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Malaria: Neue Generation genetischer Impfstoffe  
  Malaria ist die mit Abstand gefährlichste Tropenkrankheit. Durch den rapiden Anstieg von Fernreisen kommt es zunehmend zu Infektionen auch in den Industriestaaten. Ziel eines Projektes im Rahmen des Herta-Firnberg-Programmes 2002 ist es, kürzlich gegen Malaria entwickelte DNA-Impfstoffe weiter zu verbessern. Darüber berichtet die Biologin Sandra Scheiblhofer in einem Gastbeitrag für science.ORF.at.  
Neue Strategien gegen Malaria
Von Sandra Scheiblhofer

Malaria bedroht mit 2,5 Milliarden Menschen 40 Prozent der Weltbevölkerung. Während die globale Erwärmung zur Ausweitung endemischer Gebiete führt, sind durch die Zunahme an Fernreisen auch Industriestaaten von der gefährlichsten aller Tropenkrankheiten betroffen. Bisher verlief die Suche nach einem effizienten Impfstoff eher enttäuschend.

Hervorgerufen wird Malaria durch Plasmodien, von denen vier verschiedene Arten den Menschen infizieren können. Der Lebenszyklus dieser Parasiten findet teils in Anopheles Moskitos, teils im Säuger statt.
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Parasitärer Lebenszyklus erschwert Impfstoff-Entwicklung
Erschwert wird die Entwicklung einer Impfung gegen Malaria durch den komplizierten Lebenszyklus des Parasiten, seine hochvariablen Antigene, große Unterschiede zwischen den verschiedenen Erregerstämmen und durch hochentwickelte Verteidigungsmechanismen, die der Parasit im Laufe der Zeit entwickelt hat, um die Immunantwort des Patienten zu unterlaufen.
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Neue Strategie: Die genetische Immunisierung
Bild: Sandra Scheiblhofer
Fixiert man Plasmodien auf Objektträger und inkubiert diese mit Seren der Versuchstiere, kann durch Fluoreszenzfärbung die wurmartige Struktur der Erreger sichtbar gemacht werden.
Während des letzten Jahrzehnts entwickelte sich die genetische oder DNA-Immunisierung zu einer in vielen Tiermodellen erfolgreichen Methode, die nunmehr auch in klinischen Versuchen erprobt wird.

Dabei handelt es sich um eine Impfung, bei der statt abgeschwächten oder toten Mikroorganismen bzw. einem Bestandteil (=Antigen) dieser Erreger die Information für eines oder mehrere Antigene in Form von zirkulärer DNA (=Plasmid) verabreicht wird.

Die Zellen des immunisierten Individuums produzieren dann selbst das/die kodierten Protein(e). Im Mausmodell existiert bereits ein äußerst effizienter genetischer Impfstoff gegen Malaria. Nach der Immunisierung bilden die Versuchstiere Antikörper gegen ein Protein des Malaria-Erregers.
Replikase-Vektoren zur Steigerung der Wirkung
Um im Hinblick auf Anwendungen im Menschen die Zahl der Immunisierungen zu reduzieren, muss die Immunogenität des genetischen Malaria-Vakzins weiter gesteigert werden. Dies soll mittels eines neuen Plasmid-Vektors geschehen, der im Unterschied zum bisher verwendeten von einer Replikase gesteuert wird.

Dieses aus Alphaviren wie Sindbis-Virus oder Semliki-Forest Virus stammende Protein bewirkt nicht etwa eine substantiell gesteigerte Produktion des jeweiligen Antigens, sondern vielmehr qualitative Unterschiede in der Expression, die dazu führen, dass das Immunsystem wie auf eine Virusinfektion reagiert.

Durch den Einsatz derartiger Konstrukte wurden in bisher publizierten Studien an Versuchstieren Immunreaktionen sowie Schutz vor Infektion bereits nach einer einzelnen Immunisierung mit sehr geringeren Mengen an Plasmid-DNA erzielt.
Die "Gene Gun" zur Verabreichung
Bild: Sandra Scheiblhofer
Mit Hilfe dieses Gerätes, einer "Gene Gun",
gelangt der Malaria-Impfstoff in die oberen Hautschichten.
Zur Anwendung des genetischen Malaria-Impfstoffes wird eine so genannte "Gene Gun" verwendet. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das mittels Helium-Druck mit dem Plasmid-Impfstoff beladene, mikroskopisch kleine Goldpartikel in die oberen Hautschichten der Versuchstiere schießt.

Diese Methode hat sich in zahlreichen Versuchen im Vergleich zur Nadel-Injektion in den Muskel oder die Haut als überlegen erwiesen. Bereits ein Bruchteil der für Injektionen benötigten Plasmid-DNA reicht dabei aus, um ähnlich starke Immunreaktionen zu erzielen.

