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Protein-Strukturen untersucht mit Massenspektrometrie  
  Proteine sind äußerst wichtige Bestandteile aller biologischen Systeme. Die Eiweiße können unterschiedliche räumliche Strukturen einnehmen - ihre korrekte Faltung und Bindung ist etwa in Bezug auf die Entstehung von BSE bzw. Creutzfeld-Jacob von Interesse. Der Untersuchung solcher Faltungen und Bindungen widmet sich ein Projekt im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes 2002: Rita Grandori vom Institut für Chemie der Universität Linz vertraut dabei auf eine besondere Methode - die Massenspektrometrie. Ihr Forschungsprojekt stellt sie nun in einem Gastbeitrag in science.ORF.at vor.  
Faltung und Bindung von Proteinen untersucht mit der Massenspektrometrie
Von Rita Grandori

Die Möglichkeit Proteine mittels Massenspektrometrie zu studieren hat die Biochemie revolutioniert. Mit dieser Technik untersucht man heute komplexe Faltungs- und Bindungsreaktionen von Proteinen.

Verschiedene räumliche Strukturen gleichartig aufgebaute Proteine werden mit dieser höchst empfindlichen Methode erkannt. Das charakteristische Masse-zu-Ladung Verhältnis erlaubt die Unterscheidung gefalteter von ungefalteten Molekülen, sowie das Erkennen von Zwischenformen.
Warum Proteine?
Proteine sind wichtige Komponenten aller biologischen Systeme. Sie sind für viele verschiedene Funktionen wie mechanische Arbeit, Katalyse von metabolischen Reaktionen, Regelungsprozesse sowie Immunreaktionen verantwortlich.

Proteine sind flexible Moleküle und können unterschiedliche räumliche Strukturen (Konformationen) haben, wobei jede Form andere Stabilität hat. Von den vielen alternativen Konformationen eines Proteins führt nur eine, die stabilste und so genannte native Konformation, die spezifische biologische Funktion aus.

Wichtige Fragen der weltweiten Forschung sind, welche Eigenschaften die Stabilität beeinflussen, und welche Mechanismen die Moleküle vom ungeordneten Zustand, in dem sie synthetisiert werden, in ihre native Konformation überführen.
Das Proteinfaltungsproblem - eine Schlüsselfrage
Diese Fragen beschreiben das so genannte Proteinfaltungsproblem, eines der zentralen Probleme der Biochemie. Dieses Problem ist nicht nur als Herausforderung für die Grundlagenforschung von Interesse, sondern es ist auch die Schlüsselfrage zu vielen angewandten Projekten.

Hätte man zum Beispiel den Proteinfaltungsprozess aufgeklärt, könnten man die native Konformation eines Proteins nur auf Grund der Abfolge seiner Aminosäuren vorhersagen. Die Schwierigkeit einer solcher Prognose ist heute der limitierende Faktor in Genomprojekten und in vielen Anwendungen der Biotechnologie.
Warum Massenspektrometrie?
Die Massenspektrometrie (MS) ist eine Methode, um die Masse von Molekülen durch die Messung ihres Masse-zu-Ladung Verhältnisses mit großer Genauigkeit zu bestimmen.

Proteinionen werden durch verschiedene Ionisierungstechniken aus festen ("matrix-assisted laser desorption mass spectrometry", MALDI-MS) oder aus flüssigen Proben ("lectrospray-ionization mass spectrometry" ESI-MS) in die Gasphase übergeführt. Diese Ionen werden dann auf Grund ihres Masse-zu-Ladung Verhältnisses sortiert und gezählt.
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Konformationen: Gleiche Masse - unterschiedliche Ladung
Obwohl verschiedene Konformationen desselben Proteins gleiche Masse haben, werden sie durch die Massenspektrometrie (besonders mit ESI-MS) dank der verschiedenen elektrischen Ladungen, die sie während des Ionisierungsprozesses aufnehmen, voneinander unterschieden.

Kompakte Moleküle werden weniger stark geladen als langgestreckte Moleküle. Dieses Phänomen erlaubt, dem Faltungsprozess eines Proteins mittels Messung stationärer oder transienter Zustände zu folgen.
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Auch Masse liefert Informationen
Auch die Information über die Masse der Moleküle, die man mit der Massenspektrometrie gewinnt, kann für Faltungsuntersuchung ausgenützt werden. Proteine tauschen einen Teil ihrer Wasserstoffatome gegen das schwerere Isotop Deuterium aus, wenn sie in schwerem Wasser gelöst werden.

