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Acrylamid in Lebensmitteln: Chemische Reaktion als Ursache  
  Im April dieses Jahres schlugen schwedische Forscher Alarm: Sie hatten in Lebensmitteln wie Pommes Frites und Chips das krebserregende Acrylamid nachgewiesen. Bislang jedoch war nicht klar, wie die gefährliche Substanz überhaupt in die Lebensmittel gelangen konnte - unter Verdacht standen auch Acrylamid enthaltende Kunststoffverpackungen. Unabhängig voneinander haben zwei Forschergruppen nun des Rätsels Lösung gefunden: Eine chemische Reaktion bei der Zubereitung der Speisen - die so genannte "Maillard Reaktion" - ist demnach verantwortlich.  
Die Bildung von Acrylamid in Lebensmitteln wie Pommes Frites, Kartoffelchips, Keksen und Brot ist den Ergebnissen zufolge auf eine Reaktion der Aminosäure Asparagin mit Glukose zurückzuführen, wie im neuen "Nature" berichtet wird.
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Zwei "Brief Communications" in "Nature"
Im "Nature", Bd. 419, Nr. 6906, vom 3. Oktober 2002 erscheinen in den "Brief Communications" zwei Artikel zum Thema Acrylamid in Lebensmitteln: "Acrylamide is formed in the Maillard reaction" von Donald S. Mottram und Kollegen auf den Seiten 448-449, "Acrylamide from Maillard reaction products" von Richard H. Stadler und Kollegen auf den Seiten 449-450.
->   "Nature"
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Schwedische Forscher wiesen Acrylamid nach
Die Forscher der schwedischen Behörde für Lebensmittelsicherheit hatten mit einer neuen Analyse-Methode mehr als 100 Produkte genauer unter die Lupe genommen - darunter Grundnahrungsmittel wie Brot und Pasta ebenso, wie Fisch und Fleischgerichte, Kekse Frühstücksflocken und Kartoffelprodukte.

Alle untersuchten Lebensmittel, die Acrylamid enthielten, waren stärkehaltig und gebraten, gebacken oder frittiert worden. So enthielten etwa Kartoffelchips und Pommes Frites vergleichsweise hohe Konzentrationen - in gekochten Speisen jedoch konnte Acrylamid nicht nachgewiesen werden.
->   Mehr dazu in science.ORF.at (Artikel vom 29.4.02)
Ähnliche Ergebnisse auch in Deutschland
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen danach Wissenschaftler in der Schweiz, Großbritannien und Deutschland - bei Analysen von Lebensmitteln fanden sie ebenfalls die als krebserregend und erbgutschädigend eingestufte Substanz.
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Krebserregend & Erbgut und Nervensystem schädigend
Im Tierversuch fördert das Monomer - allerdings bei stark erhöhten Dosen - die Bildung von Krebs. Der farblose, kristalline Stoff gilt zudem als erbgutschädigend und soll zu genetischen Veränderungen führen. Auch eine Schädigung des Nervensystems soll durch Acrylamid hervorgerufen werden können. Nach einer EU-Risikobewertung gehört Acrylamid zu den Substanzen, deren im Tierversuch festgestellte krebserregende Eigenschaften auf den Menschen übertragbar sind.
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Auch Verpackungen enthalten das Monomer
Bislang war allerdings nicht geklärt, wie die Substanz in die Lebensmittel gelangen konnte - denn Acrylamid ist als Monomer auch ein "Baustein" für Kunststoffe und wird kann daher unter anderem auch in Lebensmittelverpackungen enthalten sein.
Gebraten, gebacken oder frittiert ...
Die Tatsache, dass sich der Stoff nur in gebratenen und frittierten Speisen nachweisen ließ, deutete aber bereits darauf hin, dass der Herstellungsprozess dabei eine Rolle spielt. Eine These, die nun unabhängig voneinander verschiede Forschergruppen untersucht haben.

Sowohl Richard Stadler vom Nestlé Forschungscenter in Lausanne, als auch Forscher um Donald Mottram von der britischen University of Reading sehen demnach die Ursache in der so genannten "Maillard Reaktion", wie sie in "Nature" berichten.

Diese chemische Reaktion findet bei relativ hohen Temperaturen statt - eine Reaktion zwischen der Aminosäure Asparagin und dem natürlichen Zucker Glukose kann laut den Forschern zur Bildung von Acrylamid in Lebensmitteln führen.
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Die Maillard-Reaktion: Erwünscht und unerwünscht
Die Maillard-Reaktion - benannt nach dem französischen Chemiker L. C. Maillard - ist eine nicht enzymatische, meist unerwünschte Reaktion in Lebensmitteln zwischen Aminsosäuren und bestimmten Zuckern. Produkte der Maillard-Reaktion sind aber auch verantwortlich für einen Großteil der Aromen und Färbungen, die bei Lebensmitteln durch das Backen oder Braten auftreten, und daher erwünscht.
->   Mehr Informationen zur Maillard-Reaktion
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Mehrere Experimente zeigen: Asparagin ausschlaggebend
Donald Mottram und Kollegen führten zur Untersuchung der Acrylamid-Bildung eine Reihe von Maillard-Reaktionen durch. Asparagin wurde dabei ebenso getestet, wie einige andere Aminosäuren.

Signifikante Mengen an Acrylamid fanden die Wissenschaftler demach in den Lebensmitteln, wenn eine äquimolare Mischung von Asparagin und Glukose bei einer Temperatur von 185 Grad Celsius reagierte.

Sehr hohe Temperaturen sind allerdings gar nicht nötig, wie die Wissenschaftler in "Nature" schreiben. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass Temperaturen über 100 Grad Celsius genügen.
Andere Aminosäuren: Kein oder wenig Acrylamid
Bei den gleichen Experimenten mit anderen Aminosäuren konnten die Forscher keine, oder nur äußerst geringe Spuren an Acrylamid nachweisen. Asparagin finde sich in besonders hoher Konzentration in stärkehaltigen Nahrungsmitteln - vor allem Kartoffeln sowie einigen Getreidesorten seien betroffen.

Das deutsche Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) hat bereits im August geraten, den Verzehr von Pommes frites, Kartoffelchips und ähnlichen Produkten einzuschränken. Damit lasse sich die Aufnahme von Acrylamid drastisch reduzieren.
Experten: Gesundheitsrisiko gering
Experten schätzen das Gesundheitsrisiko allerdings insgesamt als relativ niedrig ein: Nervenschädigungen sind demnach im Tierversuch erst bei extrem hohen Konzentrationen beobachtet worden, die weit höher liegen, als die durchschnittlich über die Nahrung aufgenommene Menge an Acrylamid.

Weiteren Berechnungen zufolge steigt die Zahl der Krebsfälle unter einer Million Einwohner theoretisch um 50 bis 100 bei einer lebenslangen täglichen Aufnahme. Im Vergleich dazu führe Übergewicht zu 60.000 bis 80.000 vorzeitigen Todesfällen, erklärte Josef Schlatter vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit auf einer Veranstaltung des BgVV im August.

"Das Hauptrisiko beim Essen ist das Übergewicht", betonte Schlatter. Der Einfluss von Acrylamid bewege sich dagegen an der Nachweisgrenze.
->   Swedish National Food Administration
->   Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV)
->   Materialen und Links des BgVV zum Thema Acrylamid
->   Schweizer Bundesamt für Gesundheit
 
 
 
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01.01.2010