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"Wiedereröffnung" der Bibliothek von Alexandria  
  Nach zahlreichen Verzögerungen ist es nun soweit: Genau an der Stelle, wo einst die alte Bibliothek von Alexandria, das bedeutendste Wissenszentrum der Antike, gestanden sein soll, wurde am Mittwoch ein neues Bibliotheksgebäude eröffnet.  
Die neue "Bibliotheca Alexandrina" mit zur Zeit 240.000 Büchern beinhaltet neben den Lesesälen auch ein Planetarium, eine Bücherei für Blinde und mehrere Ausstellungsräume.
Altertümliches Vorbild
Bild: Snohetta
Die neue Institution soll an die Tradition der antiken Bibliothek von Alexandria anknüpfen, die als Vorläufermodell der modernen Nationalbibliotheken galt. Von Bedeutung war diese außerdem, weil in ihr die ersten Bibliothekskataloge und die Vorbilder der antiken Buchverzeichnung geschaffen wurden.

Der neue, Aufsehen erregende Bau mit dem silbrigen Schrägdach und der grauen Granit-Fassade ist die Arbeit des norwegischen Architekten-Büros Sonhetta.
->   Offizielle Site der Bibliothek von Alexandria
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Ein Österreicher in norwegischem Architektenteam
520 Architekten aus 52 Ländern machten 1992 den Wettbewerb um den Neubau der Bibliothek mit. Gewonnen hat ihn die Architektengruppe Snohetta aus Norwegen, unter ihnen der Steirer Christoph Kapeller. Zu überzeugen wusste der Entwurf von Snohetta mit einer zylindrischen Form von 160 Metern Durchmesser als zentrales Element der neuen Bibliothek.
Mehr über die Architektur der neuen Bibliothek
Die Architektengruppe Snohetta
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Mehrmalige Verzögerung
Bild: Snohetta
Wegen der explosiven politischen Lage in Nahost hatte die ägyptische Regierung die Bibliotheks-Eröffnung mehrfach verschoben. Kritiker des Projekts beklagen, dass bislang zu viel Geld für das Gebäude selbst ausgegeben wurde und zu wenig für Bücher. Nach Angaben der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kunst (UNESCO) sind in der Bibliothek, die eines Tages acht Millionen Bücher fassen soll, bislang erst 240.000 Bücher vorhanden.

An der Finanzierung der Bibliothek, die nach dem Willen Kairos ein "geistiges Fenster Ägyptens zur Welt" sein soll, hatten sich ausländische Regierungen und Organisationen mit 100 Millionen Dollar beteiligt.
->   UNESCO: Bibliotheca Alexandrina
Zentrum des Weltwissens bleibt Washington
Bild: Snohetta
"Mit der Kongressbücherei in Washington werden wir niemals mithalten können", räumt Bibliotheksdirektor Ismail Serageddin ein. Schließlich verfüge diese über ein operatives Budget von 435 Millionen Dollar, er selbst habe nur 20 bis 25 Millionen Dollar zur Verfügung.

Mittlerweile haben die Verantwortlichen des Wiederaufbaus daher eher bescheidene Ziele: "Die Bibliothek wird ein Ort sein, wo sich Studenten und junge Leute treffen, um miteinander zu arbeiten", sagt Jean-Marie Compte, Serageddins rechte Hand.
288 v. Chr. von Ptolemäus I. gegründet
Bild: Snohetta
Die antike Bibliothek wurde im Jahr 288 vor Christus von Ptolemäus I. gegründet und galt als Treffpunkt für die Weisen und großen Geister der Antike. Zum Höhepunkt nannte die Sammlung mehr als eine halbe Million Schriftrollen ihr eigen.

Dabei handelte es sich um ein Lager an Texten, Kommentaren, Kopien und Fälschungen: die Summe antiken Wissens, das von den alexandrinischen Gelehrten gewissenhaft zusammengetragen, übersetzt und mehr oder weniger katalogisiert worden war.
Die letzten Reste tilgten die Christen
Die Fragen, wann und warum die antike Bibliothek von Alexandria zerstört wurde, sind nicht restlos geklärt. Als Julius Cäsar im Jahr 48 vor Christus Alexandria belagerte und ein Teil der Werke in Flammen aufging, setzte der langsame Niedergang der Institution jedenfalls ein.

Nach und nach wurde sie in den folgenden Jahrzehnten immer weiter zerstört: Kaiser Diokletian ließ die Stadt 298 n. Chr. plündern, Theodosius befahl in einem Erlass 391 n. Chr., alle nicht-christlichen Tempel zu zerstören.

Und es war vermutlich der christliche Bischof Theophilus (385 bis 412 n.Chr.), der die letzten Überreste des einst so stolzen, nun als "heidnisch" geltenden Wissenszentrums dem Erdboden gleichmachen ließ.
Idee zum Wiederaufbau in den 1980er Jahren
Die Anknüpfung an das antike Vorbild setzte gegen Ende der 1980er Jahre ein, als ein internationales Komitee für den Wiederaufbau der Bibliothek ins Leben gerufen wurde.

Bis 1995 sollte diese an alter Stelle für 100 Millionen Dollar neu errichtet werden. In der Folgezeit jedoch kam es immer wieder zu Verzögerungen, verursacht durch die politischen Konflikte in der Region sowie den Widerstand von Archäologen, die unter dem Fundament Ruinen alter Königspaläste vermuteten.
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Prominenter Treuhänderrat
Im Mai 2001 hat Ägypten hat einen prominent besetzten Treuhänderrat für die Bibliothek von Alexandria berufen. Dem 24-köpfigen Gremium gehören unter anderem der italienische Schriftsteller Umberto Eco und die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi an. Weitere Mitglieder sind Jacques Attali, einst Berater des früheren französischen Präsidenten Francois Mitterrand, und der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun.
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Prominenz bei der Eröffnung
Zuletzt wurde aus aktuellem politischen Anlass der Eröffnungstermin Ende April 2002 verschoben.

An der Eröffnungsfeier am 16. Oktober nahmen Staatschefs und gekrönte Häupter aus aller Welt teil, unter anderem der ägyptische Staatschef Hosny Mubarak, Frankreichs Präsident Jacques Chirac sowie die Königinnen Sofia von Spanien und Rania von Jordanien.
->   Mehr über die antike Bibliothek von Alexandria
->   The House of Ptolemy
 
 
 
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01.01.2010