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50 Jahre danach: Stanley Millers Ursuppe  
  Die Zeitungen überschlugen sich, als die Sensation am 15. Mai 1953 bekannt wurde. Der amerikanische Student Stanley Miller hatte eine "Ursuppe" aus einfachen, anorganischen Verbindungen zusammengekocht und darin einige Bausteine des Lebens erzeugt. Was längst Eingang in die Biologie-Lehrbücher gefunden hat, ist heute als Nachweis für den "Beginn des Lebens" freilich nicht unumstritten.  
Entstehung einer neuen Wissenschaft
Das historische Experiment mit seinen dramatischen Resultaten schien den Ausgangspunkt des Lebens auf der Erde klären zu können.

In der brodelnden Ursuppe waren nicht einfach irgendwelche chemischen Verbindungen entstanden. Vielmehr ließen sich Aminosäuren, Säuren und Harnstoff nachweisen - allesamt Schlüsselverbindungen lebendiger Organismen. Auf diese Weise begründete der damals 23-Jährige einen neuen Zweig der Wissenschaft - die Suche nach der Herkunft des Lebens.
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Beginn des Lebens auf Erde durch Meteoriten?
Inzwischen bezweifeln Geowissenschaftler zwar, dass die Bedingungen der Urerde jenen im Glaskolben von Stanley Miller glichen. Einige Forscher nehmen stattdessen an, dass organische Verbindungen mit Meteoriten auf die junge Erde gelangten. Dennoch behalten Millers Experimente ihre Bedeutung, zeigten sie doch, dass aus anorganischen Zutaten die Grundbausteine des Lebens entstehen können.
->   Mehr dazu in: Neue Hinweise - Ursprung des Lebens liegt im All (27.3.02)
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Das Experiment: Gase, Blitze, Wasserdampf ...
Bild: Science
Original-Glaskolben des Miller-Experiments
Heute arbeitet Miller an der Universität von Kalifornien in La Jolla. Das vor 50 Jahren im Fachblatt "Science" beschriebene Experiment versuchte, in einem einfachen Glaskolben die Verhältnisse auf der unwirtlichen Urerde nachzuahmen, über deren Ozeane Schwaden dichter Vulkangase zogen, während Blitze die Atmosphäre durchzuckten. Miller konstruierte einen gläsernen Kreislauf, in dem er nichts weiter als Wasser und die Gase Methan, Ammoniak und Wasserstoff zusammenbrachte.

In dem Kolben ließ Miller Wasser kochen, dessen Dampf sich mit dem Gasgemisch vermengte. Ein elektrischer Funkenschlag bildete Blitze nach. Auf der anderen Seite des Aufbaus kondensierte Miller den Dampf und ließ ihn wieder in den Kolben tropfen, wo der Kreislauf von neuem begann. Bereits nach zwei Tagen fand er die Aminosäure Glyzin in seinem Reaktionsgemisch, einen Bestandteil von Proteinen.
... führten zur Bildung von Aminosäuren
Miller wiederholte den Versuch und ließ die künstlichen Blitze eine Woche lang zucken. Dabei überzog sich die Innenwand des Kolbens mit einer öligen Flüssigkeit, das Wasser selbst färbte sich gelblich- braun. Erneut fanden sich Glyzin und weitere Aminosäuren.

Zusammen mit Harold Urey, der 1934 den Nobelpreis für Chemie bekommen hatte, entschied Miller, die Ergebnisse an "Science" zu schicken. Miller hatte dem berühmten Wissenschaftler nach einem von dessen Vorträgen seine Vorschläge für die Ursuppen-Experimente unterbreitet, und Urey unterstützte seinen jungen Kollegen nach anfänglicher Ablehnung.
->   Mehr über das Miller-Experiment
Heute Bestandteil jedes Biologie-Lehrbuchs
Der Nobelpreisträger wies "Science" persönlich auf die Bedeutung von Millers Arbeit hin und verzichtete auf die Co-Autorenschaft, weil dem jungen Chemiker anderenfalls zu wenig Beachtung zuteil geworden wäre, schreibt Jeffrey Bada von der Universität von Kalifornien in La Jolla in einem Rückblick auf die Geschichte jenes klassischen Experiments in "Science". Es ist heute in fast jedem Biologie-Lehrbuch nachzulesen.
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Der Artikel von Jeffrey Bada ist unter dem Titel "Prebiotic Soup - Revisiting the Miller Experiment" in "Science" (Bd. 300, Nr. 5620, S. 745-746, Ausgabe vom 2. Mai 2003) erschienen.
->   Zum Artikel
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Verbindungen zu Frankenstein-Motiv
Die Bedeutung des Artikels ging weit über akademische Kreise hinaus. Besonders faszinierend waren dabei die elektrischen Blitze, unter deren Einfluss die biochemischen Substanzen in der Ursuppe entstanden waren.

Die Öffentlichkeit konstruierte daraus eine Verbindung zwischen Strom und Leben, ein Motiv, dass sich auch schon in Mary Shelleys Frankenstein fand. Die Ursuppe fand schnell Eingang in Comic-Strips, Filme, Geschichten und Romane.
Historische Vorgänger
Die Vorstellung, dass einfache organische Moleküle aus anorganischen Vorstufen entstehen können, war gut begründet. 1828 hatte der deutsche Chemiker Friedrich Wöhler die Herstellung der organischen Verbindung Harnstoff aus Ammoniumcyanat beschrieben.

Damit widerlegte er die bis dahin angenommene Existenz einer "vis vitalis", einer eigentümlichen, universellen "Lebenskraft". Und bereits 1780 hatte der italienische Forscher Luigi Galvani zum ersten Mal das Zucken von Froschschenkeln unter dem Einfluss von Elektrizität beobachtet. In systematischen Untersuchungen stellte er fest, dass "dem Tier selbst Elektrizität innewohnt".

Thilo Resenhoeft/dpa
->   Stanley Miller an der University of California
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Experiment: Wie das Ammoniak in die Ursuppe kam (26.3.03)
->   Kontroverse Theorie zur Entstehung von Leben (4.12.02)
->   Leben aus dem All (28.5.01)
 
 
 
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01.01.2010