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Österreicher studieren im OECD-Vergleich am längsten  
  An den österreichischen Universitäten studiert man im Vergleich der OECD-Länder am längsten. Ein Umstand, der sich gegenüber den Vorjahren sogar verstärkt hat - vor allem deshalb, weil die Studiendauer in Österreich konstant blieb, während sie in anderen Staaten gesunken ist.  
Dies ist eines der Ergebnisse, die der OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher anlässlich der Präsentation der Studie "Education at a Glance 2002" am Dienstag im Gespräch mit der APA hervorhob.
Studiendauer 2,2 Jahre über OECD-Durchschnitt
In Österreich studiert man laut OECD im Schnitt 6,4 Jahre, das OECD-Ländermittel beträgt 4,2 Jahre. Österreich am nächsten kommen noch Finnland mit sechs, Italien mit 5,5 und Griechenland mit 5,2 Jahren.

In allen anderen Staaten liegt die durchschnittliche Studiendauer unter fünf Jahren. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 1999, wurden also noch vor der Einführung der Studiengebühren erhoben.
Empfehlung: Stärker modularisiertes Studiensystem
Als Maßnahme empfiehlt Schleicher ein differenzierteres und stärker modularisiertes Studiensystem. Derzeit sei der Kontrast zwischen Studium einerseits und Beruf andererseits zu groß, ein Wechsel zwischen diesen beiden Polen kaum möglich.

Ideal wäre hingegen ein breiteres Angebot, um auch Berufstätigen nach dem Absolvieren einer kürzeren Erst-Ausbildung einen weiteren Abschluss im tertiären Bildungswesen zu ermöglichen.
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OECD-Studie
Die in Paris ansässige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat 30 Mitglieder, darunter die 15 EU-Staaten, mehrere osteuropäische EU-Anwärter, die skandinavischen Nicht-EU-Mitglieder, die Schweiz, die Türkei, die USA, Kanada, Mexiko, Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea. Am Dienstag hat sie die jährliche Studie "Education at a glance" präsentiert.
->   Education at a glance 2002
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Studiengebühren nicht für Studienverkürzung
Die mittlerweile eingeführten Studiengebühren an den Universitäten sieht Schleicher hingegen weniger als eine Maßnahme zur Verkürzung der Studiendauer.

Zwar könnten diese ein durchaus sinnvoller Beitrag zur Finanzierung des Universitätssystems und ein Anreiz sein, die Ausbildung schneller zu absolvieren: "Das geht aber nur, wenn es das Angebot gibt." Außerdem gebe es zahlreiche Staaten, die keine Studiengebühren einheben, in denen man aber trotzdem kürzer als in Österreich studiere.
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Gute Schulausstattung in Österreich
Lob gab es für die Ausstattung der Schulen - die Lernbedingungen der Schüler in Österreich sähen "sehr gut aus", betonte Schleicher. So liege Österreich sowohl bei der Ausrüstung als auch beim Umgang mit Computern an den Schulen auf einem internationalen Spitzenplatz. Einziger kleiner Wermutstropfen: Nicht alle Schulen seien gleich gut ausgestatten.

Nicht so dramatisch sieht Schleicher die vergleichsweise hohe verpflichtende Unterrichtsbelastung der Schüler: Zwar würden etwa die Schüler im Schul-Musterland Finnland geringere Zeit im Klassenverband verbringen, allerdings erhielten sie als Ausgleich dafür stärkere individuelle Förderung durch die Lehrer.
->   Österreichs Schüler am längsten in der Klasse
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Politische Reaktionen: ÖVP fühlt sich bestätigt, Opposition skeptisch
Für die ÖVP ist die OECD-Studie eine Bestätigung für die Bildungspolitik der Regierung, die Opposition ist hingegen skeptisch.

So habe es etwa für die Ausstattung der Schulen und die Lernbedingungen im von Elisabeth Gehrer (ÖVP) seit 1995 geführten Unterrichtsbereich Lob gegeben, die empfohlenen Maßnahmen zur Verkürzung der Studiendauer habe Gehrer im vor zweieinhalb Jahren übernommenen Wissenschaftsbereich bereits gesetzt, betonte ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon in einer Aussendung. SPÖ und Grüne wollen den "unterfinanzierten" Unis mehr Mittel zukommen lassen.
ÖVP: "74 Bakkalaureats-Studien eingeführt"
Die Daten zur vergleichsweise langen durchschnittlichen Studiendauer stammten aus dem Jahr 1999, so Amon. Mittlerweile seien aber 74 Bakkalaureats-Studien eingeführt worden, die den Studierenden eine kürzere tertiäre Erstausbildung ermöglichten.

