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Der Casimir-Effekt: Die Kraft aus dem Nichts  
  Das Vakuum ist nicht so leer, wie man meinen sollte: Laut einer Vorhersage des niederländischen Physikers H.B.G. Casimir aus dem Jahr 1948 sollte im "leeren" Raum eine Kraft auftreten, die gewissermaßen aus dem Nichts entsteht. Dieser fast übersinnlich anmutende Effekt wurde bereits im Jahr 1958 nachgewiesen. Doch dem nicht genug: Zwei amerikanische Physiker wollen nun die geheimnisvollen Kraft nutzen, um zu beweisen, dass wir von mehr als nur drei Raum-Dimensionen umgeben sind.  
Ephraim Fischbach von der amerikanischen Purdue University und Dennis E. Krause vom Wabash College, Crawfordsville, zeigen in einer Veröffentlichung, dass man den so genannten Casimir-Effekt zum Nachweis bislang unentdeckter Eigenschaften der Natur verwenden kann.

Ihrem Konzept zufolge könnte die Welt im Mikrokosmos von mehr als nur drei Raumdimensionen und mehr als vier physikalischen Grundkräften beherrscht sein.
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Isotopic Dependence of the Casimir Force
Die Arbeit "Isotopic Dependence of the Casimir Force" von Dennis E. Krause and Ephraim Fischbach erschien am 4. November in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters" (Band 89, doi:10.1103/PhysRevLett.89.190406).
->   Zum Abstract der Originalarbeit
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Mythologische Geschichten ...
Wie der französische Ethnologe und Kulturtheoretiker Claude Levi-Strauss einmal bemerkt hat, haben sich die Erzählungen, mit denen die moderne Wissenschaft aufwartet, sehr weit vom Common sense, dem gesunden Menschenverstand entfernt.

Und zwar so weit entfernt, so Levi-Strauss, dass sie mit ihren bizarren Inhalten den mythologischen Geschichten unserer Vorfahren um nichts nachstehen würden.
... und bizarre Physik
Betrachtet man die "Erzählungen", die mitunter von theoretischen Physikern produziert werden, so muss man Levi-Strauss wohl zustimmen. Allerdings mit einer Einschränkung: Die gar wundersamen Geschichten der Physik können nicht selten durch objektiv wiederholbare Experimente bestätigt werden.
Der geheimnisvolle Casimir-Effekt
So geschehen mit einer Voraussage, die der niederländische Physiker Hendrik Brugt Gerhard Casimir im Jahr 1948 tätigte. Nach Casimirs Prognose sollte zwischen zwei (ungeladenen) Metallplatten, die im Vakuum sehr nahe nebeneinander gelegt werden, eine anziehende Kraft auftreten.

Dies erscheint absonderlich, denn in einem leeren Raum sollte nichts vorhanden sein, das eine Kraft produziert oder vermittelt. Die Antwort darauf lautet, dass nach den Prinzipien der Quantenmechanik gar kein "echtes" Vakuum gibt, kein leerer Raum im eigentlichen Wortsinn möglich ist.

Vielmehr geht man davon aus, dass das Vakuum mysteriöse fluktuierende Felder enthält, die für den Casimir-Effekt verantwortlich sind. Der experimentelle Nachweis für dieses Konzept wurde bereits im Jahr 1958 erbracht.
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Der Casimir-Effekt: Kraft aus dem Nichts
Nach den Prinzipien der modernen Physik ist das Vakuum nicht wirklich leer, sondern enthält fluktuierende Felder. Aufgrund quantentheoretischer Prinzipien können zwischen den Platten aber nur solche Fluktuationen auftreten, deren Halbwellenlänge kleiner als der Abstand der Metallflächen ist. Ist der Abstand sehr klein (z.B. im Mikrometerbereich) führt das zu einem Ungleichgewicht der fluktuierenden Felder innerhalb und außerhalb der Platten. Dies bedingt eine Reduktion der so genannten Vakuum-Energie zwischen den Platten: Das Ergebnis ist die Casimir-Kraft - eine makroskopische Manifestierung der Quantenmechanik.

