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Elektrosmog: Internationale Kommission fordert strengere Richtlinien  
  Die Gründung einer internationalen Kommission für elektromagnetische (EM)-Felder - landläufig "Elektrosmog" genannt - haben Wissenschaftler bei einer Tagung in Catania (Italien) beschlossen. Ziel des Gremiums sei es, für EM-Felder ein ähnlich hohes Schutzniveau zu erreichen, wie dies etwa für Luftschadstoffe selbstverständlich sei, teilten das Institut für Umwelthygiene und das Institut für Krebsforschung der Universität Wien mit.  
Mikrowellenherde, Mobiltelefone und Fernsehgeräte gehören zur Grundausstattung moderner Haushalte. Im Bild des öffentlichen Raumes sind Stromleitungen und Sendeanlagen von Rundfunk- und Telefongesellschaften allgegenwärtig. All diese technischen Errungenschaften sind unsere täglichen Begleiter, die den modernen Lebensalltag erleichtern.
Gefahr durch unsere alltäglichen Begleiter?
Diese Geräte und Anlagen werden allerdings auch für eine Art der Umwelt-"Verschmutzung" verantwortlich gemacht, die mit "Schmutz" im alltagssprachlichen Sinne wenig zu tun hat: Sie sind Quellen von elektromagnetischen Feldern, die in ihrer Gesamtheit auch oft als "Elektrosmog" bezeichnet werden.
Zwei Typen von Strahlungsquellen
Welche Auswirkungen hat nun dieser "Elektrosmog" auf die Gesundheit des Menschen? Um diese Frage zu beantworten, muss grundsätzlich zwischen zwei Typen von Strahlungsquellen unterschieden werden.

Zum einen gibt es so genannte niederfrequente Strahlungsquellen, wie z.B. Strom- und Hochspannungsleitungen. Zur zweiten Gruppe gehören jene Strahlungsquellen, deren Felder eine Frequenz von mehr als 100 Kilohertz aufweisen. Zu diesen sind etwa Handys und Sendeanlagen des Rundfunks oder der Telekommunikation zu rechnen.
Zwei verschiedene Wirkungstypen
Die beiden Typen von Strahlungsquellen unterschieden sich in ihren (schädlichen) Wirkungen auf den menschlichen Organismus. Niederfrequente Felder können Reizungen von Nerven und Muskeln hervorrufen, während hochfrequente Felder vor allem die Temperatur in menschlichen Geweben erhöhen.

"Die Wissenschaftler sind sich darüber einig, dass diese Wirkungen bestehen und dass Gegenmaßnahmen getroffen werden müssen, um diese zu verhindern", erklärt Michael Kundi vom Institut für Umwelthygiene der Universität Wien im Gespräch mit science.ORF.at.
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Grenzwerte und Richtlinien
Aus diesem Grund hat etwa die "International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection" (ICNIRP) wissenschaftlich basierte Richtlinien und Grenzwerte für elektromagnetische Emissionen erarbeitet. Nach diesen richtet sich die Judikatur der meisten europäischen Länder.

Im Frequenzbereich von z.B. 0,82-65 kHz (der knapp unter der Grenze zwischen hoch- und niederfrequenten Feldern liegt) beträgt der Richtwert für die elektrische Feldstärke 610 V/m, für die magnetische Feldstärke 24,4 A/m. Bei höheren Frequenzen (d.h. höherer Strahlungsenergie) liegen die Richtwerte entsprechend niedriger, bei geringen Frequenzen verhält es sich umgekehrt.
->   Publikationen des ICNIRP zu EM-Feldern
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Die rechtliche Situation in Österreich
In Österreich gibt es allerdings keine rechtlich fixierten Grenzwerte. "Die ÖNORMEN 'S 1119' und 'S 1120' legen zwar Grenzwerte fest, es handelt dabei aber um so genannte Vor-Normen, die keine rechtliche Bindung nach sich ziehen", stellt Michael Kundi fest:

"Es gibt zwar auch eine EU-Rats-Empfehlung zu diesen Werten, doch auch hier ist es fraglich, inwieweit diese auf nationaler Ebene rechtlich wirksam ist."
Sind die Grenzwerte ausreichend?
Doch nicht nur in rechtlicher Hinsicht gibt es offene Fragen. Auch aus wissenschaftlicher Sicht wird zur Zeit diskutiert, ob die von der ICNIRP festgelegten Grenzwerte tatsächlich ausreichen.

Grund für die Debatte ist eine immer größer werdende Opposition von Fachleuten, die daran zweifeln, dass die den ICNIRP-Werten zugrundeliegenden Untersuchungen wirklich alle schädlichen Effekte berücksichtigt haben.
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Hinweise auf Krebs
"Es gibt Hinweise darauf, dass nieder- und hochfrequente elektromagnetische Felder z.B. Krebs und Herzkreislauferkrankungen auslösen können. Diese Hinweise wurden in zellbiologischen und Tierversuchs-Studien als auch bei epidemologischen Untersuchungen erbracht", so Kundi.

Diese Diagnose deckt sich mit einem Urteil der WHO-Unterorganisation IARC ("The International Agency for Research on Cancer"), in dem z.B. niederfrequente EM-Felder als "mögliche menschliche Karzinogene" bezeichnet wurden.
->   IARC
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Ziel der Kommission: Prävention
Aus diesem Grund haben Wissenschaftler auf einer Fachtagung im italienischen Catania beschlossen, eine internationalen Kommission für elektromagnetische Felder zu gründen. Ziel dieser Organisation sei es, so Kundi, eine "präventive Strategie" für die Betroffenen einzuleiten.

Das heißt konkret: Nachdem in der momentanen rechtlichen Situation Gesundheitsschäden von den Betroffenen nachgewiesen werden müssen (im Juristendeutsch: die "Beweislast" liegt beim Verbraucher), wollen die Wissenschaftler einen größeren Sicherheitsspielraum bei der Grenzwertbestimmung erreichen.
Vorbild Luftschadstoffgesetz
Vorbild für dieses Ansinnen ist z.B. das österreichische Immissionsschutzgesetz für Luft. "Bei diesem Gesetz wurden die Grenzwerte so dimensioniert, dass bei einer Unterschreitung auch durch eine lebenslange Exposition nach den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keine schädigenden Wirkungen zu erwarten sind. Das wollen wir auch für elektromagnetische Felder erreichen", so Michael Kundi.
Reduktion um Faktor 500 - 1.000
Um welchen Faktor die ICNIRP-Grenzwerte zu reduzieren wären, kann noch nicht exakt beantwortet werden, da diese Zahlen erst durch die zukünftigen Risikoableitungen der neuen Kommission ermittelt werden sollen.

Aber bereits grobe Schätzungen zeigen, dass die jetzigen Regelungen sehr weit von einer medizinischen "Präventiv-Strategie" entfernt sind: "Wir gehen davon aus, dass die gegenwärtigen Richtwerte um einen Faktor 500 bis 1.000 nach unten gesetzt werden müssten", erklärt Michael Kundi.
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Weiterführende Informationen
Weitere Dokumente (Infoblätter, Messungsberichte, Kritik an den ICNIRP-Richtlinien etc.) finden sich z.B. auf der Website des Bundeslandes Salzburg.
->   Zu den Dokumenten
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Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Neue Hinweise zu Handy-Gefahren
->   Handystrahlung: Gefahr in überfüllten Zügen
->   Leukämiegefahr durch Elektrosmog
 
 
 
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01.01.2010