News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Die Wirtschaftsgeschichte Babyloniens  
  Babylonien - der Süden des heutigen Iraks - gilt als antikes Ursprungsland vieler wissenschaftlicher Erkenntnisse und Motor etlicher kultureller Entwicklungen, die die Menschheit bis heute prägen. Ein bislang wissenschaftlich wenig behandelter Bereich sind die großen Quellen zur Wirtschaftsgeschichte des Weltreiches im ersten Jahrtausend vor Christus. Der Wiener Orientalist Michael Jursa, START-Preisträger 2002, macht sich nun an die Aufarbeitung und Analyse dieser wichtigen wirtschaftlichen Periode des Altertums.  
Grundlage der aufwendigen Forschungsarbeit von Michael Jursa stellen die schriftlichen Hinterlassenschaften des Babylonischen Reichs dar, eine der drei größten Quellengruppen des Altertums.
...
START und Wittgenstein: Forschungsförderung seit 1996
Mitte der 90er Jahre versuchte der damalige Wissenschaftsminister Rudolf Scholten, neue Wege in der staatlichen Förderung der Spitzenforschung in Österreich zu gehen. Es wurde ein personenbezogenes Programm ausgearbeitet, das sowohl Nachwuchswissenschaftlern als auch arrivierten Persönlichkeiten durch Bereitstellung entsprechender Mittel ermöglicht, sich über mehrere Jahre ganz auf ihre Forschungsvorhaben zu konzentrieren. Im Auftrag des Minsteriums entwickelte der Wissenschaftsfonds (FWF) das Konzept für die START- und Wittgenstein-Preise und übernahm die Abwicklung beider Aktionen.
->   Mehr über die Geschichte der Preise in science.ORF.at
...
100.000 Tontafeln in Keilschrift
Die Rede ist von knapp 100.000 Tontafeln in Keilschrift, die Ende des 19. Jahrhunderts bei Ausgrabungen im Südirak entdeckt worden und bis vor wenigen Jahren zum größten Teil im Britischen Museum in London (60.000 Stück - davon waren lediglich 15.000 veröffentlicht), aber auch im Museum der Yale University und dem Louvre in Paris ungelesen aufbewahrt worden sind.

"Der Großteil der Tontafeln sind so etwas wie "Billa-Kassazettel", einfach Rechnungen eben", erläutert Jursa das vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderte Forschungsprojekt. "Die restlichen Dokumente sind im wesentlichen privatrechtlichen oder administrativen Inhalts."
Von der Datierung zur Marktentwicklung
In der ersten Arbeitsphase widmet sich der Wissenschaftler vor allem der erstmaligen Gesamtdokumentation und Verortung - gemeint sind Fundort und Datierung - der Tontafeln, vor allem jener des Britischen Museums.

In den folgenden Jahren wird Jursa möglichst viele Materialien für einen bestimmten, wirtschaftlich ereignisreichen Zeitraum sammeln und bearbeiten. "So kann ich mir ein gutes Bild zur Preisentwicklung innerhalb einer bestimmten Zeit, beispielsweise eines Jahres, machen", so der Orientalist.

"Denn bereits damals hat es in wirtschaftlichen Krisenzeiten - beispielsweise bei den Aufständen, als das Gebiet von den Persern oder später von den Makedoniern besetzt wurde - so etwas wie eine Preisinflation gegeben. Das versuche ich anhand der gefundenen Rechnungen, Verträge oder Lohnzettel nachzuvollziehen."
Klärung eines alten Expertenstreits?
Ein wichtiges Ziel von Michael Jursa ist die Klärung eines langjährigen Expertenstreits um zwei bestehende Theorien: "Die eine Theorie hält in die Wirtschaft Babyloniens für vormodern, ohne jegliche Marktkomponente, die andere behauptet, dass man bereits damals kapitalistische und profitorientierte Wirtschaft betrieben hat", resümiert der Forscher.

"Meiner Meinung nach liegt die Wahrheit in der Mitte: Meine Analysen sollen zeigen, dass die Wirtschaft Babyloniens eine Mischung aus beiden Systemen war."

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
->   Michael Jursa
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
->   Universum Magazin
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010