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Österreichs Schüler am längsten in der Klasse  
  Österreichs Schüler sitzen im Vergleich mit den anderen Industriestaaten nach wie vor am längsten in der Klasse - zumindest was die Zahl der Pflichtstunden angeht. Dies zeigt die OECD-Studie "Education at a Glance 2002". Ein Zusammenhang zwischen Pflichtunterrichtsstunden und Schülerleistung ist damit aber nicht unbedingt gegeben: Denn in Finnland etwa, einem der Spitzenreiter der PISA-Studie, haben die Schüler rund 350 Schulstunden weniger im Jahr.  
In der Untersuchung wurden allerdings nur die reinen Unterrichtszeiten, also die Pflichtstunden (auf jeweils 60 Minuten hochgerechnet) verglichen - die für Hausübungen, Nachhilfe- bzw. Förderstunden oder Lernen reservierte Zeit blieb unberücksichtigt.

Demnach rangieren die heimischen Zwölf- bis 14-Jährigen mit durchschnittlich 1.148 Stunden pro Jahr an der Spitze der Industriestaaten und werden nur noch von Simbabwe, Thailand, Mexiko (je 1.167), Indien (1.176), Malaysia (1.230), Indonesien (1.274) und den Philippinen (1.467) übertroffen.
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Wenig Stunden in Schweden, Türkei, Finnland ...
Auf verhältnismäßig wenige Unterrichtsstunden kommen die Schüler in Schweden (741), der Türkei (796), Finnland (808), Island (809), Norwegen (827), Portugal (842), Spanien (845), Tschechien (867), Südkorea (867), Japan (875), Dänemark (890) und Irland (891). Mit Österreich vergleichbare Werte erzielen der französische Teil Belgiens (1.075), die Niederlande (1.067), Griechenland (1.064), Frankreich (1.042) und Italien (1.020). Das OECD-Ländermittel liegt bei 936 Stunden.
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Lehrer: 658 Stunden pro Jahr
Anders sieht es bei den Lehrern der Sekundarstufe I (Hauptschule und AHS-Unterstufe) in Österreich aus: Sie stehen nur 658 Stunden pro Jahr und damit weit kürzer als der OECD-Durchschnitt (720 Stunden) in der Klasse. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind die Vorbereitung der Stunden sowie die Korrekturarbeiten.
Spitzenreiter Mexiko
Am längsten müssen die Lehrer des unteren Sekundarbereichs in Mexiko (1.182) und den USA (1.127) unterrichten. Ebenfalls lange in der Klasse stehen ihre Kollegen in Neuseeland (968), Schottland (893), den Niederlanden (867), der Schweiz (859) und Australien (811).

In der Nähe Österreichs liegen Tschechien (650), Dänemark (640), Frankreich (639), Norwegen (633), Griechenland und Island (629). Weniger Unterricht geben die Pädagogen in Finnland (570), Südkorea (565), Spanien (564), Japan (557) und Ungarn (555).
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Lehrergehälter im Vergleich
Bei den Gehältern der österreichischen Lehrer aller Schularten zeigt sich, dass diese am Beginn ihrer Laufbahn ziemlich genau im OECD-Schnitt liegen. Nach 15 Jahren verdient ein heimischer Pädagoge weniger als seine Kollegen in den anderen Industriestaaten, am Ende seiner Berufslaufbahn allerdings deutlich mehr. Und: Vom Einstiegs- bis zum Endgehalt kann er seine Bezüge mehr als verdoppeln - allerdings braucht er dafür mit durchschnittlich 34 Jahren auch länger als seine OECD-Kollegen mit im Schnitt 25 Jahren.

