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Neue Diskussion um Konrad Lorenz  
  Dokumente, die seit Jahren im Österreichischen Staatsarchiv frei zugänglich sind, nun aber an die Öffentlichkeit gebracht wurden, lassen die Diskussion über die nationalsozialistische Vergangenheit von Konrad Lorenz erneut aufleben.  
Aufnahmeantrag in die NSDAP
Der Biologe und Wissenschaftsjournalist Benedikt Föger veröffentlicht in der Samstagsausgabe der "Presse" Teile des Aufnahmeantrags, den der spätere Nobelpreisträger Konrad Lorenz im Jahr 1938 an die NSDAP gestellt hat.

Bei den Dokumenten handelt es sich um Auszüge aus dem sogenannten "Gauakt" von Lorenz.Die Gauakten wurden vom "Gaupersonalamt" über Personen angelegt, die in irgendeiner Weise mit der NSDAP zu tun hatten.

Diese Akten lagerten bis Kriegsende in der NSDAP-Parteizentrale in München und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA an die zuständigen Behörden, in diesem Fall das Österreichische Innenministerium, übergeben.

Vor etwa zehn Jahren wurden die Akten ins Österreichische Staatsarchiv verlagert und sind, sofern der jüngste Aktenteil älter als dreißig Jahre alt oder die betroffene Person verstorben ist, frei zugänglich.
"Selbstverständlich war ich Nationalsozialist"
Im Fall von Konrad Lorenz enthält der Akt unter anderem einen handschriftlich ausgefüllten "Personal-Fragebogen zum Antragschein auf Ausstellung einer vorläufigen Mitgliedskarte und zur Feststellung der Mitgliedschaft im Lande Österreich" der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) vom 28. 6. 1938. (Die Mitgliedschaft wurde dann auf 1. 5. 1938 vordatiert).

Unter "Angaben des Antragstellers über sonstige Tätigkeit für die NSDAP" führt der Arzt und Biologe Lorenz aus: "Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist und aus weltanschaulichen Gründen erbitterter Feind des schwarzen Regimes".
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Konrad Lorenz im Wortlaut
Angaben des Antragstellers über sonstige Tätigkeit für die NSDAP:

"Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist und aus weltanschaulichen Gründen erbitterter Feind des schwarzen Regimes (nie gespendet oder geflaggt) und hatte wegen dieser auch aus meinen Arbeiten hervorgehenden Einstellung Schwierigkeiten mit der Erlangung der Dozentur.

Ich habe unter Wissenschaftlern und vor allem Studenten eine wirklich erfolgreiche Werbetätigkeit entfaltet, schon lange vor dem Umbruch war es mir gelungen, sozialistischen Studenten die biologische Unmöglichkeit des Marxismus zu beweisen und sie zum Nationalsozialismus zu bekehren.

Auf meinen vielen Kongress- und Vortragsreisen habe ich immer und überall mit aller Macht getrachtet, den Lügen der jüdisch ¿ internationalen Presse über die angebliche Beliebtheit Schuschniggs und über die angebliche Vergewaltigung Österreichs durch den Nationalsozialismus mit zwingenden Beweisen entgegenzutreten.

Dasselbe habe ich allen ausländischen Arbeitsgästen auf meiner Forschungsstelle in Altenberg gegenüber getan. Schließlich darf ich wohl sagen, dass meine ganze wissenschaftliche Lebensarbeit, in der stammesgeschichtliche, rassenkundliche und sozialpsychologische Fragen im Vordergrund stehen, im Dienste Nationalsozialistischen Denkens steht."
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Bekannte NSDAP-Mitgliedschaft
Die NSDAP-Mitgliedschaft von Konrad Lorenz ist seit langem bekannt und wird von einigen Lorenz-Schülern lediglich als Teil der Karriereplanung eines damals jungen Wissenschaftlers gesehen.

Als stärkste Hinweise auf ein Naheverhältnis von Konrad Lorenz zum Nationalsozialismus galten bislang die sogenannten "Berlin Documents" aus dem Deutschen Staatsarchiv.

