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Beruf oder Familie: Management im individuellen Konflikt  
  Ist es möglich ein erfolgreiches Leben mit einem befriedigendem Privatleben zu verbinden, oder gehen Führungspositionen zwangsläufig auf Kosten des Familienglücks? Welche Wahrnehmungsmuster sich dazu beim Topmanagement finden, ist die zentrale Fragestellung eines umfangreichen Forschungsprojektes, das vom Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung (FWF) unterstützt wurde. Helmut Kasper und Angelika Schmidt haben dazu für science.ORF.at einen Gastbeitrag verfasst.  
Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Beruf und Privatleben
Von Helmut Kasper und Angela Schmidt, WU Wien

Anknüpfungspunkt sind die veränderten Rollenbilder, mit denen auch Manager und Managerin konfrontiert sind: In den 50er Jahren wurde im legendären Klassiker "The Organization Man" (Whyte, 1956) die "Two-Person-Career" als Idealbild des Managers beschrieben: die Konstellation des männlichen Familienerhalters und der Ehefrau zuhause. In den letzten fünfzig Jahren haben sich aber die Partnerschaftsvorstellungen bei Frauen und Männer verändert.
Neue Rollenverständnisse
Die Unterstützungsleistungen von Partnerinnen können aufgrund neu ausdifferenzierter Rollenverständnisse nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden: Die traditionelle Familie -die starke Frau hinter dem erfolgreichen Manager - ist heute nur eine Form von vielen.

Gerade im Bereich von hochqualifizierten Berufen sind immer mehr Lebensformen wie Dual Couple Career, Commuter-Beziehungen, Living Apart Together-Beziehungen oder auch das Singledasein zu finden.
Berufs- und Privatleben: Die Grenzen verschwinden
Eine anderer wesentlicher Anknüpfungspunkt ist die Feststellung, dass die Grenzen zwischen Beruf und Privat immer mehr ausfransen. Verschiedene technische Hilfsmittel wie Handys und Laptops verstärken den Trend und erschweren es, Grenzen zu ziehen. Umso spannender stellt sich die Frage, wie Führungskräfte mit dieser Schnittstelle umgehen.
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Drei Umgangsmuster
In unserer Studie haben wir drei Umgangsmuster gefunden:
- die "Karrieristen"
- die "Pseudoharmonischen"
- die "Zerrissenen"
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Die "Karrieristen"
Die Karrieristen kommen dem herkömmlichen Bild von Manager und ManagerInnen am nächsten. Sie sind eindeutig berufsorientiert. Die zwei Lebenswelten - privat und Beruf - sind strikt getrennt und werden als Balance erlebt. Partnerschaft gilt zwar als wichtig, aber Versuche beides zu verbinden stossen auf Skepsis.
Die "Pseudoharmonischen"
Die Pseudoharmonischen stellen den Beruf absolut ins Zentrum ihrer vitalen Interessen, die eigene Karriere erleben sie als soziales Faszinosum. Diese Gruppe, in der sich sehr viele junge Befragte finden, charakterisiert sich durch folgende Punkte:

Der Beruf ist wichtig, aber weniger in sachlicher Hinsicht, sondern vielmehr steht die Beziehungsebene dabei im Vordergrund. Sie genießen ihr Leben im Unternehmen. In der Partnerschaft bzw. Privat dominieren sachlich-thematische Aspekte; es dreht sich auch dort thematisch sehr viel um den Beruf!
Die "Zerrissenen"
Die Zerrissenen leiden unter Doppelbelastung und unter dem Druck der Aufgaben. Bezeichnend für diese Gruppe ist, dass beiden Bereichen ein hoher Stellenwert zugemessen wird, trotzdem und interessanterweise die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen jedoch recht klein ist und Sachthemen auch in der Freizeitgestaltung oft dominieren: z.B. Versorgung, Haushalt und Organisation der Freizeit.
Drei Handlungsmuster
 


Die drei Muster zeigen, dass Managerinnen und Manager nicht nur der klassischen klischeehaften Zuschreibung der karrieregeilen Workaholics entsprechen, sondern im Umgang mit den Bereichen Beruf und Privat doch viel differenzierter herangehen.
Buchpublikation

Die zum Teil verblüffendsten Erkenntnisse unseres Projektes mündeten u.a. in eine Buchpublikation, die sich im Unterschied zu einschlägigen Belletristik nicht auf der Ebene der Ratgeberliteratur bewegt. In fünfzehn Kapiteln wird ein Bogen gespannt von wissenschaftlichem Basiswissen bis hin zur Darstellung von Betroffenen, die aus Interviews und durch Soziodramen gewonnen wurden.

Die vielen Facetten des komplexen Themenfelds erfahren eine Auflockerung durch die Darstellung von exemplarischen Lebensgeschichten. Abschließend greift das Buch nochmals verschiedenen Nuancen des Spannungsfeldes heraus und vertieft Phänomene wie etwa die Gefahr, sich zwischen Beruf und Partnerschaft aufzureiben.
"Power-Paare"
Näher thematisiert werden Power-Paare, aber auch der Stellenwert von Kindern - provokant unter dem Titel "Der störende Dritte". Ein verblüffendes Ergebnis wird ebenfalls näher beschrieben: Der Beruf des Managens gibt emotionale Befriedigung und für einen Teil der ManagerInnen lässt sich ohne Übertreibung feststellen, dass sie ihr Handeln und Erleben in Organisationen gerade erotisieren.
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WU-Jahrestagung
ManagerInnen im individuellen Konflikt Beruf und/oder Familie?, ist auch ein Themenschwerpunkt bei der WU-Jahrestagung von 5. bis 7. November 2002.
->   Informationen und Anmeldung zur Jahrestagung der WU
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01.01.2010