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Was Glühwürmchen sagen, wenn sie blinken  
  Die Frage, welche Botschaft sich hinter dem nächtlichen Blinken der Glühwürmchen verbirgt, hat wohl schon so manchem Insektenliebhaber Kopfzerbrechen bereitet. Amerikanische Biologen haben nun die Botschaft der lumineszenten Käfer enträtselt: Die Männchen einer bestimmten Leuchtkäferart signalisieren mit ihrem Blinkmuster die Güte ihres Hochzeitsgeschenks, das sie dem Weibchen im Falle einer Paarung überlassen werden.  
Ein Verhaltensmuster, das mitunter an die Gepflogenheiten der menschlichen Spezies erinnert: Die Weibchen wählen nämlich eher solche Männchen aus, deren Signale auf eine üppige Mitgift hoffen lassen.

Bei den Glühwürmchen der Art Photinus ignitus handelt es sich dabei um eine vergleichsweise kostengünstige Variante - eine Art Lunchpaket, das lebenswichtige Aminosäuren enthält. Dies berichten zwei Ökologen von der amerikanischen Tufts University.
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Female preference for male courtship flashes
Die Arbeit "Female preference for male courtship flashes in Photinus ignitus fireflies" von C.K. Cratsley und S.M. Lewis erschien in der Zeitschrift "Behavioral Ecology" (Band 14, Nummer1, Seiten 135-40).
->   Zum Originalartikel
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Prinzip Damenwahl
Wenn Männchen sich im Schweiße ihres Angesichts mit ihren Geschlechtsgenossen messen und Weibchen genüsslich den Erfolgreichsten zur Fortpflanzung auswählen, dann sind Soziobiologen in ihrem Element.

Im Wissenschaftsjargon wird dieses "Prinzip Damenwahl" als female choice bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine besondere Form der Selektion, nämlich die so genannte sexuelle Selektion.
Sexuelle Selektion erklärt "Luxusorgane"
Mit diesem Prinzip lässt sich allgemein erklären, warum z.B. männliche Pfauenvögel derart ausladende und bunt schillernde Schwanzfedern aufweisen.

Wie bereits Charles Darwin erkannt hat, lassen sich solche Luxusorgane nicht allein durch die natürliche Selektion begründen: Erst die gezielte Wahl der Weibchen führt dazu, dass solche Merkmale im Lauf der Generationen herausgezüchtet werden.
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Theorie: Zwei unterschiedliche Schulen
Wie solche Merkmale im Detail entstehen, ist allerdings noch immer Gegenstand von Diskussionen. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Schulen: Zum einen die auf den britischen Evolutionstheoretiker R. A. Fisher zurückgehende Auffassung, der zufolge extreme Organe durch einen einfachen Rückkoppelungsprozess ("runaway process") zwischen Weibchenpräferenz und deren Entsprechung im Erbgut der Männchen entstehen können.

Die andere Schule um den israelischen Biologen A. Zahavi stellt hingegen das Hindernis solcher Luxusorgane für deren Träger in den Vordergrund ("Handicap-Hypothese"). Demnach sind es die besonders fitten Individuen, die sich z.B. lange Schwanzfedern "leisten" können - und dies dem Weibchen signalisieren.
->   Mehr zur sexuellen Selektion (Univ. Stanford)
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Wie das Quaken des Mannes, so seine Fitness
Derartige Luxuserscheinungen müssen sich nicht auf die Optik beschränken. Viele Biologen betrachten etwa auch das Zwitschern der Singvögel oder das Quaken vieler Amphibien als ein Zur-Schau-Stellen der eigenen Fitness.

Aus einem ähnlichen Blickwinkel haben nun Christopher Cratsley und Sara Lewis von der Tufts University die Glühwürmchenart Photinus ignitus betrachtet.
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Glühwürmchen: Leuchtende Käfer dank Luciferins
Glühwürmchen sind nicht - wie etwa ihr Name vermuten lassen könnte - Würmer, sondern Käfer. Der Begriff "Leuchtkäfer" ist allerdings kein systematischer Begriff, da verschiedene Käfergattungen zur so genannten Biolumineszenz fähig sind. Diese Erscheinung baut auf der chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs Luciferins auf und unterliegt der nervösen Kontrolle des Tiers.
->   Mehr zu Leuchtkäfern (wikipedia.org)
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Blinkzeichen dienen der Partnerfindung
Dass die Blinkzeichen der Glühwürmchen ganz allgemein der Partnerfindung einer Art dienen, ist schon lange bekannt: "Bisher hat man sich allerdings auf die Unterschiede zwischen verschiedenen Arten konzentriert", meint Sara Lewis: "Diese Untersuchung ist die erste, die Differenzen innerhalb einer Art untersucht".
Brautgeschenk aus Proteinen
Um den Inhalt der blinkenden Botschaften im Detail zu verstehen, bezogen Lewis und Cratsley eine Besonderheit im Werbeverhalten der Käfer in ihre Betrachtungen ein. Die Männchen überreichen nämlich ihre Spermien in dafür vorgesehenen Paketen, so genannten Spermatophoren.

Das Besondere daran: Die Pakete enthalten nicht nur die Samenzellen, sondern auch wertvolle Proteine, an denen sich das Weibchen gütlich tun kann.

"Nachdem Glühwürmchen nicht mehr fressen, sobald sie erwachsen geworden sind", erklärt Cratsley, "stellt dieses Hochzeitsgeschenk eine zentrale Quelle von Nährstoffen für ein Weibchen mit seinen Eiern dar."
"Blinde" Heirat?
Dabei schließt sich folgende Frage an: Muss das Weibchen nun gewissermaßen die Katze im Sack kaufen oder kann es schon vor der Heirat die Qualität des Samenpakets abschätzen? Lewis und Cratsley neigen letzterer Variante zu.

Ihre Hypothese: Weibchen können anhand des individuellen Blinkmusters erkennen, ob ein werbendes Männchen ein stattliches Hochzeitsgeschenk zu bieten hat - oder eben nicht.
Weibchen prüfen Brautgeschenk anhand des Lichtsignals
Die Untersuchung ergab, dass die Weibchen länger andauernde Leuchtsiganle bevorzugten und dies wiederum von der Größe des Männchens abhing. Da große Männchen auch große Samenpakete produzieren, schien ihre Hypothese im Wesentlichen bestätigt.

Die beiden Autoren räumen in ihrer Publikation allerdings ein, dass es auch alternative Deutungsmöglichkeiten zur Erklärung dieses Zusammenhangs gibt. Diese nehmen auf genetische bzw. sensorische Faktoren Bezug.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Tufts University
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Erfolg bei Weibchen durch "Paarungs-Tricks"
->   Wie schalten Glühwürmchen das Licht an?
 
 
 
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01.01.2010