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Mit Koffein auf der Spur von Wasserverschmutzungen  
  Um Haushaltsabwasser in Bächen, Flüssen und Seen nachweisen zu können, braucht es sichere Indikatoren. Eine perfekte Lösung gab es bislang nicht - doch laut Studie eines Schweizer Forscherteams könnte nun ein allseits bekannter Stoff Abhilfe schaffen: Koffein. Diese chemische Verbindung lässt sich in fast allen Oberflächengewässern nachweisen - selbst im Mittelmeer fanden die Analysen der Wissenschaftler Spuren des Alkaloids.  
Der Studie des Forschungsteams um Ignaz Bürge von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau in Wädenswil hat die Eignung von Koffein als chemischen Marker für die Wasserverschmutzung durch Haushaltsabwässer untersucht.
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"Anthropogenic Marker for Wastewater Contamination"
Der Artikel "Caffeine, an Anthropogenic Marker for Wastewater Contamination of Surface Waters" von Ignaz J. Buerge, Thomas Poiger, Markus D. Müller und Hans-Rudolf Buser ist erschienen in "Environmental Science & Technology" (2003, doi: 10.1021/es020125z).
->   Environmental Science & Technology
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Wasser und die Suche nach Verschmutzungsquellen
Die Bedeutung der natürlichen Wasserressourcen - Bäche, Flüsse, und Seen - als Ökosysteme, Bewässerung für die Landwirtschaft und vor allem auch Trinkwasser verlange einen strengen Schutz vor Kontamination, schreiben die Schweizer Wissenschaftler in ihrer Studie. Und verweisen etwa auf die Gefahren durch pathogene Mikroben.

Verschmutzungen können allerdings aus vielen Quellen stammen: von Haushaltsabwässern ebenso wie aus industriellen oder landwirtschaftlichen Aktivitäten. Daher sucht man nach so genannten "Tracern" oder "Markern", die Aufschluss über den Ursprung von Wasserkontaminationen liefern sollen.
Beispiel Fäkalbakterien: Zu schnell abgebaut
Dies ist gar nicht so einfach, wie Teamleiter Ignaz Bürge gegenüber science.ORF.at erläutert - "die traditionell verwendeten Fäkalbakterien funktionieren nicht immer. Nach einer bestimmten Zeit werden sie abgebaut." Zudem seien die Bakterien zu wenig herkunftspezifisch.
Gibt es einen Marker für Haushalts-Abwasser?
Wie Bürge erzählt, lag der Studie eine Anfrage des Gewässerschutzamtes Zürich vor: Dort wollte man wissen, ob es möglich ist, anhand von chemischen Verbindungen die Verschmutzung von Oberflächenwasser speziell durch häusliche Abwässer zu analysieren.

Er machte sich also mit seinen Kollegen auf die Suche nach einem geeigneten Marker. Dabei bot sich eine Reihe von chemischen Verbindungen an - darunter etwa menschliche Stoffwechselprodukte oder Bestandteile von pharmazeutischen Produkten.
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Die Merkmale eines idealen "Tracers"
Ein idealer Marker oder Tracer muss allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Im Fall der Schweizer Wissenschaftler sollte der Indikator herkunftspezifisch (Haushaltsabwasser) sein, sich durch möglichst konstanten Verbrauch und Abbau auszeichnen sowie messbar sein, d.h. in halbwegs hohen Konzentrationen vorkommen.

Nach den Angaben der Wissenschaftler, die zufließendes und abfließendes Wasser kontrolliert haben, können Kläranlagen bis zu 99,9 Prozent der Koffeinkonzentration herausfiltern. Doch trotz der effizienten Beseitigung in den meisten Kläranlagen fand sich Koffein überall in Schweizer Seen und Flüssen - ausgenommen abgelegene Bergseen. Selbst in Proben aus dem Mittelmeer konnte Koffein nachgewiesen werden.
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"Droge" Koffein erfüllt alle Voraussetzungen
Alle gestellten Bedingungen erfüllte nur eine der möglichen Verbindungen: Koffein. Das Alkaloid ist Bestandteil einer Vielzahl von Getränken und zahlreicher Nahrungsmittel. Der globale Durchschnittsverbrauch liegt nach Angaben der Wissenschaftler bei 70 mg pro Tag und Person - er variiert allerdings deutlich in den verschiedenen Ländern.

Auch als Bestandteil pharmazeutischer Produkte spielt Koffein eine große Rolle, wie die Forscher in der Studie berichten. "Berücksichtigt man seine Aufnahme über Getränke und Nahrung, so ist Koffein möglicherweise die meistkonsumierte Droge der Welt", heißt es dort.
->   Ausführliche Informationen zu Koffein (pdf-Dokument)
Verschmutzungsgrad und Koffein: Korrelation nachgewiesen
Vor allem wichtig war jedoch die Korrelation zwischen Verschmutzungsgrad durch Abwässer und Koffein-Konzentration, erklärt Ignaz Bürge gegenüber science.ORF.at. Denn für eine genaue Berechnung muss etwa auch die Einwohnerzahl im Einzugsgebiet des Sees sowie dessen Volumen und der Wasserdurchfluss berücksichtigt werden.

So ließen die theoretischen Berechnungen der Forscher auf einen hohe Koffeinkonzentration im Schweizer Greifensee schließen - und tatsächlich konnten die Wissenschaftler diese durch ihre Analysen bestätigen.
Wieviel Phosphor gelangt in den Greifensee?
Die Untersuchungen des Greifensees zeigten demnach, dass zwischen ein und vier Prozent des Abwassers ohne Klärung eingeleitet worden waren - vermutlich sei dies an regnerischen Tagen geschehen, wenn die Kapazität der Kläranlagen überschritten worden sei.

"Damit lassen sich beispielsweise die Phosphor-Einträge über Abwässer in den Greifensee abschätzen", erklärt Experte Bürge. Hohe Phosphor-Konzentrationen führen zu einem starken Algenwachstum - als Quelle käme aber auch die Landwirtschaft in Frage. Eindeutig klären lässt sich dies allerdings erst, wenn auch die Einträge via Landwirtschaft quantifiziert werden können.

Solange gilt zumindest eines: Die Koffein-Konzentrationen in den Seen korrelierten insgesamt mit der antropogenen Belastung durch häusliche Abwässer, schreiben die Forscher. Damit zeige sich die Tauglichkeit von Koffein als Marker.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau
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01.01.2010