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Musiktherapie - über die Grenzen der Sprache hinaus  
  In der Geschichte der Menschheit, aber auch in der Biographie der meisten Menschen, sind Klänge, Musik und Rhythmen tief verwurzelt. Der Herzschlag der Mutter, den das Kind im Mutterleib hört, Einschlaflieder der Kindheit - Musik ist immer mit Emotionen verbunden. Daher kann Musiktherapie den Menschen in tiefen Schichten seiner Persönlichkeit erreichen und ansprechen.  
Wenn die Worte fehlen, wenn Sprache Gefühle oder Bedürfnisse nicht ausdrücken kann, dann stellt Musiktherapie eine Chance dar.

Die Verwendung musikalischer Elemente in der modernen Schulmedizin ist natürlich keine Neuheit, sondern viel eher eine Rückbesinnung. Musikeinsatz in der Medizin hat eine lange Tradition.
Musik in der Medizin
Es gibt aus der Antike einige schriftliche Belege, in denen Beispiele der magisch-mythischen Wirkung von Musik aufgeführt sind: Assyrische Keilschriften berichten über Konzerte gegen böse Geister und im 19. Kapitel der Odyssee von Homer wird beschrieben, dass gesungene Beschwörungsformeln eine starke Blutung gestillt haben. Das Alte Testament berichtet von der "Behandlung" des depressiven Sauls durch den Harfe spielenden David.
->   Mehr zur Geschichte der Musiktherapie
Anwendungsgebiete der Musiktherapie
Musiktherapeuten arbeiten mit verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen, mit körperlich, geistig und sinnesbehinderten Menschen, mit Menschen, die an Psychosen leiden, und natürlich auch mit alten Menschen.

Auch bei Depressionen, Angsterkrankungen, eingeschränkter Kontaktfreudigkeit, kann Musiktherapie hilfreich sein. Kurzum: Die Musiktherapie kann Menschen helfen, die in ihrer inneren Welt gefangen sind.

Dort, wo Worte fehlen, erhalten die Klienten die Möglichkeit, sich musikalisch mitzuteilen. Darüber hinaus bietet die Musiktherapie auch die Möglichkeit zur Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung.
->   Darstellung der Musiktherapie beim Einsatz gegen chronische Schmerzen
Die Arten der Musiktherapie
Das Spektrum an therapeutischen Einsatzmöglichkeiten von Klang und Musik ist vielfältig. Prinzipiell unterscheidet man zwischen rezeptiver und aktiver Therapie, also dem Zuhören bzw. dem Selbstmusizieren.

Rezeptive Musiktherapieformen, wie zum Beispiel die Österreichische Schule für Altorientalische Musiktherapie, gehen davon aus, dass das bloße Anhören bestimmter Melodien bereits heilsame Wirkung hervorrufen kann. So kennt die Altorientalische Musiktherapie bestimmte Melodien, die z.B. Kopfschmerzen und Verspannungen lindern und eine geistige Reinigung fördern sollen.
Besondere Klänge
Statt dem uns vertrauten Akkordsystem hat sich im Orient das so genannte Makamensystem entwickelt. Makamen sind neuntönig mikrotonal ausgerichtete Tonskalen, die mit spezifischen Klangstrukturen auf einem bestimmten Grundton aufbauen.

Dieses System verleiht der Musik des Orients die typische Ornamentik und den Phrasenreichtum. Es sind 375 dieser Makamen bekannt.