Verschiedene Konformationen unterscheiden sich durch ihre Austauschgeschwindigkeiten. Nach einer gewissen Zeit, werden die schneller austauschenden, ungefalteten Moleküle schwerer als gefaltete und damit mittels Massenspektrometrie unterscheidbar.
Analyse von Bindungsreaktionen
Eine weitere interessante Anwendung der Massenspektrometrie in der Proteinforschung ist die Analyse von Bindungsreaktionen mit anderen Molekülen. In solchen Fällen kann man Komplexe detektieren, deren Masse gleich der Summe der Massen ihrer Komponenten ist.

Alle diese Methoden für Faltungs- und Bindungsstudien basieren auf der Möglichkeit, die schwache (nich-kovalenten) Wechselwirkungen zu bewahren. Solche Wechselwirkungen in und zwischen Proteinen sind für die Faltung und die intermolekulare Bindung verantwortlich.

Moderne, sanfte Ionisierungsverfahren wie ESI und MALDI erlauben Messungen, bei denen (im Gegensatz zu klassischen Ioniesierungsmethoden) die nich-kovalenten Wechselwirkungen während der Analyse erhalten bleiben.
Hertha-Firnberg Projekt: Jüngste Ergebnisse aus dem Labor
Jüngste Ergebnisse aus unserem Labor zeigen, dass die Massenspektrometrie nicht nur gefaltete von ungefalteten Konformationen zu unterscheiden erlaubt, sondern auch Zwischenformen des Faltungsprozesses zu erkennen.

Partiell gefaltete Konformationen liefern wichtige Informationen über den Mechanismus des Faltungsprozesses. Leider sind diese aber auf Grund ihrer niedrigen Stabilität und dynamischer Natur sehr aufwendig zu untersuchen.
->   Mehr dazu in einer aktuellen Publikation in "Protein Science"
Ein neuer Anwendungsbereich in der Biochemie
Die Möglichkeit, solche Formen mit der Massenspektrometrie zu studieren, öffnet einen neuen Bereich von Anwendungen in der Biochemie. Diese Methode hat den großen Vorteil, dass die verschiedenen Komponenten heterogener Proben getrennt von einander betrachtet werden können, ohne dass dabei eine Mittelung über die molekularen Populationen auftritt.

Solche Experimente können zeigen, welche Umstände die Entfaltung des Proteins verursachen, wie viele verschiedene Konformationen in dem Faltungsprozess involviert sind und welche Bedingungen es erlauben, Zwischenformen des Faltungsprozesses zu maximieren.
Ein spezieller Mechanismus im Blickpunkt
Für mich ist die Untersuchung des Mechanismus von großem Interesse, der die verschiedene Ladungen von verschiedenen Proteinkonformationen in ESI-MS erzeugt. Obwohl dieses Phänomen in der Proteinforschung weltweit ausgenutzt wird, ist es heute noch nicht vollständig geklärt.

Ein Ergebnis meiner jüngsten Forschung ist eine neue Hypothese über dieses Phänomen, die sehr gut mit den verfügbaren Daten übereinstimmt (demnächst in "Journal of Mass Spectrometry").
Die Ziele meines neuen Projektes sind:
- Spezifisch geplante Experimente auszuführen, um so die alternativen Hypothesen über den Ladungsprozess während der ESI-MS Messung zu testen
- Neue Systeme von besonderem biologischen Interesse mit dieser Methode zu untersuchen
- Die Möglichkeit zu untersuchen, ob diese Methode zur quantitativen Analyse des Faltungsprozesses anwendbar ist
- Diese Methode in Verbindung mit der Analyse von intermolekularen Wechselwirkungen weiter zu entwickeln.
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Das "Hertha-Firnberg"- Programm
Rita Grandori vom Institut für Chemie der Johannes Kepler Universität, Linz wurde im Jahr 2002 mit einer Stelle im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes ausgezeichnet, das vom Wissenschaftsfonds (FWF) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur durchgeführt wird. Ziel des Programmes ist es, zur besseren Verankerung von Frauen an Universitäten beizutragen.
->   Alle Hertha Firnberg-Stellen 2002 im Überblick
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->   FWF - Der Wissenschaftsfonds
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
science.ORF.at hat bereits verschiedene Forschungsprojekte im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes 2001 in Form von Gastbeiträgen vorgestellt:
->   Alle Firnberg-Gastbeiträge im Überblick
 
 
 
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01.01.2010