Erste Experimente zum Nachweis dieser Kraft wurden im Jahr 1958 vom niederländischen Physiker Marcus Spaarnay getätigt. Als Durchbruch zu einer neuen Generation von Experimenten wird der Nachweis von Steve Lamoreaux von der University of Washington, Seattle, aus dem Jahr 1997 gewertet. Lamoreaux hatte zu diesem Zweck eine sphärische Linse sowie eine optische Quarzplatte mit Kupfer-Goldbeschichtung verwendet.
->   Mehr zum Casimir-Effekt in "physicsweb"
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Der Casimir-Effekt als Daumenschraube der Natur
Ephraim Fischbach und Dennis E. Krause wollen nun den Casimir-Effekt nutzen, um der Natur die Antworten auf Fragen abzuringen, die wohl noch geheimnisvoller sind. In ihrer theoretischen Arbeit zeigen die zwei Physiker, dass man mittels des Casimir-Effekts zusätzlichen Dimensionen und Naturkräften auf die Spur kommen könnte.
Isotope im Experiment
Dennis' und Fischbachs Grundidee: Man nehme zwei Paare von Platten die aus unterschiedlichen Nickel-Isotopen bestehen. Das eine Mal Nickel 58, das zweite Mal Nickel 64, dessen Kern sechs Neutronen mehr besitzt, als jener des ersten Isotops. Der nächste Schritt: Man messe mit beiden Platten die Casimir-Kraft und vergleiche das Ergebnis.
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Das Nachweis-Prinzip
Da nun, wie Dennis und Fischbach schreiben, der Casimir-Effect vor allem von den elektronischen Eigenschaften der beiden Platten abhängig ist, dürfte die Verwendung von Isotopen zu keinen Unterschieden zwischen den beiden Experimenten führen. Wenn allerdings doch Unterschiede auftreten sollten, dann wären diese auf andere Kräfte zurückzuführen. Und zwar solche, die sowohl von den elektronischen, als auch von den Kerneigenschaften der beiden Materialen abhängig sind. Denn in Bezug auf die Kerneigenschaften unterschieden sich die beiden Nickel Isotope 58 und 64. Letzteres hat einen massereicheren Nukleus.
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Neue Naturkraft und zusätzliche Dimensionen?
Sollte der Versuch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, so wäre dies ein Hinweis auf die Existenz einer neuen, gravitationsähnlichen Naturkraft. Diese wäre, so Dennis und Fischbach, wiederum an das Vorhandensein zusätzlicher Raumdimensionen gebunden.

"Eine neue Art einer gravitationsähnlichen Kraft wäre der Fingerabdruck des Umstandes, dass wir in Wirklichkeit in einer Welt leben, die aus mehr als drei Dimensionen besteht", so Fischbach: "Allerdings würde man diese Kraft nur über sehr geringe Distanzen wahrnehmen können."
Konsequenzen für die Nano-Technologie
Die esoterisch anmutenden Überlegungen der beiden Physiker haben indes auch praktische Konsequenzen. Kräfte, die über sehr kurze Distanzen wirken, können in der Nano-Technologie von entscheidender Bedeutung sein.

Studienautor Fischbach: "Man kann nicht einfach die Kraftübertragung eines Autos in eine mikroskopische Version überführen und dabei erwarten, dass alles genau so funktioniert. In solch kleinen Maßstäben können eine Reihe lustiger Dinge passieren, wenn bewegliche Teile einander nahe kommen."

Robert Czepel, science.ORF.at
Mehr zur Suche nach neuen Dimensionen in science.ORF.at:
->   Auf der Suche nach Schwarzen Löchern und Zusatzdimensionen
->   Stringtheorie: Auf der Suche nach der zehnten Dimension
 
 
 
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01.01.2010