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Studie zum Zweitspracherwerb: Je früher desto besser  
  Immer wieder diskutieren Experten über die bestmögliche Art des Zweitsprach-Erwerbs bei Kindern. Die ewige Streitfrage: Sollten bereits Babys und Kleinkinder intensiv mit zwei Sprachen konfrontiert werden, oder ist ein späteres Lernen vorzuziehen? Eine neue US-Studie scheint nun den Befürwortern des frühen Zweitspracherwerbs Recht zu geben: Demnach ließen sich dabei keinerlei Nachteile feststellen - im Gegenteil, laut Studie gilt sogar: je früher, desto besser.  
Die neuen Ergebnisse, vorgestellt auf einer Fachtagung, resultieren aus Untersuchungen der Wissenschaftlerin Laura-Ann Petitto vom Department of Psychological and Brain Science des Dartmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire.
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"Bilingual Babies' Maturational and Linguistic Milestones"
Der Vortrag "Bilingual Babies' Maturational and Linguistic Milestones as a Function of their Age of First Exposure to Two Languages" von Laura-Ann Petitto und Ioulia Kovelman, ebenfalls vom Dartmouth College, wurde am 4. November bei der jährlichen Tagung der amerikanischen Society for Neuroscience präsentiert.
->   Tagung der Society for Neuroscience 2002
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Verschiedene Untersuchungsgruppen
Die Wissenschaftler untersuchten Kinder, die in unterschiedlichem Alter bzw. Entwicklungsstadium zwei Sprachen ausgesetzt wurden, und teilten sie in vier Gruppen ein.

Gruppe 1 umfasste Babys, die von Geburt an mit zwei Sprachen konfrontiert waren, in Gruppe 2 zusammengefasst waren Kleinkinder, die erst ab zwei bis drei Jahren intensiv mit einer zweiten Sprache vertraut gemacht wurden.

Kinder mit Zweitspracherwerb ab einem Alter von vier bis sechs Jahren bildeten die Gruppe 3, Gruppe 4 schließlich umfasste Kinder, die erst mit sieben bis neuen Jahren intensiv eine zweite Sprache erlernten.
Von Russisch bis zur Zeichensprache
Die bei den Kindern gegebenen Sprachkombinationen umfassten Spanisch-Französisch, Französisch-Englisch, Russisch-Englisch sowie Zeichensprache-Französisch.
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Spracherwerb in drei typischen "Kontexten"
Beim Spracherwerb untersuchten die Wissenschaftler drei verschiedene "Kontexte", die als besonders typisch für das Lernen einer neuen Sprache bei Kindern gelten: Einige Kinder waren in ihrer Familie zwei Sprachen ausgesetzt, andere wieder kamen nach dem Umzug in eine neue Sprachumgebung in intensiven Kontakt mit einer zweiten Sprache, der dritte Kontext umfasste Kinder, die zuhause nur mit einer Sprache vertraut gemacht wurden und lediglich in der Schule eine zweite Sprache lernten.
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Keine unerwünschten Begleiterscheinungen
Wie Petitto berichtet, konnten keinerlei "unerwünschte Nebenwirkungen" festgestellt werden, wenn Kinder bereits sehr früh in ihrer Entwicklung zwei Sprachen erlernten. Demnach ließ sich weder feststellen, dass sie im Spracherwerb insgesamt zurückblieben, noch zeigten sich sprachliche Irritationen oder Verwechslungen.

"Wir haben herausgefunden, dass Kinder - wenn sie von einem sehr frühen Alter an zwei Sprachen ausgesetzt sind - im Wesentlichen aufwachsen, als ob zwei Einsprachige im gleichen Gehirn existierten", erklärt Petitto die Ergebnisse.
Je früher, desto besser
Einige Experten seien der Meinung, dass eine zweite Sprache erst dann eingeführt werden sollte, wenn ein Kind bereits sicheres Gespür für die Erstsprache entwickelt habe. Ihr Ergebnis sei jedoch, dass eine frühe Konfrontation mit zwei Sprachen besser sei, so die Wissenschaftlerin.

Nach Angaben von Petitto deuten ihre Ergebnisse zudem darauf hin, dass das späte Lernen einer zweiten Sprache - vor allem unter "begrenztem Input", also etwa in einer schulischen Umgebung - das vollständige Beherrschen dieser Sprache behindern könne.
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Schon bei Baby-Gebrabbel ist das Sprachzentrum aktiv
Wenn Babys sich im Brabbeln üben, sind das bereits die ersten Versuche auf dem sprachlichen Parkett, so das Ergebnis einer weiteren Studie, an der ebenfalls Laura-Ann Petitto beteiligt war. Demnach ist bei Baby-Gebrabbel bereits das Sprachzentrum im Gehirn aktiv. Es gehe also nicht, wie manche Experten bisher vermutet hatten, lediglich um das Training der Feinmotorik von Lippen und Zunge heißt es in der Studie, deren Ergebnisse im Fachjournal "Science" veröffentlicht wurden.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
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Vor allem die Umgebung ist wichtig
Die Forscher hatten die Verteilung wichtiger morphosyntaktischer Sprachkategorien bei den Kindern untersucht. Demnach erreichten Babys, die von Geburt an zwei Sprachen erlernten, alle "linguistischen Eckpfeiler" in jeder Sprache zur gleichen Zeit sowie parallel zu einsprachig aufwachsenden Kindern.

Für die Gruppen 2 bis 4 habe die Studie ergeben, dass nach etwa sechs Monaten intensiven Kontaktes mit der neuen Sprache in der Familie und/oder im sozialen Umfeld die Kinder eine gute sprachliche Beherrschung der zweiten Sprache zeigten, berichtet Petitto.

Kinder der Gruppe 4 jedoch, die mit einer Zweitsprache in schulischer Umgebung vertraut gemacht wurden, zeigten selbst nach zwei Jahren noch abweichende Muster.
Kein negativer Einfluss durch eine Zweitsprache
Bei keinem der Kinder habe sich nach bzw. durch den Beginn des Zweitspracherwerbs ein negativer Einfluss auf die Erstsprache nachweisen lassen, so Petittos Conclusio. Der Kontakt mit zwei Sprachen während eines frühen Entwicklungsstadiums habe die größte zweisprachige Beherrschung hervorgebracht, doch auch ein späterer intensiver Kontakt könne gute Ergebnisse bringen - sofern dieser möglichst "natürlich" sei.
->   Homepage Laura-Ann Petitto
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01.01.2010