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Forscher erzeugen erstmals "Knockout-Ratten"  
  Lange Zeit war die Ratte liebster Modellorganismus der biomedizinischen Forschung. Doch ihr Erbgut erwies sich gezielten Manipulationen gegenüber resistenter als das von Mäusen: Die kleineren Nager liefen ihren großen Verwandten bald den Rang ab und machten als so genannte "Knockout-Mäuse" - Tiere, in deren DNA ganz bestimmte Gene ausgeschaltet oder mutiert waren - Karriere. Nun ist es Forschern erstmals gelungen, "Knockout-Ratten" zu erzeugen.  
Unter der Leitung von Michael Gould von der University of Wisconsin-Madison hat ein Forscherteam Ratten gezüchtet, deren Erbgut "begehrte" Mutationen aufweist: Diese machen die Tiere besonders empfänglich für Brustkrebs.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler wurden im Fachmagazin "Nature Biotechnology" veröffentlicht.
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"Production of knockout rats"
Der Artikel "Production of knockout rats using ENU mutagenesis and a yeast-based screening assay" ist als Online-Vorabpublikation in "Nature Biotechnology" vom 18. Mai 2003 (doi:10.1038/nbt830) erschienen.
->   "Nature Biotechnology"
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"Knockout-Mäuse" entthronen die Ratte
Über rund 100 Jahre waren Ratten das bevorzugte biomedizinische Tiermodell, an dem Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse auch zu menschlichen Erkrankungen gewannen.

Das änderte sich erst Mitte der 1980er Jahre: Forschern gelang es erstmals, eine so genannte "Knockout-Maus" zu erzeugen. Bestimmte Gene, die das Tier beispielsweise empfänglich für Krebserkrankungen machen, wurden gezielt ausgeschaltet, dem Erbgut hinzugefügt oder mutiert.

Die Technik führte zu enormen Fortschritten im Bereich der biomedizinischen Forschung und erlaubte genaueste Einblicke in die grundlegenden Mechanismen vieler Erkrankungen. In Folge entstanden neue Methoden der Krankheitsprävention und Behandlung.
Technik auf Ratten nicht anwendbar
Die Technik, mit der sich die in der Forschung begehrten Nager herstellen lassen, erwies sich in der Anwendung bei Ratten als schwierig.

Knockout-Mäuse entstehen, indem genetisch modifizierte Stammzellen trächtigen Weibchen eingepflanzt werden. Stammzellen von Ratten lassen sich dagegen nur schwer kultivieren - und entwickeln sich nicht wie gewünscht weiter, wenn sie schließlich eingepflanzt werden.
Mäuse: Nicht immer das beste Modell
Die Wissenschaftler hätten sich mit den - mittlerweile rund 5.000 verschiedenen - Knockout-Mäusen zufrieden geben können. Doch die kleinen Nager sind nicht unbedingt für alle menschlichen Erkrankungen das passende Tiermodell.

Nach Angaben des Studienleiters Michael Gould wird beispielsweise Brustkrebs besser an Ratten untersucht. "Tumoren in der Ratte zeigen ein Spektrum hormoneller Reaktionen, die denen bei Menschen ähnlich sind", erklärte der Wissenschaftler in einer Aussendung seiner Universität.
Knockout-Ratten mit mutierten Brustkrebs-Genen
Sein Team hat demnach Rattenstämme erzeugt, die mutierte Versionen der beiden berüchtigten Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 in sich tragen. Frauen, die diese fehlerhaften Gene aufweisen, haben ein deutlich höheres Risiko an Brustkrebs zu erkranken.
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Die Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2
Genetisch bedingter Brustkrebs ist relativ selten. Schätzungsweise fünf bis zehn Prozent aller Fälle werden durch Veränderungen an den Genen BRCA1 und BRCA2 hervorgerufen, die Tumore unterdrücken und Genschäden reparieren können. Ungefähr die Hälfte aller Frauen mit einer solchen Vorbelastung erkrankt irgendwann an Brustkrebs.

BRCA1 geriet vor allem wegen eines umstrittenen Patentes in die Diskussion, das das Europäische Patentamt bereits 2001 auf das Gen ausgestellt hatte. BRCA1 wurde 1990 auf dem Chromosom 17q lokalisiert und 1994 sequenziert, sodass nun die exakte Genstruktur und die dazu korrespondierende Aminosäurensequenz bekannt sind. Bis jetzt wurden mehr als 100 Mutationen in den 22 funktionellen Einheiten des BRCA1-Gens identifiziert.
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Ein - möglicher - große Vorteil der Ratten
Mäuse beispielsweise, die nur eine Kopie des fehlerhaften Gens aufweisen, entwickeln keinen Tumor. Bei manchen Frauen geschieht dies dagegen sehr wohl. Nun hoffen die Mediziner, dass bei den Ratten ebenfalls eine Genmutation ausreicht. Noch sind die Tiere allerdings zu jung, um dies untersuchen zu können.
Technik: Willkürliche Veränderung der DNA
Das Team um Michael Gould umging das Stammzell-Problem, indem die Forscher männlichen Ratten eine chemische Substanz injizierten, die zu Veränderungen im Erbgut der Tiere führt.

Durch bestimmte Analysemethoden gelang es den Forschern, Tiere mit Mutationen in Schlüsselgenen zu identifizieren - auf diese Weise entstanden schließlich auch die Knockout-Ratten mit mutierten Brustkrebsgenen.
Nachteil: Gezielte Manipulation kaum möglich
Nachteil der Technik ist allerdings die Willkürlichkeit der genetischen Mutationen. Zudem lassen sich auf diese Weise weder Gene hinzufügen, noch aktivieren. Experten halten es daher für unwahrscheinlich, dass Mäuse damit in nächster Zeit als wichtigstes Forschungsobjekt der Genetiker ersetzt werden könnten.
->   University of Wisconsin-Madison Medical School
Berichte über ktuelle Forschungen an Ratten in science.ORF.at:
->   Geräuschkulisse bremst Hirnentwicklung bei Ratten
->   Forscher entschlüsseln Auslöser für Sucht
->   Forscher entwickeln erste Hirnprothese
 
 
 
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01.01.2010