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Philosophicum Lech: Marken, Macht und Bilder  
  Wer sich mit dem Thema Macht und Freiheit im Medienzeitalter beschäftigt, kommt am Phänomen der "Marke" nicht vorbei. Marken - gleichgültig, ob sich dahinter Sportschuhe oder Hollywood-Stars verstecken - sind selbst zum Markenzeichen einer fortgeschrittenen Mediengesellschaft geworden. Dem Zusammenwirken von Werbung, Marken und Star-Diven in einer "Ökonomie der Aufmerksamkeit" gingen zwei Vorträge des Philosophicum Lech nach.  
Der Geschmack der Werbung
Die Suche nach einer knappen und präzisen Charakterisierung unserer Zeit brachte den Philosophen und Volkswirtschaftler Georg Franck auf den Geschmack der Werbung. Überall lasse sich "dieser penetrant durchdrängende Geschmack" einfangen - "kein Konzert, keine Veranstaltung etc. ohne Logo".

Den Kanälen der Macht im Medienzeitalter auf der Spur, verwies der Wissenschaftler auf Veränderungen im Bereich der Werbung und die damit einhergehenden Implikationen: Politik, Konsum und Kultur werden gleichermaßen von Werbung - inzwischen - nicht nur durchdrungen, sondern getragen, "der Staat als Finanzier wird verdrängt".
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6. Philosophicum Lech
Das Philosophicum Lech fand unter dem Titel "Die Kanäle der Macht, Herrschaft und Freiheit im Medienzeitalter" vom 12. bis 15. September 2002 in Lech am Arlberg statt.
->   6. Philosophicum Lech
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"Die Werbung hat aufgehört zu verkaufen"
Ermöglicht werde die Verdrängung des Staates durch die Veränderung der Werbung selbst. "Die Werbung hat aufgehört zu verkaufen", so die Diagnose des Volkswirtschaftlers. Konsumiert werden demnach Marken und nicht mehr Produkte.

Mit Hilfe von Massenmedien und der Kulturindustrie aufgebaut, hätten Marken jedoch "längst den Bereich des Konsums verlassen" und über die "Transformation der Städte in Werbeträger" Eingang in die "physische Umwelt und Erlebniswelt" gefunden.
Ökonomisierung der Aufmerksamkeit
Nicht zuletzt auf Grund ihrer Funktion - "nach Aufmerksamkeit zu greifen und sie in eine bestimmte Richtung zu lenken" sorgten Medien durch den Aufbau von Marken für eine Ökonomisierung der Aufmerksamkeit, die auch in der Politik eine zentrale Rolle spielt.
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Marken werden nach dem Muster prominenter Persönlichkeiten aufgebaut. Sie werden nicht nur überall, sondern in einem Maß bekannt gemacht, dass alle wissen, dass sie allen bekannt sind. Eine Marke sei dann durchgesetzt, wenn ihre Bekanntheit vorausgesetzt werden kann, und wenn der Sachverhalt Beachtung findet, dass sie allen bekannt ist.
->   Mehr zur urbanen Ökonomie der Aufmerksamkeit (pdf-Datei)
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Starruhm - eine Frage der Investition?
Als "Banken" dieser Ökonomie vergeben Medien "Kredite" in Form eines Aufmerksamkeits-Vorschusses an Politiker. Einem "Institut der Hochfinanz" gleich, garantieren sie Zinsen in Form von Prominenz und Prestige. "Der Medienstar wird aufgebaut" - eine Frage der Investitionsbereitschaft in Medienzeit und -fläche?
->   Georg Franck
Ein Star mit Mehrwert - "die Diva"
Die Konstruktion des Stars als Verkörperung der Macht von Medien, die "Star-Diva", aber auch die Gründe für unsere Bereitschaft, manchmal verschwenderisch mit unserer Aufmerksamkeit umzugehen, rückte Elisabeth Bronfen, Professorin für englische und amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte in Zürich, in den Mittelpunkt ihres Vortrags.

Am Beispiel der Macht der Bilder im Hollywood-Kino konstatierte sie "ergreifende Entmachtungen" der Starbilder, die einen "Mehrwert" innerhalb des konstruierten Bildes erzeugen, der wiederum die Frage unserer Begeisterung für bestimmte Bilder - eben das Bild der "Star-Diva" - ins Spiel bringt.
Tragische Biographien, einzigartige Wirkung
Demnach lässt sich an den Karriereverläufen von Elvis Presley, Maria Callas und Marilyn Monroe aufzeigen, dass gerade die "Verschmelzung von privater und öffentlicher Person", also ausgerechnet die tragischen Details der Biographien der angeführten Stars, von ihrer einzigartigen Wirkung nicht zu trennen sind.
"Unfall in der Maschinerie unserer Massenkultur"
Dieser Mehrwert, der über das konstruierte Starbild hinaus auf die vermeintliche Intimität des Stars, den Einblick auf diese Intimität, verweist, stellt für Bronfen einen "Unfall in der Maschinerie unserer Massenkultur" dar.

"Wir haben immer schon Figuren gebraucht, die wir aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihrer Leistungen und ihrer öffentlichen Wirksamkeit bewundern können, um somit die Wunden zu heilen und die Mängel zu glätten, die sich in jeder kulturellen Gemeinschaft ergeben", so Bronfen.
Heldentaten durch Einblick in die Intimität ersetzt
Allerdings würden wir seit Mitte des 19. Jahrhunderts dazu tendieren, anstelle von klassischen Helden, die sich ausschließlich durch denkwürdige und meisterhafte Taten auszeichnen, nun Stars treten lassen, die uns vor allem durch den vermeintlichen Einblick in ihre Intimität in Bann halten würden.

Bronfen führt die Ersetzung der einstigen Helden durch Stars auf eine "Kompensation für die Brüche und Spaltungen, die sich in unserem individuellen und kollektiven Selbstgefühl ergeben haben, jenem universellen Gefühl des Scheiterns, das unsere moderne Kultur kennzeichnet".
Image und Körper zugleich
Durch diese Selbstverdoppelung verkörpere die Star-Diva nun sowohl das kommerzialisierte Mediensystem (die Opernindustrie bzw. das Hollywood Studio System), das sie entworfen hat, aber auch die eigene individuelle, authentische Persönlichkeit, von der ihr Image zehrt.

Und dieser Widerspruch der Star-Diven, die berühmt und gewöhnlich zugleich sind, mache jene Starqualität aus, die es uns ermöglicht, Diven ob ihrer Einmaligkeit zu vergöttern und gleichzeitig zu lieben, da sie eine intensive Version unsere eigene Subjektivität darstellen.

Bisher zumindest. Denn "ab Ende des 20. Jahrhunderts scheinen uns die Diven verlassen zu haben", wie Bronfen einwendet: "In Zeiten der Spindoktoren ist kein Platz für Zerbrechlichkeit und jeder ein Star".

Agnieszka Dzierzbicka, science.ORF.at
->   Elisabeth Bronfen
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->   Reinhold Wagnleitner: America - The United Corporations of America
 
 
 
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01.01.2010