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Die wunderbare Welt der Quanten  
  "Die Welt ist alles, was der Fall ist", sagt Ludwig Wittgenstein. "Und alles, was der Fall sein kann", ergänzt Anton Zeilinger. Der österreichische Quantenphysiker und science.ORF.at-Host hat den berühmten ersten Satz aus dem "Tractatus" zum letzten seines soeben erschienenen Buches gemacht: "Einsteins Schleier. Die neue Welt der Quantenphysik". In dieser Welt regieren nicht mehr Wirklichkeiten, sondern Wahrscheinlichkeiten.  
Der Zufall führt Regie

Hat also nun die Philosophie ihr Vorrecht auf tiefschürfende Erkenntnis in der Zwischenzeit an die Quantenphysik abgetreten? - wollte science.ORF.at von Anton Zeilinger in einem Gespräch über sein Buch wissen.

Wir - und vor allem die Leser seines Buches - erfahren vom Autor, dass die Liebe zur Weisheit nach einem Jahrhundert Quantentheorie mit der Einsicht in eine Welt der Wahrscheinlichkeiten zu tun hat, in welcher der Zufall Regie führt.
Die Beobachtung erzeugt das, was wir sehen
"Die Welt ist alles, was der Fall sein kann, weil quantenmechanische Experimente gezeigt haben, dass es keine objektive Realität in ihr zu entdecken gibt. Erst die Beobachtung oder die Messung erzeugt das, was wir sehen."

So können Quantenphysiker mit unterschiedlichen Experimenten zeigen, dass Licht einmal aus einer Welle besteht, das andere Mal aus Teilchen, erklärt Zeilinger.
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Das Buch
Anton Zeilinger: Einsteins Schleier. Die neue Welt der Quantenphysik. - München: C.H. Beck Verlag. München. 2003
->   Mehr über das Buch im Beck Verlag
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Ursache-Wirkungs-Prinzip bricht zusammen
"Und die Quanten, die kleinsten nicht mehr zerlegbaren Einheiten in der Natur, verhalten sich auch zufällig, d.h. das fundamentale Ursache-Wirkungs-Prinzip bricht zusammen, die Dinge geschehen ohne wohldefinierte Ursache."

Der radioaktive Zerfall eines Atoms, so Zeilinger, erfolge in zufälligen Quantensprüngen, und man könne für diese Quantensprünge einfach keine Ursache finden.
"Nicht-deterministisches Weltbild viel spannender"
Aber, ist es nicht ein Wermutstropfen für einen Physiker, dem Zufall das Zepter für die Vorgänge in der Natur in die Hand zu geben? Das, so meint der Quantenteleporteur Zeilinger, sei eine Frage der persönlichen Einstellung.

"Einstein missfiel diese Vorstellung, deshalb behauptete er auch 'Gott würfelt nicht'. Daraufhin antwortete ihm Niels Bohr: 'Hören Sie endlich auf, dem Herrgott Vorschriften zu machen'. In seinem Buch schlägt sich der Autor Zeilinger auf Bohrs Seite und findet "persönlich ein nicht-deterministisches Weltbild viel spannender und auch sympathischer."
Wirklichkeit und Information: Zwei Seiten einer Medaille
Dennoch macht Anton Zeilinger auch Zugeständnisse an Einstein. "Irgendwie scheint es ja schon eine objektive Realität zu geben, denn das, was wir beobachten, existiert ja tatsächlich, z.B. der Tisch zwischen uns, aber die Realität entsteht eben nur durch unsere Beobachtung, sie kann nicht losgelöst gesehen werden von der Information, die wir über sie haben."

Wirklichkeit und Information bedingen einander und fließen ineinander über, sie sind nach Ansicht des Quantenphysikers zwei Seiten einer Medaille.
Eine Welt der Wahrscheinlichkeiten ...
Der Titel des Buches "Einsteins Schleier" bezieht sich übrigens auf eine Stellungnahme Einsteins zu einer zentralen Erkenntnis des französischen Physikers de Broglie. De Broglie hatte den Wellencharakter der Materie erkannt.

Einstein meinte damals, de Broglie habe mit dieser Theorie "einen Zipfel des großen Schleiers gelüftet, hinter dem sich die wirkliche Wirklichkeit verbirgt."
... was würde Einstein dazu sagen?
Quantenphysiker wie Niels Bohr oder eben Anton Zeilinger argumentieren hingegen, dass es hinter diesem Schleier nur Wahrscheinlichkeiten zu entdecken gibt, aber nichts Substanzielles.

"Es wäre spannend zu wissen, ob Einstein heute seine Ansicht revidieren würde", sagt der österreichische Quantenphysiker. "Ich würde viel geben, das zu wissen".
->   Die Beiträge von Anton Zeilinger für science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010