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Wo das Gehirn Gesichter mit Namen verknüpft  
  Wer sich an Namen flüchtiger Party-Bekanntschaften schlecht erinnert, kann in Zukunft einem kleinen Bereich in der Großhirnrinde die Schuld geben: US-Forscher haben mit Magnetresonanztomographie entschlüsselt, welche Regionen im so genannten Hippocampus für das Speichern und Abrufen von Informationen zuständig sind. Am Beispiel von Gesichtern und den dazugehörigen Namen.  
Der Hippocampus ist an der Gedächtnisbildung beteiligt. Unklar war bis jetzt, welche Regionen dieser Hirnstruktur für die Leistung des Lernens bzw. Speicherns und welche für die des Erinnerns bzw. Abrufens von Informationen zuständig sind.

Jeweils andere Regionen des Hippocampus sind aktiv, berichtet nun das Forscherteam um Michael Zeineh von der UCLA School of Medicine in Los Angeles in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Science".
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"Dynamics of the Hippocampus During Encoding & Retrieval"
Die Studie ist unter dem Titel "Dynamics of the Hippocampus During Encoding and Retrieval of Face-Name Pairs" in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Science" erschienen: Bd. 299, Seiten 577-580, vom 24. Jänner. 2003.
->   Der Originalartikel in "Science" (kostenpflichtig)
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Hippocampus - auch für das Lernen von Namen zuständig
Das Lernen und Abrufen von Namen in Verbindung mit neuen Gesichtern ist ein essentieller Teil unserer täglichen Gedächtnisleistung, die im Hippocampus abläuft. Man trifft jemanden auf der Straße, dem man einmal bei einer Party begegnet ist und kann sich an dessen Namen erinnern - oder auch nicht.
Bildtechnik zeigt die verantwortlichen Regionen
Wie die Forscher in der vorliegenden Studie berichten, haben sie mithilfe der Magnetresonanztomographie, einem computergestützten bildgebenden Diagnoseverfahren, die dafür verantwortlichen Hippocampus-Regionen gefunden.

Dabei vertrauten die Wissenschaftler darauf, dass sich beim Lernen neuer Assoziationen die Zufuhr des Blutsauerstoffs im aktiven Hirnbereich ändert, wodurch man auf neuronale Aktivität rückschließen kann.
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Hippocampus: Gegliedert in drei Funktionsbereiche
Der Hippocampus bezeichnet die sich nach innen rollenden medialen Ränder der Großhirnrinde bei Säugern. Er besteht aus drei Schichten, einer Zellkörperschicht und zwei Faserschichten, und enthält drei Regionen: den medial gelegenen Gyrus dentatus, eine wulstartige Hirnwindung, das Ammonshorn, das aus vier Bereichen (CA 1-4) besteht und das lateral gelegene Subiculum.

Kurz gesagt, ist der Hippocampus an der Gedächtnisbildung beteiligt, lässt sich aber in drei Funktionsbereiche gliedern: Ablauf von Lernprozessen, Raumkarte der aktuellen Umgebung und Hauptbestandteil des limbischen Systems, als der er an der emotionalen Bewertung von Ereignissen in der Umwelt des Organismus teilhat. Bei Schädigung werden etwa Inhalte aus dem Kurzzeitgedächtnis nicht mehr in das Langzeitgedächtnis übernommen.
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Hippocampus "entfaltet und kartiert"
Die Untersuchung des Hippocampus selbst gestaltet sich allerdings als äußerst schwierig, weil dieser eine Art kompakte Spirale bildet. Eine genaue Lokalisation von neuronaler Aktivität in einer bestimmten Hippocampus-Region ist somit auf den flachen Magnetresonanzbildern nicht möglich.

Wissenschaftler haben daher eine neue Technik entwickelt, mit der der Hippocampus "entfaltet" und flach dargestellt werden kann. Die Grenzen der einzelnen Regionen oder Funktionsbereiche werden markiert.

Weil die Regionen aber von Individuum zu Individuum subjektive Unterschiede aufweisen, wird zunächst eine subjektive Karte des Hippocampus mit seinen Bereichen erstellt, die dann auf die allgemein angefertigte Matrize übertragen wird.
Gesichter-Namen-Assoziationen getestet
Getestet wurde am Beispiel von Gesichtern und den dazugehörigen Namen: Das Team zeigte zunächst in einem "Lernblock" den zehn Probanden vier Mal hintereinander Bilder unbekannter Menschen zusammen mit deren Namen.

In einem zweiten Versuchsblock, einem "Abrufblock", wurden ihnen nur die Gesichter präsentiert und sie mussten die dazugehörigen Namen nennen. Zwischen den beiden Blocks gab es eine Zerstreuungsphase, die verhindern sollte, dass die Versuchspersonen die gesehnen Namen ständig wiederholten.
Drei Regionen fürs Speichern, eine fürs Abrufen
Während des Versuchs wurde die Aktivität in den einzelnen Regionen und Bereichen des Hippocampus registriert und ausgewertet.

Die Wissenschaftler konnten dabei innerhalb des Hippocampus den für das Lernen der Namen zuständigen Bereich - bestehend aus gleich drei einzelnen Bereichen (CA 2, CA 3 und Gyrus dentatus) - deutlich abgrenzen von der beim Abrufen der gelernten Informationen aktiven Region (Subiculum).
Positive Lernkurve zu beobachten
Zudem registrierten die Forscher eine positive Lernkurve bei den Versuchspersonen. Nach jedem "Speicher-Abruf-Block" nahm die Zahl der erfolgreichen Assoziationen zwischen Gesichtern und Namen zu.

Nahm die Menge der neuen Informationen dagegen ab, so sank laut Angaben der Wissenschaftler auch die Aktivität in den Regionen für das Speichern und Abrufen der Informationen.
->   UCLA School of Medicine
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01.01.2010