Diese Berliner Dokumente illustrieren vor allem den wissenschaftlichen Werdegang des Verhaltensforschers während der NS-Zeit - die nun vorliegenden handschriftlichen Dokumente liegen den Berliner Akten jedoch nicht bei.
Die "Verhausschweinung" des Menschen
Viel Aufsehen erregte zur Zeit der Nobelpreisverleihung im Jahr 1973 und danach vor allem eine wissenschaftliche Arbeit von Konrad Lorenz aus dem Jahr 1940.

Unter dem Titel "Durch Domestikation verursachte Störungen arteigenen Verhaltens" ("Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde" (Band 59, 1940)) vergleicht Konrad Lorenz die Degenerationserscheinungen von Haustieren mit angeblichen Verfallserscheinungen bei Großstadtmenschen.
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Rassenpflege
Da heißt es etwa: "Das immer von neuem mögliche Auftreten von Menschen mit Ausfällen im arteigenen sozialen Verhalten bildet eine Schädigung für Volk und Rasse, die schwerer ist als die einer Durchmischung mit Fremdrassigen, denn diese ist wenigstens als solche erkennbar und nach einmaliger züchterischer Ausschaltung nicht weiter zu fürchten. Sollte sich ... herausstellen, dass unter den Bedingungen der Domestikation ... der Wegfall der natürlichen Auslese ... die Unausgeglichenheit der Stämme verschuldet, so müsste die Rassenpflege dennoch auf eine noch schärfere Ausmerzung ethisch Minderwertiger bedacht sein..."

Und er führt weiter aus:

"Die Unbeliebtheit der sich eine Auslese 'auf Anständigkeit' anmaßenden Menschen wird dann sehr verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass sie eine biologische Rolle übernehmen, die in der Vorzeit der Menschheit von feindlichen Außenfaktoren gespielt wurde. Dennoch muss diese Rolle von irgendeiner menschlichen Körperschaft übernommen werden, wenn die Menschheit nicht mangels auslesender Faktoren an ihren domestikationsbedingten Verfallserscheinungen zugrunde gehen soll. Der rassische Gedanke als Grundlage unserer Staatsform hat schon unendlich viel in dieser Richtung geleistet."
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Politische Naivität als Entschuldigung
Als Entschuldigung für derartige Sätze führte Lorenz später einmal seine politische Naivität ins Treffen. Aus einem Gespräch von Konrad Lorenz mit Franz Kreuzer stammt die vielzitierte, weil seltene, Rechtfertigung von Konrad Lorenz:

"Dass die Leute 'Mord' meinten, wenn sie 'Ausmerze' oder wenn sie 'Selektion' sagten, das habe ich damals wirklich nicht geglaubt. So naiv, so blöd, so gutgläubig ¿ nennen sie es wie sie wollen ¿ war ich damals."
Dozentur zurückerhalten
"Die Presse" zitiert ein weiteres Dokument aus den Nachkriegsjahren. Wie jeder im öffentlichen Dienst Tätige wurde Konrad Lorenz auf seine Vergangenheit im NS-Staat hin überprüft.

Im Jahr 1949 bescheinigte die Sicherheitsdirektion des Landes Niederösterreich, dass Konrad Lorenz "sowohl in moralischer als auch staatsbürgerlicher Hinsicht einen sehr guten Leumund genießt".

Er habe wohl ein Aufnahmeansuchen in die NSDAP gestellt, doch sei ihm "niemals eine Mitgliedskarte ausgehändigt" worden. Daher könne "von einer rechtswirksamen Aufnahme in die NSDAP nicht gesprochen werden". Lorenz unterlag somit trotz der beim Innenministerium erliegenden NS-Aufzeichnungen nicht der Registrierungspflicht und erhielt seine Dozentur zurück.
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Lesen Sie dazu einen Kommentar, den Univ. Prof. Dr. Kurt Kotrschal, der Direktor der Konrad Lorenz Forschungsstelle Grünau für ORF ON science verfaßt hat:
->   Konrad Lorenz: Ein Bild ohne Illusionen
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->   Artikel in "Die Presse" - Spectrum
 
 
 
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01.01.2010