Quer durch alle Schularten und Altersstufen verdienen die Lehrer in der Schweiz, Deutschland, Japan, Südkorea, den Niederlanden und den USA am besten. Im OECD-Vergleich am schlechtesten steigen ihre Kollegen in Finnland, Schweden, Island und Neuseeland aus.
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Zusammenhang Leistung und Stundenzahl?
Die Studie zeigt auch, dass die erreichte Leistung nicht unbedingt mit der Anzahl der in der Klasse verbrachten Pflichtstunden übereinstimmt: Bei der PISA-Studie zur Leseleistung am Ende der Schulpflicht erreichte Finnland trotz der geringen Pflichtunterrichtszeit sowohl von Schülern als auch von Lehrern Rang eins.

Dieter Brosz, Bildungssprecher der Grünen, ortet hier allerdings in einer Aussendung vom Montag "ein zentrales Problem des österreichischen Schulsystems": Die Studie zeige vor allem den Mangel an individueller Förderung in Österreich.

Besonders in den skandinavischen Ländern, die in der PISA-Studie hervorragend abgeschnitten haben, werden laut Brosz für fast alle
Schüler individulle Fördermaßnahmen und Nachhilfe durch die Lehrer angeboten - im Durchschnitt der OECD-Länder erhalten demnach 68 Prozent der Schüler Nachhilfe durch Lehrer, in Österreich liege der Anteil nur bei 32 Prozent.
Gehrer gegen Stundenkürzungen
Gegen eine Kürzung der Stundenanzahl an den Schulen sprach sich Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) in einer Reaktion auf den OECD-Bericht aus. "Die Unterrichtsstunden sind viele", meinte Gehrer am Montagnachmittag gegenüber der APA, diese würden aber auch zum Wiederholen und für die Förderung der einzelnen Schüler verwendet.

Entscheidend sei die Qualität des Unterrichts - wichtig wäre dabei die Ernsthaftigkeit und die Nachhaltigkeit, die sich unter anderem auch am Wiederholen zeige.

In der vergangenen Legislaturperiode habe man die Anzahl der Unterrichtsstunden gekürzt, betonte Gehrer: "Und dann haben alle 'Bildungsabbau' gerufen." Mit dem neuen Lehrplan, der zwischen Kernbereich und Erweiterungsbereich unterscheidet, seien außerdem schon Schritte zu mehr individueller Förderung unternommen worden.
Neuverteilung des Lehrereinkommens
Auch die Unterrichtszeit der Lehrer soll nicht erhöht werden. Die Pädagogen kämen wie alle anderen Beschäftigten auf eine Jahresarbeitszeit von rund 1.800 Stunden, so Gehrer. Neben ihrer Unterrichtstätigkeit seien sie auch in der Qualitätssicherung, der Evaluierung und in Schulentwicklungsprogrammen tätig.

Neu verteilt werden soll hingegen das aktive Lebenseinkommen der Lehrer: Die Anfangsgehälter müssten angehoben werden, "auch über den OECD-Schnitt" , anschließend soll die Gehaltskurve flacher verlaufen.
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Die OECD-Studie: Bildung auf einen Blick
Die OECD untersucht jedes Jahr in ihrer Studie "Bildung auf einen Blick" die Effektivität und Qualität der Bildungssysteme in den OECD-Ländern - dabei umfassen die Themenfelder der Datensammlung weit mehr als nur die Zahl der in der Schule verbrachten Stunden von Schülern und Lehrern.

In insgesamt vier Kapiteln werden beispielsweise auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Bildungsstand und den Abschluss- bzw. Abbruchquoten aufgelistet. Die Qualität der Lernergebnisse - etwa hinsichtlich der politischen Bildung und Einstellung von 14-Jährigen - wird ebenso untersucht wie die in Bildung investierten Finanz- und Humanressourcen der einzelnen Länder.

Die vollständige Studie für das Jahr 2002 wird am Dienstag auf einer Pressekonferenz in London vorgestellt, präsentieren wird sie Studienautor und OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher, der auch Chefkoordinator der PISA-Studie war.
->   Informationen zur OECD-Studie "Education at a Glance 2002" (pdf)
->   OECD
->   Mehr zum Thema PISA-Studie in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010