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Gendiagnostik: Die Problematik des Datenschutzes  
  Die Gendiagnostik bietet heute bereits viele Möglichkeiten zur Entdeckung erblich bedingter Krankheiten. Damit wächst aber nicht nur die Chance auf Heilung, sondern auch die Verantwortung für alle Betroffenen im Umgang mit dem sensiblen Datenmaterial. Der Lebensmittel- und Biotechnologe Albert Karsai beschreibt in einem Gastbeitrag für science.ORF.at in Kooperation mit "dialog<>gentechnik" die Problematik des Verhältnisses Gendiagnostik und Datenschutz.  
Gendiagnostik und Datenschutz
Gastbeitrag von Albert Karsai, dialog<>gentechnik

Die Entschlüsselung der menschlichen Erbinformation eröffnet der Humanmedizin und im Speziellen der genetischen Diagnostik scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten:

Konnte man in der Vergangenheit nur eine kleine Zahl von Erbkrankheiten sicher nachweisen, so könnte dies in Zukunft auf eine breite Palette von erblich bedingten Erkrankungen zutreffen. Selbst eine personalisierte, das heißt individuell maßgeschneiderte Therapie scheint denkbar.
Diagnose der Therapie weit voraus
Allerdings sind die Diagnosemöglichkeiten momentan den Therapiemöglichkeiten weit voraus. Aus dem Wissen um eine krankhafte genetische Veranlagung resultiert nicht automatisch die Möglichkeit zur erfolgreichen Behandlung.

Doch schon das bloße Wissen um eine Veranlagung kann bei rechtzeitiger Diagnose helfen: Das Ergreifen geeigneter Vorsorgemaßnahmen kann den späteren Ausbruch der Erkrankung möglicherweise verhindern oder zumindest das Risiko senken. Außerdem könnte durch den Fortschritt der Medizin zu einem späteren Zeitpunkt eine Therapie verfügbar sein.
Grundsätzliche Fragen sind noch ungelöst
Den erhofften Chancen stehen aber auch ernsthafte ethische Bedenken gegenüber: Wer bestimmt, was eine Krankheit ist und behandelt gehört? Behält der Einzelne die Entscheidungsfreiheit darüber, ob er/sie sich einem genetischen Test unterziehen möchte? Und was passiert mit den Daten, die sich aus einem solchen Test ergeben?
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Ein (fast) fiktives Fallbeispiel
Durch einen genetischen Test erkennt eine Ärztin bei einem älteren Patienten, Herrn Österreicher, die Veranlagung für eine lebensbedrohliche Erkrankung. Die Krankheit wäre im Frühstadium behandelbar und könnte in Zukunft durch neue Therapien sehr wahrscheinlich heilbar sein. Der Patient möchte jedoch keinerlei Information über seine Diagnose.

Da die genetische Anlage vererbbar ist, sind seine vier Kinder und die insgesamt elf (teilweise noch minderjährigen) Enkelkinder mit hoher Wahrscheinlichkeit auch betroffen. Wie soll die Ärztin mit ihrer Verpflichtung zu heilen und dem Recht des Patienten auf Nicht-Wissen umgehen? Informiert die Ärztin die Familienmitglieder, könnte auch Herr Österreicher indirekt von seiner Diagnose erfahren. Soll oder dürfen Familienangehörige über das Testergebnis des Großvaters informiert werden?
->   Weiter Fallbeispiele
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Die Verwaltung sensibler Daten
Bedingt durch die Fortschritte in der medizinischen Forschung steigt die Zahl der durchführbaren und durchgeführten Gentests rapide an. Wachsende Datenmengen sind die Folge, die nur mit Hilfe von Datenbanken verwaltet werden können. Sicherheit, Grad der Vernetzung und Zugriffsrechte dieser Datenbanken werden zum zentralen Thema werden.

