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Milchzähne als neue Stammzellen-Quelle  
  Einem glücklichen Zufall verdankt die Stammzellenforschung eine der wichtigsten Entdeckung der letzten Jahre: Ein amerikanischer Wissenschaftler untersuchte aus reiner Neugierde den ausgefallenen Milchzahn seiner sechsjährigen Tochter - und stellte dabei fest, dass sich in dessen Zahnmark kultivierbare Stammzellen befinden. Diese weisen einige sehr vorteilhafte medizinische Eigenschaften auf. Daher könnten Milchzähne schon bald als wichtige Stammzell-Quelle fungieren.  
Wie eine Arbeitsgruppe um Sontago Shi von den National Institutes of Health (NIH) berichtet, haben die Milchzahn-Stammzellen unter anderem das Potenzial, sich zu Knochen- oder Nervenzellen auszudifferenzieren. Aufgrund dessen erhofft man sich neue Impulse für klinisch-therapeutische Ansätze.
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"SHED: Stem cells from human exfoliated deciduous teeth"
Die Arbeit "SHED: Stem cells from human exfoliated deciduous teeth" erschien als Online-Vorabpublikation der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (DOI: 10.1073/pnas.0937635100).
->   Proceedings of the National Academy of Sciences
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Entdeckung von tragender Bedeutung
"Mediziner haben schon vor Jahren erfolgreich Stammzellen aus Nabelschnurblut gewonnen," meinte Sontago Shi vom Institute of Dental and Craniofacial Research der NHI im Rahmen einer Aussendung:

"Unsere Entdeckung ist dem in gewisser Weise ähnlich: Denn auch die Stammzellen in Zähnen sind höchstwahrscheinlich solche Überbleibsel früher Entwicklungsprozesse."
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Neue Stammzellen als "SHED" bezeichnet
Die Forscher prägten für ihren neuentdeckten Zelltypus das Akronym "SHED". Dieses steht für "Stem cells from human exfoliated deciduous teeth". Der Terminus "deciduous teeth" leitet sich wiederum vom lateinischen Begriff "Dentes decidui" ab, besser bekannt unter der Bezeichnung "Milchzähne".
->   Mehr zum Milchgebiss
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Forscher betonen Unterschiedlichkeit der Stammzell-Typen
Mit ihrem Kürzel "SHED" wollen die Forscher darauf aufmerksam machen, dass der Begriff "Stammzellen" immer wieder in einer Art und Weise gebraucht wird, als verberge sich dahinter ein einheitliches Phänomen.

Doch das Gegenteil ist der Fall: "Die Stammzellforschung ist innerhalb der letzten Jahre regelrecht explodiert", betont Shi. "Aber man spricht noch immer in allgemeinen Begriffen von adulten und postnatalen Stammzellen, als wären sie ein und das selbe. Tatsache ist aber, dass sie sich völlig unterschiedlich verhalten können - und darauf wollten wir hinweisen."
Zufall hilft der Forschung
Wie so oft in der Wissenschaft geht auch diese Entdeckung eines neuen Zelltypus auf das Konto des Zufalls. Wie Shi berichtet, lässt sich die ganze Angelegenheit auf einen Abend zurückführen, als seine damals sechsjährige Tochter einen Zahn verlor.

Dabei fiel Shi ein rötliches Gewebe im Inneren des Zahnes auf, das er am nächsten Tag im Laboratorium genauer untersuchte. Dabei handelte es sich um so genanntes Zahnmark, ein Gefäß- und nervenreiches Bindegewebe mit einer Viezahl unterschiedlicher Zelltypen.
Stammzellen aus Milchzähnen gewonnen
Einige Tage später, als seine Tochter neuerlich einen Milchzahn verlor, war Shi besser vorbereitet: Er versuchte, das gewonnene Zellmaterial in Nährmedium zu kultivieren.

Ferner gelang es ihm kurz darauf, Stammzellen aus der Zellkultur zu gewinnen. Wie die Forscher um Shi nun in ihrer Veröffentlichung berichten, haben pro Milchzahn etwa 12 bis 20 Stammzellen die Fähigkeit, unter solchen Kulturbedingungen weiterzuwachsen.
SHED teilen sich mit hoher Geschwindigkeit ...
Und das offensichtlich mit Erfolg: "Wir fanden heraus, dass sich SHED mit viel größerer Geschwindigkeit teilen, als dies bei Stammzellen aus dem Mark von permanenten Zähnen der Fall ist", erklärte der Erstautor der Studie, Masako Miura: "Dies weist darauf hin, dass sich SHED in einem noch ursprünglicheren Entwicklungszustand als adulte Stammzellen befinden."
... und differenzieren zu Fett- oder Nervenzellen
Muria und seine Kollegen konnten auch Proteine auf der Oberfläche der Zellen nachweisen, die anzeigen, dass sich diese in Knochenzellen umwandeln. Folgeuntersuchungen ergaben weiterhin, dass diese Zellen auch das Potenzial besitzen, sich in Nerven- oder Fettzellen auszudifferenzieren.

"Was diese Daten betrifft", betonte Sontago Shi, "befinden wir uns noch im Anfangsstadium: Wir versuchen nun vollständig herauszufinden, welche Zelltypen mit diesen Stammzellen hergestellt werden können."
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01.01.2010