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Auch Insekten haben ein aktives Atemsystem  
  Mithilfe von Röntgenstrahlen haben Wissenschaftler einen neuen Atmungsmechanismus bei Insekten entdeckt. Gingen Forscher bislang davon aus, dass Insekten über ein Netz innerer Röhren - die so genannten Tracheen - lediglich passiv Sauerstoff aufnehmen, so zeigen die neuen Aufnahmen nun ein anderes Bild: Demnach weisen einige Insekten ein aktives Atemsystem ähnlich wie der Mensch auf, bei dem die Tracheen zusammengezogen und ausgedehnt werden.  
Nach Auskunft des Kieler Insektenforschers Oliver Betz, der an der im aktuellen "Science" veröffentlichten Studie beteiligt war, haben die Ergebnisse des Teams gezeigt, dass bei vielen Insekten die Tracheenstämme bei der Atmung in rascher Folge zusammengezogen und wieder erweitert werden.
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"Tracheal Respiration in Insects Visualized"
Der Artikel "Tracheal Respiration in Insects Visualized with Synchrotron X-ray Imaging" von Mark Westneat, Oliver Betz, Richard Blob, Kamel Fezzaa, James Cooper und Wah-Keat Lee ist erschienen in "Science", Bd. 299, Seiten 558-560, vom 24. Jänner 2003.
->   "Science"
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Die "alte" These vom passiv atmenden Insekt
Insekten - die größte und vielfältigste Gruppe innerhalb der Tierwelt - haben keine Lungen. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass sie lediglich passiv atmen: Durch die so genannten Tracheen sollte Sauerstoff - ohne einen aktiven Mechanismus - zu den inneren Organen der Tiere strömen.
Neue Röntgenmethode zeigt die Atmung "live"
Bild: ¿ Science/ Mark Westneat
Holzkäfer (Platynus decentis). Bei dem abgebildeten Insekt wurden Kopf und Brustkorb durchleuchtet.
Doch dank einer neue Röntgenmethode gelangen dem Forscherteam um Mark Westneat vom Field Museum of Natural History in Chicago nun überraschende Aufnahmen. Damit ist es erstmals gelungen, im Inneren von lebenden Insekten Bewegungen "live" aufzuzeichnen.

Die Bilder zeigen einen Atmungszyklus mit Expansion und Kompression der Tracheen im Bereich des Kopfes und des Vorderkörpers, der der Inflation und Deflation der Lungen von Wirbeltieren gleicht.

"Diese Pumpbewegung haben wir durch eine erstmals bei lebenden Tieren eingesetzte neue Röntgenmethode feststellen können", erklärt dazu Oliver Betz. Verwendet wurde ein so genanntes Synchroton - ein Teilchenbeschleuniger, mit dem sich die stärksten Röntgenstrahlen der Welt erzeugen lassen.
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Auch Insekten atmen mit Hilfe von Hämoglobin
Bei vielen Tieren wird der Sauerstoff im Blut mit Hilfe von Hämoglobin zu den inneren Organen transportiert. Lange Zeit wurde angenommen, dass Insekten - meist - kein Hämoglobin besitzen, da die Tracheen die inneren Organe direkt mit Luft versorgen. Das Atmungsprotein Hämoglobin ist bei Insekten weiter verbreitet als bisher angenommen, meint nun allerdings ein Forscherteam von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, das die Fruchtfliege untersucht hat.
->   Mehr zu der Mainzer Studie in science.ORF.at
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Käfer, Grillen, Ameisen, Schmetterlinge ...
 
Bild: ¿ Science/ Mark Westneat

Diese Aufnahmen zeigen ein Holzkäfer-Exemplar im Abstand von etwa 0,5 Sekunden: Links zu sehen die trachealen Röhren voll ausgeweitet. Rechts eine Aufnahme der zusammengepressten Tracheen.

Nach Angaben der Wissenschaftler findet sich der Atmungsmechanismus bei einer ganzen Reihe von Tieren: Käfer, Grillen, Ameisen, Schmetterlinge, Schaben, Libellen und andere Insekten zeigen unter Röntgenbestrahlung die schnellen Zyklen von Kompression und Expansion.

Offenbar dienen Muskeln dazu, aktiv Teile des trachealen Systems zu kontrahieren. Dadurch wird Luft entlang der verengten Röhren geleitet und unterstützt die Diffusion von Sauerstoff in die Gewebezellen. Der Zyklus endet mit der Muskelentspannung - die Tracheen dehnen sich wieder aus.
Wie Menschen bei leichter körperlicher Betätigung
Wie die Forscher in "Science" berichten, konnte die aktive Atmung nicht bei allen Arten der untersuchten Insekten nachgewiesen werden. Bei den Tieren, welche den Mechanismus aufweisen, ließen sich unterschiedliche Kompressions-Muster feststellen.

Bei den drei am genauesten Untersuchten Spezies (Holzwurm, Hausgrille und eine Ameisenart) zeigte sich demnach, dass die Tiere jede Sekunde rund 50 Prozent der Luft in ihren "Haupttracheen" austauschen - ähnlich dem Luftaustausch eines Menschen bei leichter körperlicher Anstrengung.
Ein evolutionsbiologisch wichtiger Faktor?
Die Lungen-artige Atmung könnte ein Faktor in der Evolution von Insekten-Spezies gewesen sein, die große Mengen Sauerstoff für das Fliegen und die Versorgung komplexer sensorischer Systeme benötigten, so die Vermutung der Wissenschaftler.
->   Field Museum of Natural History in Chicago
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01.01.2010