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Habermas, Derrida & Co fordern Erneuerung Europas  
  Die Philosophen Jürgen Habermas und Jacques Derrida haben zusammen mit anderen prominenten Intellektuellen aus mehreren Ländern eine Initiative für eine außenpolitische Erneuerung Europas gestartet. Namhafte Zeitungen in Europa unterstützten am Samstag diese Aktion.  
Die Initiative versteht sich als Reaktion auf den "Brief der Acht", mit dem US-Präsident Bush im Irak-Konflikt unterstützt wurde und der den Riss zwischen "altem" und "neuem" Europa fürs Erste zementierte.

Die Großaktion der alten Herren überrascht um so mehr, als sich in ihr Denker zusammenschließen, die zugunsten eines politischen Idealismus' ihre methodischen Gräben überbrücken (Habermas - Derrida, das ist auf den ersten Blick im schulphilosophischen Kontext ein nicht rasch auf einen einheitlichen Nenner zu bringendes Denker-Paar).
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Essay in FAZ und Libération
Habermas und Derrida begründeten in einem Gegenvorschlag zum "Brief der Acht", warum nach dem Irak-Krieg der geeignete Moment gekommen sei, um die europäische Rolle in der Welt neu zu definieren. Das Essay wurde am Samstag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Libération" (Paris) gedruckt.

In dem Brief vom Jänner hatten acht EU-Staaten und EU-Beitrittsländer unter Führung Großbritanniens und Spaniens ihre Unterstützung für die amerikanische Außenpolitik bekundet.

"Warum", fragen Habermas und Derrida, "sollte sich Europa nicht auch der weiteren Herausforderung stellen, eine kosmopolitische Ordnung auf der Basis des Völkerrechts gegen konkurrierende Entwürfe zu verteidigen und voranzubringen?¿ Die europaweiten Proteste gegen die USA Mitte Februar sehen beide als Geburtsstunde "einer neuen europäischen Öffentlichkeit".
->   FAZ-Artikel: Nach dem Krieg - Die Wiedergeburt Europas
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Eco, Muschg, Vattimo, Rorty und Co.
In enger Absprache mit den Philosophen veröffentlichten gleichzeitig mehrere andere namhafte europäische Zeitungen ergänzende Texte.

Der Schriftsteller Umberto Eco äußerte sich am Samstag in der italienischen "Repubblica", der schweizer Autor Adolf Muschg reagierte in der "Neuen Zürcher Zeitung". In der spanischen Zeitung "El Pais" und der italienischen "La Stampa" legten die Philosophen Fernando Savater und Gianni Vattimo ihre Vorstellungen dar. Der amerikanische Philosoph Richard Rorty antworte Habermas in der "Süddeutschen Zeitung".
Für eine kulturelle Vision
Was die Europäer verbinde, müsse zunächst in einem Kerneuropa geklärt werden, heißt es im Essay von Habermas und Derrida. "Vorangehen heißt nicht ausschließen. Das avantgardistische Kerneuropa darf sich nicht zu einem Kleineuropa verfestigen; es muss
- wie so oft - die Lokomotive sein", zitiert die "FAZ" die beiden Intellektuellen.

Eine außenpolitische Erneuerung Europas komme nicht ohne eine attraktive kulturelle Vision aus. "Die künftige Verfassung wird uns einen europäischen Außenminister bescheren. Aber was hilft ein neues Amt, solange sich die Regierungen nicht auf eine gemeinsame Politik einigen?", fragen Habermas und Derrida und fordern: "Im Rahmen der künftigen europäischen Verfassung darf und kann es keinen Separatismus geben. Vorangehen heißt nicht ausschließen. Das avantgardistische Kerneuropa darf sich nicht zu einem Kleineuropa verfestigen."

Die großen Antikriegsdemonstrationen, bei denen im Februar weltweit Millionen von Menschen gegen den drohenden Irak-Krieg protestiert hatten, gingen "als Signal für die Geburt einer europäischen Öffentlichkeit in die Geschichte" ein.
Alle [verlinbaren] Artikel zum Thema
Anm.: Die hier angegebenen Artikel sind jene, die ohne Abonnement online zur Verfügung stehen. Die angegebenen Links können je nach Online-Ausgabe ihre Aktualität verlieren.
->   Habermas/Derrida in der "FAZ"
->   Richard Rorty in der "Süddeutschen Zeitung"
->   Adolf Muschg in der "NZZ"
 
 
 
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01.01.2010