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Ursprung der einzigartigen Madagaskar-Fauna geklärt  
  Die Fauna von Madagaskar wird wegen ihrer Einzigartigkeit von Wissenschaftlern wie Naturliebhabern gleichermaßen geschätzt. Aufgrund der fehlenden Fossilien war allerdings bislang völlig unklar, wie beispielsweise die Säugetiere von Madagaskar ihren Weg auf die Insel im indischen Ozean gefunden haben. Eine neue Studie zeigt nun, dass die gesamte Ordnung der Raubtiere von einer einzigen Art abstammt, die vor 24 bis18 Millionen Jahren die Insel besiedelte.  
Die Veröffentlichung der Arbeitsgruppe um Anne Yoder und John Flynn vom Field Museum of Natural History, Illinois, widerlegt nicht nur die bisher gängigen Theorien der tierischen Besiedlung und Verbreitung, sondern wirft auch ein völlig neues Licht auf die Verwandtschaftsverhältnisse der dort ansässigen Fauna.
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"Single origin of Malagasy Carnivora"
Die Veröffentlichung "Single origin of Malagasy Carnivora from an African ancestor" von Ann Yoder, John J. Flynn und Mitarbeitern erschien im aktuellen Heft des Wissenschaftsmagazins "Nature" (Band 421, Seiten 734-37, Ausgabe vom 13.2.2003).
->   Zum Abstract der Veröffentlichung
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Madagassische Juwelen
Für Biogeografen ist die Fauna und Flora von Madagaskar ein Grund, um ins Schwärmen zu gelangen. Denn die Pflanzen- und Tierwelt ist ein biologischer Kosmos für sich. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von so genannten Endemiten, i.e. Lebewesen, die nur in einem bestimmten, eng umgrenzten Gebiet (und sonst nirgends) vorkommen.

Solche Juwelen biologischer Einzigartigkeit hat Madagaskar genug zu bieten: Etwa 85 Prozent aller Pflanzenarten sind endemisch, in manchen Tiergruppen sind es bis zu 100 Prozent.
Ansässige Arten ersetzen "Planstellen" des Festlandes
Madagaskar spaltete sich vor etwa 165 Millionen Jahren vom afrikanischen Festland ab. Heute beträgt die Distanz zum Kontinent etwa 350 Kilometer.

Die etwa 100 verschiedenen Säugetierarten der drittgrößten Insel der Erde können vier Ordnungen zugerechnet werden, nämlich Raub- und Nagetieren, Insektenfressern sowie Primaten.

Interessant dabei ist, dass zwar gewisse Arten gänzlich fehlen, deren ökologische "Planstelle" aber mit verblüffenden Details durch völlig andere Tiergruppen ersetzt werden - ein Lehrbuchbeispiel für die so genannte Konvergenz in der Evolution.
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Konvergente Evolution auf Madagaskar
Ein Beispiel hierfür ist etwa das Fingertier, das mit seinem dünnen, verlängerten Mittelfinger im Holz lebende Insektenlarven herausangelt und so die ökologische Planstelle der in der Madagassischen Subregion fehlenden Spechte vertritt.

Ein anderes Beispiel sind die Tanreks, ursprünglich eine Gruppe von Insektenfressern, die mit ca. 30 Arten nur auf Madagaskar und den umliegenden Inseln vorkommen. Darunter finden sich Arten von Spitzmaus- und Igelhabitus, Maulwurf-ähnliche, grabende Formen und sogar mit Schwimmhäuten versehene, Otter-ähnliche Gattungen.
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Besiedlung: Zwei konkurrierende Theorien
Was die Besiedlung der Insel betrifft, gab es bisher zwei konkurrierende Erklärungsansätze: Die erste Theorie besagte, dass bereits vor der Abspaltung vom afrikanischen Kontinent sämtliche Säugetiergruppen vorhanden waren.

Gemäß dem zweiten Modell sollten diese die Insel erst in der Zeitspanne von 45 bis 26 Millionen Jahren vor unserer Zeitrechnung via einer Landbrücke erreicht haben.
Beide erweisen sich als falsch
Nach den Ergebnissen der amerikanischen Zoologen sind beide Theorien falsch: "Unsere Forschungen haben ergeben, dass alle Arten der Madagassischen Raubtiere einen eigenständigen evolutionären Zweig repräsentieren, der durch ein einmaliges Ereignis entstanden ist", sagt John Flynn, Co-Autor der "Nature"-Veröffentlichung.
Gründerart kam vor 20 Millionen Jahren
Die Besiedlung soll gemäß der Meinung von Anne Yoder und ihren Mitarbeitern vor etwa 24 bis 18 Millionen Jahren stattgefundnen haben.

In Ermangelung fossiler Funde mussten zur Klärung des "Madagaskar-Mysteriums" - wie es der Anatom David Krause in einem Kommentar ausdrückte - genetische Daten herangezogen werden. Die amerikanischen Zoologen verglichen die Sequenzdaten von vier Genen bei 20 verschiedenen Spezies.

 
Bild: Marlene Hill Donnelly, Field Museum

Besiedlung und Stammbaumverhältnisse der Madagassischen Gründerart.
Reise über das Meer gelang durch "Torpor"
Die statistische Analyse ergab, dass so unterschiedliche Raubtiere, wie etwa die Puma-ähnliche Frettkatze oder der indische Mungo auf eine einzige Spezies zurückgehen, die wiederum den heute lebenden afrikanischen Frettchen geähnelt haben soll.

Wie diese Art den weiten Seeweg überquert hat, ist freilich unbekannt. Anne Yoder und ihr Team spekulieren, dass eine Eigenschaft eine wichtige Rolle gespielt haben muss, die charakteristisch für viele Singvögel und Kleinsäuger ist:

Der Torpor - ein physiologischer Zustand, bei dem die Körper gewissermaßen auf Sparflamme gehalten wird und somit Phasen des Nahrungsmangels zu überdauern hilft.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Field Museum of Natural History, Illinois
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01.01.2010