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Windenergie: Tauernwind als Forschungsprojekt  
  In Zeiten von Treibhauseffekt und Klimaerwärmung suchen Experten verstärkt nach Möglichkeiten, die Nutzung so genannter erneuerbarer Energien auszubauen. Im Blickpunkt der Forscher sind nun auch Extremlagen wie etwa alpine Regionen: In Österreich entsteht derzeit das höchstgelegene Windkraftwerk der Welt - auf knapp 2.000 Metern Höhe werden in Oberzeiring in den Niederen Tauern bald elf 60 Meter hohe Windanlagen ans Netz gehen. Die ambitionierte Anlage gilt als internationales Pilotprojekt.  
Bis 2007 sollen in Österreich vier Prozent des Stroms mit erneuerbarer Energie erzeugt werden. Derzeit liegt die Produktionsrate allerdings noch unter einem Prozent. Im Energiemix von Wasserkraft, Sonnenenergie und Biomasse spielt vor allem die Windenergie eine wichtige Rolle.
150 weitere Windenergieparks geplant
Derzeit gibt es in Österreich 170 Windkraftwerke. Mit diesen Anlagen werden jährlich 300 Millionen Kilowattstunden bzw. 300 Gigawattstunden Strom erzeugt. Das entspricht in etwa dem Bedarf von 85.000 Durchschnittshaushalten.

Innerhalb der nächsten Jahre sollen rund 150 weitere Windenergieparks in Österreich entstehen. Das heißt, die Stromerzeugung aus Windenergie wird dann in etwa der Leistung eines Donaukraftwerkes entsprechen. Windexperten sind nun auf der Suche nach geeigneten Standorten.
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Wie viel Strom wird der Tauernwind erzeugen?
Mit Hilfe von Windkraftanlagen kann die in den strömenden Luftmassen vorhandene kinetische Energie in elektrische Energie umgewandelt werden. Der Rotor ist das Systemelement, das mit Hilfe eines oder mehrerer Rotorblätter die im Wind enthaltene Energie in eine mechanische Drehbewegung umwandelt.

Der Durchmesser der in Oberzeiring verwendeten Rotoren beträgt 66 Meter - jedes Windrad hat eine Nennleistung von 1,75 Megawatt. Insgesamt soll die Windanlage damit 36 bis 44 Millionen Kilowattstunden Storm pro Jahr liefen. Damit könnten rund 15.000 steirische Haushalte - das sind 0,8 Prozent des steirischen Elektrizitätsbedarfs, der sich auf acht Milliarden Kilowattstunden jährlich beläuft - mit Strom versorgt werden. Österreich insgesamt verbraucht etwa 50 Milliarden Kilowattstunden Strom jährlich.
->   Tauernwindpark Oberzeiring
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Lebhafter Bergwind ist nutzbar
Die guten Erfolge im Binnenland sowie im Off-shore-Betrieb, der ebenfalls als Extremlage gilt, haben Österreichs Windbauern nun ermutigt in schwindelnde Höhen zu klettern. Jahrelange Windmessungen haben ergeben, dass sich das österreichische Windklima auf den Bergen hervorragend zur Windnutzung eignet.
Problem: Anpassung an Extremlagen
Nicht ganz leicht ist allerdings die Anpassung der Windanlagen an die extremen klimatischen Bedingungen in alpinen Regionen. In erster Linie betrifft das die hochempfindlichen Rotorblätter - ab minus zwei Grad droht hier Vereisungsgefahr.

