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Prüfungsanerkennung: Nicht immer einwandfrei  
  In Österreich entscheiden so genannte Studienkommissionen, die an den Universitäten für alle Studienrichtungen eingerichtet sind, bzw. deren Vorsitzende über die Anerkennung von Prüfungen. Dass diese Anerkennungen nicht immer einwandfrei und reibungslos funktionieren, wird in einer im Rahmen des DOC-Programmes der ÖAW geförderten Studie aufgezeigt, die Bernhard F. Seyr in der Reihe "Young Science" vorstellt.  
Prüfungsanerkennung - wozu?
Von Bernhard F. Seyr

Die Anerkennung von Prüfungen ist dann nötig, wenn beispielsweise ein Student im Ausland studiert hat und an die Heimatuniversität zurückkehrt oder auch bloß sein Studium im Inland wechselt.

Gleichwertige Prüfungen, die bereits an einer anderen Hochschule oder in einer anderen Studienrichtung abgelegt wurden, brauchen also gemäß Universitäts-Studiengesetz (UniStG) nicht nochmals abgelegt zu werden.
Die Untersuchung
Die Untersuchung wendete sich an alle Studienkommissions-(kurz: StuKo-)Vorsitzenden der erziehungs- sowie sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen Österreichs. Gut drei Viertel haben sich an der Studie beteiligt und den Fragebogen zurückgesandt.

Die StuKo-Vorsitzenden hatten ihre Einschätzungen über die Bedeutsamkeit von Kriterien bei der Entscheidung über eine Prüfungsanerkennung kundzutun. Andererseits hatten sie auch Musterfälle zu beurteilen.
Ernüchternde Ergebnisse
 


Die Ergebnisse waren zu einem großen Teil ernüchternd: Nur knapp drei Viertel der Musterfälle wurden juristisch vertretbar entschieden, bei etwa einem Viertel mussten teils erhebliche juristische Mängel festgestellt werden (siehe Grafik).
Was den StuKo-Vorsitzenden (un)wichtig ist
Getrennt von den Musterfällen hatten die StuKo-Vorsitzenden im Zuge der Erhebung auch Einschätzungen über Kriterien, die ihnen allgemein bei der Prüfungsanerkennung (un)wichtig sind, abzugeben.

Die europäische Bildungspolitik bemüht sich darum, die Prüfungsanerkennung zu erleichtern und dadurch die Mobilität der Studierenden zu fördern. Im Widerspruch dazu hielten 39 Prozent der StuKo-Vorsitzenden die ECTS-Anrechnungspunkte bei ihrer Entscheidung über eine Prüfungsanerkennung für unwichtig.
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ECTS-Anrechnungspunkte
ECTS bedeutet European Credit Transfer System. Die für jede positive Studienleistung (Prüfung, Lehrveranstaltung etc.) vergebenen Anrechnungspunkte messen den Arbeitsaufwand für einen durchschnittlichen Studenten als Anteil am Gesamt-Arbeitsaufwand eines Studienjahres. Ein Studienjahr entspricht, von seinem Arbeitsaufwand her, für einen Vollzeit-Studenten 60 ECTS-Anrechnungspunkten. Durch ECTS soll eine bessere internationale (und auch nationale) Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen hergestellt werden.
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Entscheidende Kriterien
57 Prozent der Befragten meinten, dass es für ihre Entscheidung bedeutsam ist, innerhalb welcher Studienrichtung die anzuerkennende Prüfung abgelegt wurde. Diese fragwürdige Sichtweise der StuKo-Vorsitzenden ist angreifbar.

Vielmehr sollten Inhalt, Umfang und Prüfungsmodus ausschlaggebende Kriterien sein. Dies bestätigt auch die Judikatur. Bestimmte Studienrichtungen mehr oder weniger willkürlich zu bevorzugen oder zu benachteiligen, kann kaum im Sinne einer sachlichen Entscheidung sein.
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Nicht stichhaltig genug
Mehr als jeder dritte StuKo-Vorsitzende (35 Prozent) hält es im Zuge der "Gleichwertigkeitsfeststellung" für wichtig, an welcher Universität eine Prüfung abgelegt wurde. Auch solche fragwürdigen Begründungen ablehnender Bescheide von StuKo-Vorsitzenden würden im Falle einer Berufung höchstwahrscheinlich nicht stichhaltig genug sein.
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"Willkürlich und rechtswidrig"
Mehr als jeder vierte StuKo-Vorsitzende (26 Prozent) zieht für seine Entscheidung den Ruf des Prüfers, der die anzuerkennende Prüfung abgenommen hat, als Kriterium heran.

Dies ist eindeutig willkürlich und rechtswidrig. Oftmals können sich die Studenten ihren Prüfer nicht aussuchen. Außerdem ist die Einschätzung eines "Rufs" nicht objektiv möglich.
Resümee
Bedauerlicherweise sind viele StuKo-Vorsitzende über die rechtlichen Vorgaben zuwenig informiert, da sie Experten innerhalb ihrer Wissenschaft, jedoch keine Juristen sind. Deshalb sollten StuKo-Vorsitzende besser geschult werden und es sollte ihnen verstärkt juristische Unterstützung zur Seite gestellt werden.
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"Young Science" - Zum Autor
MMag. Dr. Bernhard F. Seyr (Jg. 1976) ist ehemaliger DOC-Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Vorsitzender der Salzburger Hochschülerschaft a. D. Er studierte mit Auszeichnung Erziehungs- und Wirtschaftswissenschaften in Salzburg und Linz. Seine Dissertation verfasste er über die europäische Hochschulpolitik und Prüfungsanerkennung in Österreich. Zur Zeit arbeitet er an seiner Habilitation zum Thema Wissensmanagement und ist als Universitätslektor in Salzburg tätig.
E-Mail des Autors: Bernhard.Seyr@sbg.ac.at

Die Dissertation, aus der die hier berichteten Ergebnisse stammen, wurde am Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Salzburg verfasst und von Univ.-Prof. Dr. Josef Thonhauser betreut.

Literaturhinweis:
SEYR, Bernhard F.: Governance im Hochschulwesen. Bildungspolitik des postsekundären Sektors in Europa -Prüfungsanerkennung an österreichischen Universitäten. Wien, Graz: Neuer Wissenschaftlicher Verlag (NWV), 2002. ISBN 3-7083-0061-0. Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Alfred Kyrer als Band 3 der Edition T.I.G.R.A. Das Buch kann direkt beim Autor unter Bernhard.Seyr@sbg.ac.at oder Fax 0662/621873 bestellt oder im Buchhandel bezogen werden.
->   Link zum Autor
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->   Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts
->   Österreichischer Akademischer Austauschdienst (ÖAD)
->   Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

 


Die Österreichische Akademie der Wissenschaften fördert im Rahmen von DOC [DOKTO-RANDENPROGRAMM DER ÖSTERREICHISCHEN AKADEMIE DER WISSEN-SCHAFTEN] junge österreichische DoktorandInnen für Forschungsvorhaben im In- und Ausland.
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01.01.2010