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Dampfmaschine: Unterhaltung und nützliche Erfindungen  
  1722 wird in Wien die erste Dampfmaschine in Betrieb genommen. Die seltsame "Feuermaschine" erweckt rasch das Interesse der höfischen Elite, wie der Kulturwissenschaftler Thomas Brandstetter - derzeit Junior Fellow am IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien - in einem Gastbeitrag für science.ORF.at schreibt. Doch auch der Nutzen solcher Erfindungen sei langsam in den Vordergrund gerückt - ein Kreuzungspunkt zweier verschiedener Arten, Maschinen zu betrachten und zu verstehen.  
Demonstrative Apparate
Bild: IFK
Ein Beitrag von Thomas Brandstetter

1721 kehrte Joseph Emanuel Fischer von Erlach, Sohn des berühmten Hofarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach, von einer mehrjährigen Studienreise nach Wien zurück. Diese Reise, die vom Hof mit einem großzügigen Stipendium unterstützt worden war, hatte ihn über Rom, Paris, Leyden, London und Kassel geführt.

Unterwegs besichtigte er nicht nur wichtige Baudenkmäler, er machte auch die Bekanntschaft der wissenschaftlichen Größen seiner Zeit. Besonders interessiert zeigte sich Fischer von Erlach an technischen Fragen.

Und sein Ruf in diesen Dingen muss 1721 bereits so groß gewesen sein, dass er - kaum nach Wien zurückgekehrt - mit einem gewagten Projekt beauftragt wurde: für die Entwässerung der überfluteten Bergwerke bei Königsberg in Ungarn sollte er eine jener atmosphärischen Dampfmaschinen bauen, die seit kurzem in englischen Bergwerken im Einsatz waren.
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Vortrag am Wiener IFK: "Demonstrative Apparate"
Am Montag, 03. März 2003, um 18:00 Uhr spricht Thomas Brandstetter (IFK_Junior Fellow) zum Thema "Demonstrative Apparate. Zum Diskurs der materiellen Kultur der Wissenschaft im 18. Jahrhundert". Am Am IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Reichsratsstr. 17, 1010 Wien.
->   Weitere Informationen zum Vortrag in www.ifk.ac.at
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Die Maschine im Garten
Die seltsame "Feuermaschine" erweckte rasch auch das Interesse der galanten Welt: Fürst Adam von Schwarzenberg, der gerade den Garten seines Palais vom älteren Fischer neu gestalten ließ, orderte eine ebensolche Maschine, um die Wasserversorgung der Springbrunnen des Parks zu gewährleisten.

Bereits 1722, zwei Jahre bevor die Königsberger Maschine fertiggestellt war, konnte die Dampfmaschine in Betrieb genommen werden und erzeugte sofort beträchtliches Aufsehen. Ein zeitgenössischer Reisebericht befand, diese "fast jedermann bekannte Feuermaschine" sei "das Curiöseste, was man in diesem Garten sehen kann".

Die frühe Dampfmaschine stand somit am Kreuzungspunkt zweier verschiedener Arten, Maschinen zu betrachten und zu verstehen.
Unterhaltsame Technik
Einerseits wurde sie als Spektakel wahrgenommen, das nicht nur die aufwändigen Wasserspiele des barocken Garten betreiben konnte, sondern gleichzeitig auch selbst eine Attraktion darstellte.

In Europa gab es nur wenig vergleichbare Geräte, und die meisten davon standen in England. Als Schmuckstück in der Kuriositätensammlung des Fürsten diente die Wiener "Feuermaschine" daher auch der Unterhaltung einer höfischen Elite.
Der Einsatz aller Elemente
Besonders fasziniert zeigte man sich dabei über die Tatsache, dass zum Betrieb dieser Maschine alle vier Elemente eingesetzt wurde: das Feuer war die Antriebskraft, die Luft trieb durch Ausdehnung den Kolben, das Wasser fügte neue Luft hinzu und aus Metall schließlich waren die Gefäße, welche die anderen Stoffe einschlossen.

Diese Argumentation näherte die Dampfmaschine an die vielfältigen Versuche zur Konstruktion eines Perpetuum mobiles an, die zu jener Zeit vorgebracht wurden. Die Maschine wurde dabei als Nachbildung der Welt im Kleinen verstanden.
Nützliche Erfindungen
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es aber noch eine andere Möglichkeit, über Maschinen zu reden. Abseits der theatralischen Inszenierungen der höfischen Gesellschaft wurden sie nämlich auch für jene Verwaltungsbeamten interessant, die sich im Zuge merkantilistischer Reformen um eine Stärkung der Wirtschaftskraft des Staates bemühten.

Das Interesse dieser Akteure richtete sich auf den möglichen Nutzen der Maschinen. Auch die Dampfmaschine musste sich dem unterordnen: schließlich wurde sie nicht nur zur Bewässerung von Gärten eingesetzt, sondern auch zur Entwässerung von Bergwerken.

Mit dem Kontext änderte sich auch der Blickwinkel, unter dem sie betrachtet wurde: nun rückt ihre Leistung in den Vordergrund. Die neue Technologie, die extrem unzuverlässig arbeitete und nur von wenigen verstanden wurde, musste sich ja erst gegen traditionelle Systeme wie etwa Pferdepumpwerke durchsetzen.
Entstehung eines Expertenwissens
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde diese nutzenorientierte Sicht auf Maschinen vor allem von den Vertretern der experimentellen Philosophie betrieben. Ausgestattet mit einem soliden mechanischen Wissen gingen sie daran, die Vorteile der neuen Technologie zu bewerben.

Dabei versuchten sie gleichzeitig, ihr Wissen als das einzig legitime zu etablieren. Die neuen Techniken der Darstellung, die sie dabei entwickelten, bereiteten den Boden für eine Reformulierung theoretischer Konzepte. Diese Entwicklung gipfelte Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich in der Formulierung des Begriffs der "mechanischen Arbeit".
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Informationen zum Autoren Thomas Brandstetter
Thomas Brandstetter studierte Philosophie an der Universität Wien, seit 2002 ist der Doktorand der Kulturwissenschaft an der Universität Weimar. Als Junior Fellow untersucht er derzeit in einem Forschungsprojekt ("Vom Spektakel zum Artefakt: Historische Epistemologie des Barometers") am IFK Wien die Entstehung und Ausbreitung des Barometers als einem der wichtigsten wissenschaftlichen Instrumente der Neuzeit.

Publikationen: U. a. Canst thou remember a time before we came unto this cell? Foucault mit Benjamin, in: Marvin Chlada/Gerd Dembowski (Hg.): Das Foucaultsche Labyrinth (Aschaffenburg 2001).
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->   Weitere Gastbeiträge von IFK-Fellows in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010