Außerdem handelt es sich dabei um ein kontaktlose Technik, durch die keine Infektionskrankheiten übertragen werden können, was im Hinblick auf eine Anwendung in Entwicklungsländern bedeutend erscheint.
Antikörper oder zytotoxische Zellen
Die Lösung der Frage, ob Antikörper oder zelluläre Immunantworten für die Abwehr von Frühstadien des Malaria-Erregers im Säuger verantwortlich sind, könnte die Entwicklung eines Impfstoffes wesentlich erleichtern.

Daher werden in dem vom FWF geförderten Projekt neben einem Replikase-Konstrukt weitere Modifikationen des Plasmid-Vektors eingesetzt, die die Antikörperproduktion entweder deutlich erhöhen oder komplett ausschalten, um das schützende Prinzip von genetischer Immunisierung gegen Malaria aufzuklären.
Experimenteller Ansatz
Bild: Sandra Scheiblhofer
Nach einem Schutzversuch werden Blutproben der Mäuse auf Objektträger
ausgestrichen. Im Falle einer Infektion sind so genannte Trophozoiten
("Ringstadien" des Erregers) innerhalb der roten Blutkörperchen zu sehen (Pfeil).
Nach "Gene Gun"-Immunisierung mit dem bisher erfolgreich eingesetzten Plasmid und einem innovativen Replikase-Konstrukt werden die Immunreaktionen in verschiedenen Mäusestämmen verglichen.

Insbesondere längerfristiger Schutz vor einer Infektion mit lebenden Parasiten wird dabei untersucht. Nachdem bisher nur Plasmide, die für das so genannte Circumsporozoite Protein (CSP) als Antigen kodieren, verwendet wurden, soll nun ein zweites, Merozoite Surface Protein (MSP), alleine oder in Kombination mit CSP als Plasmid-Impfstoff zum Einsatz kommen.

Andere Versuchstiere erhalten eines der beiden die Antikörperproduktion modulierenden Konstrukte. Anschließend sind auch mit diesen Mäusen Schutzversuche geplant.
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Internationale Zusammenarbeit
Challenges an immunisierten Mäusen mit lebenden Parasiten werden in Kooperation mit dem Walter Reed Army Institute of Research in Washington D.C. durchgeführt. Diese Einrichtung gehört zu den wenigen Instituten weltweit, die in der Lage sind, mit Sporozoiten infizierte Moskitos zur Verfügung zu stellen. Weiters besteht enger Kontakt zu Mitarbeitern des NIH, die umfangreiche Erfahrungen mit Replikase-basierten DNA-Vektoren aufzuweisen haben und das Projekt beratend unterstützen.
->   Walter Reed Army Institute of Research
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Arbeitsgruppe, Forschungsstätte, Kooperationen
Die Arbeitsgruppe von Professor Josef Thalhamer am Institut für Chemie und Biochemie der Universität Salzburg engagiert sich seit mehreren Jahren erfolgreich auf dem Gebiet der genetischen Immunisierung.

Neben der Malariaforschung sei hier besonders auf die Teilnahme am FWF Schwerpunkt "Immunologie der Allergene und allergen-spezifischen Immunantworten" hingewiesen, in dessen Rahmen die Mitarbeiter nach neuen Stategien zur Prävention und Therapie allergischer Erkrankungen suchen.

Kooperationen bestehen außerdem mit der Baxter Vaccines AG zur Entwicklung eines DNA-Impfstoffes gegen Lyme Borreliose, sowie mit dem National Cancer Institute in Bethesda, und der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava.
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Informationen zu Autorin und "Hertha-Firnberg"- Programm
Die Autorin Sandra Scheiblhofer hat derzeit eine PostDoc Stelle am Institut für Chemie und Biochemie der Universität Salzburg inne. Dort hat sie von 1991-1997 Biologie (Studienzweig) Genetik studiert.

Im Jahr 2002 wurde Sandra Scheiblhofer mit einer Stelle im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes ausgezeichnet, das vom Wissenschaftsfonds (FWF) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur durchgeführt wird. Ziel des Programmes ist es, zur besseren Verankerung von Frauen an Universitäten beizutragen.
->   Alle Hertha Firnberg-Stellen 2002 im Überblick
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->   FWF - Der Wissenschaftsfonds
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
science.ORF.at hat bereits verschiedene Forschungsprojekte im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programmes 2001 in Form von Gastbeiträgen vorgestellt:
->   Alle Firnberg-Gastbeiträge im Überblick
 
 
 
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01.01.2010