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Experte: Ungefährliches Knockout-Gas "gibt es nicht"  
  Ein ungefährliches Knockout-Gas, das schnell wirke, aber keine gefährlichen Nebenwirkungen habe, "gibt es nicht". Dies sagte der österreichische Giftgasexperte Helmut Hönig anlässlich des Terrordramas in Moskau.  
Im Zusammenhang mit dem Gaseinsatz bei der Befreiung der von tschetschenischen Terroristen festgehaltenen Geiseln aus einem Moskauer Theater am Wochenende hatte es heftige Diskussionen gegeben.

Bei der Erstürmung waren 117 Geiseln getötet worden, darunter die 43-jährige Österreicherin Emilia Predova-Uzunov.
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"Irgendein modernes Narkosegas"
Helmut Hönig vom Institut für organische Chemie der Technischen Universität Graz hält es für eher unwahrscheinlich, dass es sich um von vornherein tödliches Giftgas gehandelt haben könnte, da die Sicherheitskräfte "wenigstens beim Herauskommen aus dem Gebäude" keine Gasmasken trugen.

Wahrscheinlich sei "irgendein modernes Narkosegas" eingesetzt worden, das schnell wirke, aber in sehr hoher Dosierung eben auch tödlich sein könne. Hönig hielt auch den Einsatz von Lachgas für möglich, was deutsche Experten zuerst für wahrscheinlich gehalten, später aber ausgeschlossen hatten.
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Kampfunfähig auch durch herkömmliche Reizgase
Herkömmliche Gase werden seit langem eingesetzt, um Menschen kampfunfähig zu machen. Sie haben aber nicht annähernd die Folgen wie der Gaseinsatz bei der Geiselbefreiung in Moskau. Eines der gebräuchlichsten Mittel im Kampf gegen Kriminelle, aber auch Demonstranten, ist Tränengas. Dabei wirken leicht flüchtige Halogenverbindungen mit Brom oder Chlor auf die Tränendrüsen ein, führen zu einer unkontrollierten Absonderung von Flüssigkeit und nehmen dem Betroffenen so die Sicht. Höhere Konzentrationen führen zu Erstickungsangst und Atemnot.

Zu den ältesten Tränengasen zählt das bereits im 19. Jahrhundert hergestellte Chloracetophenon (CN). Eine neuere Entwicklung ist Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril (CS). In Wasser gelöst, wurden Tränengase auch in Deutschland wiederholt eingesetzt, etwa um mit Wasserwerfern Demonstrationen von Kernkraftgegnern zu zerstreuen. Nach einem Einsatz sowjetischer Sondertruppen gegen Demonstranten 1989 in Tiflis (Georgien) wurde angesichts einer Massenvergiftung bezweifelt, dass nur Tränengas verwendet worden war.
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Andere Länder hätten gleich gehandelt
Der Experte glaubt, dass "unter den Umständen und unter dem Zeitdruck" auch andere Staaten, etwa die USA, nicht anders gehandelt hätten als die russischen Behörden. Der Unterschied bestehe vor allem darin, dass die Amerikaner vermutlich schon viel früher die Zusammensetzung des Gases bekannt gegeben hätten.
Gas wird früher oder später identifiziert
Hönig sah das weitgehende Schweigen der russischen Behörden zu diesem Thema im Zusammenhang mit deren "allgemeiner Informationspolitik", ähnlich wie bei der Tragödie des Atom-U-Bootes "Kursk" im August 2000. Der Experte zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass das Gas früher oder später identifiziert werde.
->   Institut für organische Chemie, TU Graz
 
 
 
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01.01.2010