Legen sich die Kristalle einmal an, so werden Gewicht und Oberfläche der Blätter größer. Das zerstört auf Dauer Generatoren und Getriebeteile. Die Generatoren müssten also rechtzeitig abgeschaltet werden. Um diesen Zeitpunkt aber rechtzeitig zu erfassen, werden Eis-Detektoren und spezielle Messgeräte eingesetzt.
Beschichtung der Rotoren gegen Eis und Insekten
Findige Experten aus der Flugzeugindustrie haben zudem eine innovative Idee beigesteuert: Um die Vereisung bereits im Vorhinein zu verhindern, werden die aus kunstharzverstärkten Glasfasern bestehenden Windradrotoren mit einer Art Teflonbeschichtung versehen. Die Oberfläche ist so glatt, dass sowohl Wassertropfen als auch Insekten einfach abperlen.
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Vollautomatik bei ständiger Online-Überwachung
Das Werk arbeitet vollautomatisch, wird aber ständig durch den lokalen Windparkwart und die Herstellerfirma online überwacht. Permanent anfallende Wartungsarbeiten vor Ort oder Abschaltungen würden die Wirtschaftlichkeit der Anlage in Frage stellen. Ganz abgesehen davon, dass der schneereiche Winter in den Niederen Tauern mit Tiefstwerten von minus 20 Grad die Erreichbarkeit über Monate unmöglich macht.
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Andere Versuche mit Rotoren-Beheizung
Eine andere Möglichkeit wäre die Beheizung der Rotoren. "In Nordeuropa gibt es einige Versuche mit Rotorheizungen, um die Blätter eisfrei zu halten. Diese Technik scheint aber noch nicht ausgereift zu sein. Wir haben uns für Oberzeiring daher für die Beschichtung entschieden. Man wird in der Zukunft sehen, welche Methode effizienter arbeitet", sagt Hans Winkelmeier von der Energiewerksatt.
Ausgereifte Technik - Suche nach neuen Standorten
Winkelmeier ist Koordinator des Forschungsprojekts Windpark Oberzeiring. "Im Prinzip ist die Technologie der Windräder ausgereift. Man ist in der Lage, fast die Hälfte der Energie aus der strömenden Luft zu entnehmen. Damit hat man eine Maximalgrenze erreicht."

Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten gebe es allerdings in der Standort-Anpassung. "Der Trend geht zu exponierten Lagen sowohl in Küstenregionen also auch - wie man jetzt sieht - in Bergregionen", erklärt der Experte.
Akzeptanz in der Bevölkerung?
Ob die Windrad-Expansion in die Alpen auf ungeteilte Akzeptanz in der Bevölkerung stößt, wird sich zeigen. Denn nicht überall in Österreich sind die Anrainer glücklich mit "ihren" Windrädern. Die Betreiber des Tauernwindparks setzen daher auf eine "offene Informationspolitik" und ein Bürgerbeteiligungsverfahren.
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Bürgerbeteiligungsverfahren für mehr Akzeptanz
Johannes Trauttmansdorff, Geschäftsführender Betreiber des Tauernwindparks verweist auf die Wichtigkeit der offenen Informationspolitik gegenüber der Bevölkerung: "Wir haben uns viel Zeit genommen, um die Menschen hier in der Umgebung von diesem Projekt und seinen Möglichkeiten zu überzeugen. Ein eigenes Bürgerbeteiligungsverfahren bei dem sich Interessenten an der Produktion einkaufen können, verstärkt die Akzeptanz." Nächste Ausbaustufe ist ein Winderlebnispark, der über alle Möglichkeiten Strom aus erneuerbarer Energie zu gewinnen, informiert.
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Pilotprojekt für Windparks in kalten Klimazonen
Der Windenergiepark Oberzeiring gilt dank seiner Extremlage als internationales Pilotprojekt, mit dem Erfahrungen in Transport, Aufbau und Betrieb gesammelt werden sollen. Ein europäisches Team bestehend aus finnischen, deutschen und österreichischen Experten wird den weltweit einmaligen Windpark überwachen.

Ein Erfolg könnte das Startsignal für umweltfreundlichen Strom in kalten Klimazonen sein. Halten die Räder jedoch den extremen Bedingungen nicht Stand, können sie problemlos abgebaut werden. Und das - im Gegensatz zu anderen österreichischen Kraftwerksexperimenten - spurlos.

Martina Schmidt, Modern Times
->   "Modern Times"
->   IG Windkraft
->   www.energiewerkstatt.at
 
 
 
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01.01.2010