Für die medizinische Therapie wurden zwölf Makamen ausgewählt, denen jeweils ganzheitliche Wirkungen auf Körper und Psyche zugeschrieben wurden.
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Altorientalische Musiktherapie
Altorientalische Musiktherapie (AM) ist ein seit ca. 1000 Jahren dokumentiertes und praktisch bewährtes System mit therapeutischer, prophylaktischer und rehabilitativer Bedeutung. Die Wurzeln der AM reichen einerseits bis in die Zeit musikalischer Heilzeremonien zentralasiatischer Schamanen zurück, andererseits entwickelten islamische Gelehrte (wie z.B. Al Kindi, Al Farabi, Avicenna, Rhases, etc.) ein System von Tongeschlechtern ("Makam" ). Dieses war u.a. auch von den Medizin- und Musiksystemen der Griechen beeinflusst (Galen, Aristoteles, Platon).
->   Die Geschichte der Altorientalischen Musiktherapie
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Verloren und wiederentdeckt
Gemäß alten Aufzeichnungen wurde Musik in den Spitälern des Vorderen Orients ab ca. 800 n. Chr. bis ca. 1800 als Therapie eingesetzt. Dann verschwand die Musiktherapie aus den Behandlungskonzepten und das Wissen darüber ging für mehr als 150 Jahre verloren.

Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckte Oruc Güvenc von der Universitätsklinik der Marmara-Universität in Istanbul in alten Schriften Hinweise auf die Altorientalische Musiktherapie.

Nun wird ihre Wirkung in klinischen Studien getestet. U.a. wird sie bei der Behandlung von Wachkomapatienten, Patienten mit Herzinfarkt, krebskranken Kindern, in der Gerontopsychiatrie etc. eingesetzt.
->   Die Altorientalische Musiktherapie in der klinischen Forschung
Die Wiener Schule für Musiktherapie
Die im deutschen Sprachraum renommierte Wiener Schule für Musiktherapie blickt auf eine etwa 45-jährige Geschichte zurück.
Paten der Musiktherapie Wiener Prägung waren der Psychiater Erwin Ringel und der Kinderarzt Andreas Rett.

Daher wurde Musiktherapie auch zuerst bei behinderten Kindern und im Bereich der Psychotherapie angewendet. Musiktherapie ist ein prozesshaftes Geschehen, für dessen Verlauf die Beziehung zwischen Therapeut und Patient von wesentlicher Bedeutung ist.
->   Mehr Informationen über die Wiener Schule für Musiktherapie
Kein richtig oder falsch
Musiktherapie findet entweder allein mit dem Therapeuten oder in der Gruppe statt. Den Klienten steht eine Auswahl leicht handhabbarer Instrumente, wie diverse Trommeln, Rasseln, Flöten oder auch Saiteninstrumente zur Verfügung.

Die Wahl des Instrumentes obliegt dem Einzelnen. Ob in der Gruppe oder in der Einzelsitzung - mit dem gewählten Instrument wird frei improvisiert. So soll zunächst einmal "eine der größten Ängste, die Angst vor dem Falschmachen" verringert werden.

Es geht darum, spontan das auszudrücken, was gerade "da" ist: Fröhliche Töne, aggressive Töne, laut oder leise, schnell oder langsam, in Harmonie mit den anderen Mitmusizierenden oder auch in Disharmonie.

Im musikalischen Dialog, im Improvisieren erhalten die Klienten die Möglichkeit, sich dem Therapeuten gegenüber und letztlich auch sich selbst mitzuteilen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und diese auszudrücken.

Christoph Leprich, Ö1-Radiodoktor
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Die Ö1-Sendung zum Artikel
Vertreter der Altorientalischen Musiktherapie und der Wiener Schule für Musiktherapie sind am Montag, 30. 12. 2002, bei "Radiodoktor" Wolfgang Enenkel zu Gast: Die Sendung läuft von 14.05 bis 14.40 Uhr in Ö1, Interessierte haben die Möglichkeit, sich zwischen 14.10 und 14.35 Uhr unter der kostenfreien Telefonnummer 080022 - 6979 in die Sendung einzuschalten.

Eine kostenlose Informappe zur Sendung kann bestellt werden unter: ORF Redaktion Radiodoktor, Postfach 1000, Kennwort Schizophrenie, 1040 Wien
->   Radio Österreich 1
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->   Österreichischer Berufsverband der MusiktherapeutInnen
->   Altorientalische Musiktherapie
 
 
 
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01.01.2010