Genetische Daten und deren Verwendung gelten als besonders sensibel, schließlich ist der Schutz persönlicher genetischer Daten vor Missbrauch nicht gesichert. Das genetische Profil einer jeden Person ist weltweit einzigartig - eine Anonymisierung daher nur bedingt möglich.
->   "Datenflut-Datenfluss-Datenschutz": Ein Diskurs-Beitrag der Juristin Gabriele Satzinger/BMSG
Drohender Datenmissbrauch?
Speziell Versicherungen oder Arbeitgeber haben begreifliches Interesse an diesen Daten, obwohl ihnen in Österreich von Gesetzes wegen ihre Annahme und Verwendung verboten ist. Dennoch stellt sich die Frage, wie Datenmissbrauch verhindert werden kann.
Problematik im öffentlichen Bewusstsein kaum vorhanden
Das öffentliche Bewusstsein für die Problematik der Erhebung, Nutzung und Speicherung persönlicher genetischer Daten ist trotz dieser Aspekte nach wie vor eher gering.

Mit den fortschreitenden Möglichkeiten, die die Gendiagnostik in Zukunft bieten wird, wird sich jeder Einzelne aber vermehrt den damit verbundenen gesellschaftlichen und ethischen Fragen stellen müssen. Denn davon betroffen ist jeder.
->   "Das Maß der Vernunft": Ein Diskurs-Beitrag von Michael Gnant/Univ.-Klinik für Chirurgie.
Zur Anregung der öffentlichen Diskussion
Aus diesem Grund organisiert die PR-Agentur communication matters zusammen mit Helge Torgersen (Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften), Ulrike Felt (Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung der Uni Wien) und dem wissenschaftlichen Verein dialog<>gentechnik eine BürgerInnenkonferenz zum Thema "Genetische Daten: woher, wohin, wozu?".

Bei dieser Veranstaltung stehen nicht ExpertInnen im Vordergrund, sondern BürgerInnen, die in Bezug auf das Thema Laien sind.
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"Genetische Daten: woher, wohin, wozu?"
Für die geplante BürgerInnenkonferenz steht das in Dänemark entwickelte Konzept der Konsensuskonferenzen Pate. Im Mittelpunkt steht ein Laienpanel aus 12 Personen, die Aufgrund eines Aufrufs in den Medien ausgewählt werden. Bei der Auswahl wird auf eine hinsichtlich des Geschlechts, der regionalen Herkunft, des Bildungsniveaus und des Alters ausgewogene Zusammensetzung geachtet. Interessierte BürgerInnen können sich bis 24.02.2003 für die aktive Teilnahme bewerben.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Mag. Cathren Müller/communication matters (Email: mueller@comma.at, Tel: 01/503 23 03 DW 24), oder

Dr. Barbara Streicher/dialog<>gentechnik (Email: streicher@dialog-gentechnik.at, Tel: 01/4277-53035)
->   Science.ORF.at: Bewerbung zur "Bürgerkonferenz Genetische Daten"
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1. Diskurstag im Vorjahr
Bereits im vergangenen Jahr fand der 1. Diskurstag im Rahmen des Österreichischen Humangenomforschungsprojektes GEN-AU im Wiener Naturhistorischen Museum statt.

Veranstalter waren das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie dialog<>gentechnik. Das Thema dieser Veranstaltung war "Gendiagnostik - was geht mich das an?".

In mehreren Diskussionsrunden diskutierten ExpertInnen und Betroffene wissenschaftliche, gesellschaftliche und ethische Fragen.
DI Albert Karsai arbeitet an der Koordinationsstelle für Öffentlichkeitsarbeit von "dialog<>gentechnik".
->   dialog<>gentechnik
->   "Gentechnik und Privatsphäre": Ein Diskurs-Beitrag von Christian Wirthensohn/ARGE Daten /ein PDF-File
->   Das österreichische Genomforschungsprojekte GEN-AU
Ein weiterer Beitrag von dialog<>gentechnik in science.ORF.at:
->   Mit und ohne Gentechnik: Zukunft der Lebensmittel
 
 
 
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01.01.2010