Durch die flächendeckende Umsetzung der europäischen Studienarchitektur und den verstärkten Einsatz von e-learning-Angeboten strebe die ÖVP die Absenkung der durchschnittlichen Studiendauer an, um in Europa ins gute Mittelfeld zu kommen.
SPÖ: "Investitionsstillstand"
SPÖ-Wissenschaftssprecher Erwin Niederwieser sieht den Grund für die (allerdings bereits 1999 erhobenen, Anm.) langen Studienzeiten im "Investitionsstillstand der letzten zweieinhalb Jahre an den Universitäten". Zwar seien kürzere Studienzeiten an sich kein Selbstzweck, "wenn aber schlechte Studienbedingungen zu einem unnötigen Zeitverlust führen, ist das Besorgnis erregend", so Niederwieser in einer Aussendung.

Abhilfe schaffen sollen nach Ansicht des SPÖ-Politikers der verstärkte Ausbau kürzerer Studienformen wie Bakkalaureat und das Fachhochschulstudium. Außerdem müsse es an den Universitäten wieder Neuinvestitionen geben.
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Frauen studieren erfolgreicher
Beim Studieren sind Frauen in den Industriestaaten inzwischen in der Regel erfolgreicher als Männer: Der OECD-Studie "Bildung auf einen Blick" zufolge stellen Studentinnen mit 54 Prozent die Mehrheit der Uni-Absolventen. Zudem besteht rund um den Globus weiter eine klare Geschlechter-Trennung bei vielen Studiengängen: So bleiben die Uni-Bereiche Geisteswissenschaften, Kunst, Pädagogik, Gesundheit und Soziales typisch weiblich - mehr als zwei Drittel der Absolventen sind Frauen. Studien der Mathematik und der Naturwissenschaften schließen dagegen zu mehr als zwei Dritteln Männer ab. Unterdurchschnittlich vertreten sind Frauen weiterhin bei den Promotionen: Im Jahr 2000 waren nur 38 Prozent der in den OECD-Staaten mit Doktortiteln ausgezeichneten Hochschulabsolventen Frauen. Spitzenreiter ist Italien mit 53 Prozent.
->   OECD
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Grüne: "Personalmangel und Raumnot"
Der Grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald machte das fehlende Studienangebot für die überlange Studiendauer verantwortlich. "Wie die aktuellen Ereignisse an den österreichischen Universitäten zeigen, leiden die Unis in vielen Fachbereichen an Personalmangel und Raumnot. Das ist ein Ergebnis jahrelangen Sparens im universitären Bereich", betonte Grünewald in einer Aussendung.

Die Einführung von Studiengebühren trage hingegen nicht zur Verkürzung der Studiendauer bei, verringere die Chance auf eine notwendige Anhebung der Akademikerquote und beschränke den Zugang vieler Lernwilliger zur Universität.
ÖH für verstärktes Lehrangebot für Berufstätige
Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) forderte ein verstärktes Lehrangebot für Berufstätige. Die längere Studiendauer in Österreich würde durch Platz- und Raumnot, gravierenden Mangel an Lehrpersonal und selektive Anmeldesysteme verursacht, hieß es in einer Aussendung. Die Einführung von Studiengebühren (für die ÖH die "Besteuerung der Leistung Studierender") bewirke jedenfalls weder eine Verkürzung der Studiendauer noch eine Anhebung der Akademikerquote.

Bakkalaureatsstudien wiederum brächten zwar einen schnelleren Abschluss, hätten aber eher wenig mit wissenschaftlicher Bildung zu tun, so ÖH-Chefin Andrea Mautz: "Hier wird eine Notwendigkeit zu Verschulung und Auswahl der Studienrichtung nach wirtschaftlicher Verwertbarkeit propagiert."
->   ÖVP
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->   Die Grünen
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->   ÖH
 
 
 
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01.01.2010