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Neuerscheinung über Klima und Alltag im Mittelalter  
  Die Erkenntnis, dass Klima und Umwelt wesentlichen Einfluss auf das Leben im Mittelalter hatten, setzt sich langsam auch bei Historikern durch. Einen neuen Anlauf hat nun der Göttinger Landesgeschichtler Ernst Schubert unternommen - in seinem Buch "Alltag im Mittelalter" beschreibt er etwa ein England, in dem Ölbäume wachsen, und die Abfallentsorgungsproblematik mittelalterlicher Großstädte.  
Das Mittelalter war nicht so kalt und finster, wie Renaissance und Aufklärung immer wieder zu vermitteln suchten. Von 500 bis 1200 gab es in Europa eine Wärmezeit, die um das Jahr 1000 ihren Höhepunkt hatte.

Im 8. und 9. Jahrhundert wuchsen in England Ölbäume. In dieser Zeit lag die Temperatur im Jahresdurchschnitt um ein Grad Celsius höher als 1900.
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Informationen zum Buch
Autor: Ernst Schubert
Titel: "Alltag im Mittelalter. Natürliches Lebensumfeld und menschliches Miteinander"
Erschienen im Primus Verlag, Darmstadt
423 S., 35,90 Euro, ISBN 3-89678-424-2
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Beispiel Island: Kleinere Gletscher als heute
Was sich unbedeutend anhört, hat gravierende Folgen. Die ersten Siedler Islands hatten weit kleinere Gletscher vor sich als in heutiger Zeit. Grönland war damals in der Tat noch das "grüne Land" und nicht das wüste Eisland. Die Sommer waren länger, der landwirtschaftliche Anbau intensiver.

Seit 1300 wurde es kälter in Europa. Die Normannen gaben die Besiedlung Grönlands auf. Die landwirtschaftliche Produktion musste zurückgefahren werden, die südliche Ostsee fror 1303 und 1306 zu, Vorboten der "kleinen Eiszeit" zwischen 1550 und 1850.
Bohrungen im Gletschereis zeigen Temperaturen
Die Bohrungen im Gletschereis, im "Klimaarchiv", verdeutlichen: Die Durchschnittstemperatur sank von 12,1 Grad im Jahr 1000 auf 11,5 Grad Celsius 1150 und auf 11 Grad 1450, um dann ab 1850 langsam wieder auf 11,7 Grad im Jahr 1940 zu steigen.
Der Einfluss von Klima und Umwelt

Die Erkenntnis, dass Klima und Umwelt wesentlichen Einfluss auf das Leben im Mittelalter hatten, setzt sich langsam auch bei Historikern durch. Einen neuen Anlauf unternimmt der Göttinger Landesgeschichtler Ernst Schubert in seinem Buch "Alltag im Mittelalter" - quasi eine "Fortsetzung" der "Lebensformen im Mittelalter" von Arno Borst.

So waren bereits die Stadtbewohner im Hoch- und Spätmittelalter angesichts der hohen Bebauungsdichte jener Zeit vor ein nahezu modern anmutendes Umweltproblem gestellt: Die Abfälle des Einzelnen waren Probleme der Allgemeinheit.

Der Nachttopf wurde aus dem Fenster in die Gasse geleert, die Abfälle wälzten sich vielerorts durch die Stadtbäche. Der Gestank war unerträglich und Thema in London ebenso wie in Braunschweig, in Würzburg wie in Nürnberg.
Wie man vor lauter Dreck "irstenkte"
Dabei schlossen sich urbanes Leben und agrarische Nutzung nicht aus. "In einer Stadt mittlerer Größe, in Goslar, wurde 1427 dem Bürger, in dessen Brot zwölf Personen standen, erlaubt, sechs Kühe und acht Schafe in der Stadt zu halten."

Das wurde ab der Mitte des 15. Jahrhunderts insbesondere in den damaligen Großstädten wie Köln oder Frankfurt wieder stark eingedämmt, weil die Menschen vor allem wegen des Schweinedrecks, der in ihren Kleidern haftete, fast "irstenkten" (erstunken).

Wie der Titel schon andeutet, teilt Schubert sein Buch in zwei Teile: in klimatisch-umweltrelevante Lebensbedingungen und in Zwischenmenschliches. Und beides kann man, das so zeigt der Autor, wissenschaftlich und zugleich spannend erzählen - garniert mit einem guten Schuss Ironie und Humor.

(Ruppert Mayr, dpa)
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01.01.2010