ
Bestimmte Pheromonrezeptoren befinden sich demnach im Vomeronasal-Organ der Mäuse. Wurde den Tieren dieser Teilbereich des Geruchssystems entfernt, so traten Abnormalitäten im Geschlechtsverhalten und im Aggressionsmuster auf.

Ein Zeichen, dass dieses spezielle Organ an der Pheromonaufnahme maßgeblich beteiligt ist. Die Forscher fanden nun heraus, dass die Manipulation der Gene, die für die Bildung der Pheromonrezeptoren kodieren sollen, ähnliche Auswirkungen hat.
->   Informationen zum Vomeronasal-Organ
Genmanipulation: Aggressivität und Sexualität verändert
Für die Studie wurden jeweils 16 Gene aus dem Erbgut der Versuchsmäuse entfernt. Die mutierten Mäuse entwickelten sich normal, waren fruchtbar und hinsichtlich ihres allgemeinen Verhaltens unauffällig.

Verglichen mit ihren Geschlechtsgenossen zeigten die manipulierten weiblichen und männlichen Mäuse jedoch deutliche Unterschiede im Aggressionspotential und ihrer sexuellen Aktivität.
Muttertiere weniger aggressiv - bei Männchen unverändert
Genmanipulierte Muttertiere verhielten sich gegen Eindringlinge in ihr Nest viel weniger aggressiv als normale säugende Mäuse. Es gab weniger Attacken und die Akzeptanzschwelle bis zum ersten Angriff war höher.

Bei männlichen mutierten Mäusen blieb dagegen das Aggressionsverhalten unverändert, während die völlige Entfernung des Vomeronasal-Organs das Aggressionsverhalten deutlich senkte.
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Männchen-Männchen-Sexualverhalten verringert
Untersucht wurde auch der Sexualkontakt zwischen Männchen: Denn bei sozial noch unerfahrenen Männchen lassen sich häufig sexuelle Kontakte mit anderen männlichen Artgenossen beobachten, bevor eine eindeutige Unterscheidung zwischen männlich und weiblich erlernt wird. Mutierte Mäusemännchen zeigten am Anfang ihrer Sozialkontakte mit Artgenossen viel weniger sexuelle Annäherungen an Gleichgeschlechtliche als normale Mäuse. Dies lässt vermuten, dass genmanipulierte Mäuse in ihrem sexuellen Antrieb geschwächt sind.
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Sexualtrieb geschwächt
Hinsichtlich des Sexualtriebes gegenüber Weibchen konnten die Forscher feststellen, dass die männlichen Versuchstiere weniger Geschlechtsverkehr hatten als Kontrolltiere. Je länger die Männchen ihren weiblichen Artgenossen ausgesetzt waren, umso mehr wurde dieses Verhalten verstärkt.
Nur bestimmte Pheromone nicht detektiert?
Bestimmte Pheromone rufen demach, wie die Wissenschaftler meinen, bei den Nervenzellen der genmanipulierten Mäuse mit intaktem Vomeronasal-Organ keine Antwort hervor, während andere sehr wohl zu einer Stimulation führten.

Das bei den genmanipulierten Mäusen erzeugte sensorische Defizit sei also nur spezifisch und sehr selektiv ausgerichtet, so die Forscher. Für dieses selektiv wirkende "chemosensorische Defizit" und seine Auswirkungen führten sie nun eine neue Bezeichnung ein: eine spezifische Aynosomia, analog zu spezifischen Anosomias, dem Verlust des Geruchssinns.
Wie funktioniert es beim Menschen?
Ob es auch beim Menschen ein funktionstüchtiges Vomeronasal-Organ gibt und welche Bedeutung Pheromone spielen, ist unter Biologen nach wie vor umstritten.

Das Forscherteam konnte bisher im menschlichen Genom fünf Pheromonrezeptorgene ausmachen, während im Mausgenom 140 solcher Gene bekannt sind - wobei, wie nun gezeigt, eine Manipulation von 16 Genen genügt, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken.
->   Rockefeller University
 
 
 
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01.01.2010