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Polymere: High-Tech-Moleküle des 21. Jahrhunderts  
  Mit Hilfe von Polymeren lassen sich winzig kleine Transporter konstruieren, die Medikamente treffsicher an den gewünschten Ort im Körper bringen. Aber auch zukünftige Mikrochips könnten aus Polymeren konstruiert sein, ganz nach dem Vorbild des körpereigenen Erbguts, der DNA.  
Was für uns ein alltägliches Material ist, nämlich Plastik bzw. Kunststoff, das ist für den Chemiker ein Polymer - ein Riese in der kleinen Welt der Moleküle. Plastik ist beileibe nicht die einzige Form von Polymeren.

Viel spannender finden die Forscher, dass sie Polymere quasi überall auf der Welt finden - in Gesteinsformationen ebenso wie im menschlichen Körper.
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Polymere
Polymere sind meist Ketten von Molekülen, in denen eine oder mehrere chemische Sequenzen ständig wiederholt werden. Dadurch sind die Moleküle auch sehr groß und werden als Makromoleküle bezeichnet.
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Insulin als Pille
Nicolai Plate von der Russischen Akademie der Wissenschaften hat aus Polymeren eine vielversprechende Medikamentenhülle entwickelt; sie transportiert Insulin - nach einer oralen Einnahme und nicht nach einer Injektion - unbeschadet durch Speiseröhre und Magen bis ins Blut.

Bei der russischen Gesundheitsbehörde steht die Entwicklung kurz vor der Zulassung. Mit derartigen Verfahren könnte vielfach auch die Medikamentendosis gesenkt werden, da Arzneien häufig sehr hoch dosiert sind, um die Transportverluste im Körper auszugleichen.
Enzym der Mandel als Impulsgeber
Die Großmoleküle in der Natur dienen vielen Chemikern aber auch als Vorbild für industrielle Prozesse. Der Grazer Chemiker Christoph Kratky arbeitet zum Beispiel an einem Enzym der Mandel.

Wenn die Frucht verletzt wird, regt dieses Enzym quasi zur Feindabwehr die Bildung der giftigen Blausäure an. Kann man dieses Enzym umbauen, lässt es sich als Impulsgeber für großtechnische Reaktionen einsetzen.
Die Steuerung chemischer Reaktionen
Bio-Katalyse nennt sich das Verfahren, mit Hilfe natürlicher Stoffe chemische Reaktionen auch im Reagenzglas oder im industriellen Maßstab zu steuern. Beim Enzym Lipase waren solche Veränderungen bereits erfolgreich.
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Lipasen
Lipasen sind Fettspalter - im Körper genauso wie in Waschmitteln; für den Einsatz in Waschmitteln hat man allerdings ihre "Betriebstemperatur" gedrückt, damit sie auch bei niedrigeren Temperaturen Fettspuren aus der Wäsche lösen.
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Enzyme bilden Ammoniak bei 36,6 Grad
Ähnliches könnte auch in Sachen Ammoniak passieren: Die Industrie braucht zu seiner Herstellung hohe Temperaturen und hohen Druck. Im Körper bilden Enzyme Ammoniak bei einer Temperatur von 36.6 Grad.

"Tausende Laboratorien weltweit arbeiten an so einer Synthese, und sie wird auch irgendwann gelingen, ich bin da sehr zuversichtlich, und es wird nicht mehr lange dauern", meint Nicolai Plate.
Polymere: Ausgangsprodukt für feuerfeste Kunststoffe
Wer Plastik unerlaubterweise daheim verbrennt, kennt den Effekt: das Teil schmort meist zusammen und gibt unangenehme Dämpfe ab.

Eli Pearce von der Politechnic University hat hingegen Kunststoffe entwickelt, die bis zu 500 Grad aushalten. Nun werden sie für Feuerwehruniformen verwendet oder im Passagierraum von Flugzeugen.
Flüssigkeitskristalle sorgen für Farbwiedergabe
Große Hoffnungen setzen die Chemiker auch in Polymere, die weder eine dreidimensionale Struktur haben wie Nylon, aber auch nicht amorph sind wie PVC.

Man bezeichnet sie als Flüssigkristalle - sie besitzen einerseits einen stabilen Kern, andere Teile im Molekül lassen sich aber ständig verändern. Nur so kann die Flüssigkristallanzeige von Computerbildschirmen mehrere Farben wiedergeben.
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Herstellung der Polymere ist sehr rohstoffintensiv
Die Polymerindustrie gilt als sehr rohstoffintensiv; die Kunststoffe werden zu 80 Prozent aus dem fossilen Rohstoff Öl erzeugt, das sind vier Prozent des Ölbedarfs. Polymere könnte man aber auch aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen: zum Beispiel aus Stärke oder Zellulose, etwa aus Mais oder Holz. Diese "grünen Polymere" haben momentan noch einen Nachteil: sie werden nur in Markt-Nischen eingesetzt, weil sie sehr teuer sind.
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Polymere könnten Computertechnologie revolutionieren
Für Nicolai Plate sind Polymere möglicherweise der Schlüssel für die Zukunft der Informationsverarbeitung. Denn das Großmolekül DNA - der Träger unseres Erbguts - ist ein enormer Datenspeicher, der mit nur wenigen chemischen Bausteinen auskommt.

"Moderne elektronische Chips werden noch aus Silizium, Germanium, Gallium oder Arsenid gemacht", berichtet Nicolai Plate. "Aber wenn man sie einmal aus DNA fertigt oder aus ähnlichen synthetischen Polymeren, die wie die DNA funktionieren, dann wird man kleine Supercomputer haben, und zwar einen biologisch-synthetischen Computer, wo man jede gewünschte Information auf minimalem Raum speichern kann. Das ist zugegebenermaßen noch ein bisschen Phantasie, aber Leute arbeiten bereits an solchen Projekten."

Ein Beitrag von Franz Zeller für die Sendung "Dimensionen" am 10. Oktober 2002 um 19.05 Uhr in Radio Österreich 1.
 
 
 
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01.01.2010