News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Wissen und Bildung 
 
Als die Menschheit vor dem Aussterben stand  
  Die Vielfalt innerhalb des menschlichen Genpools ist - zumindest im Vergleich mit unseren nahen Verwandten, den Schimpansen - relativ beschränkt. Der Grund: Alle heute lebenden Vertreter des Homo sapiens stammen möglicherweise von nicht mehr als 2.000 Individuen ab, die vor rund 70.000 Jahren lebten, so das Ergebnis einer aktuellen Studie. Zu diesem Zeitpunkt hätten Umweltkatastrophen oder schwere Krankheiten die Erdgeschichte demnach entscheidend beeinflussen können - mit dem Effekt, dass es heute keine Menschheit gäbe.  
Ein Forscherteam von der Russischen Akademie der Wissenschaften sowie den beiden US-Universitäten Stanford und University of Southern California hat sich spezielle Abschnitte des menschlichen Erbgutes genauer angesehen: die so genannten Mikrosatelliten-Marker, eine Art "Markierungsfähnchen" in der DNA.

Das Ergebnis der Wissenschaftler, publiziert im "American Journal of Human Genetics": Vor 70.000 Jahren - in etwa zum Zeitpunkt der Auswanderung aus Afrika - haben möglicherweise nur noch 2.000 Individuen des Homo sapiens sapiens gelebt.
...
"Features of Evolution and Expansion of Modern Humans"
Der Artikel "Features of Evolution and Expansion of Modern Humans, Inferred from Genomewide Microsatellite Markers" ist erschienen im "American Journal of Human Genetics", Bd. 72, Nr. 5, Seiten 1171-1186.
->   Abstract des Artikels (Am. J. Hum. Genet.)
...
Homo sapiens: Nahezu identes Erbgut
Anders als unsere nahen Verwandten, die Schimpansen, weisen alle heute lebenden Vertreter des modernen Menschen eine annähernd identische DNA auf.

Tatsächlich könnten - rein genetisch betrachtet - innerhalb einer Gruppe Schimpansen mehr Erbgut-Unterschiede festzustellen sein, als bei einem Vergleich aller sechs Milliarden menschlichen Erdenbewohner.
Genügend Zeit für genetische Unterschiede
Doch Schimpansen und Menschen sollen sich - so die gegenwärtige Lehrmeinung - vor etwa fünf bis sechs Millionen Jahren aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben.

Es wäre also auch für den Homo sapiens mehr als genug Zeit geblieben, substanzielle genetische Verschiedenheiten auszuformen.
Kleiner Genpool als Ursache?
Das Fehlen dieser Unterschiede könnte sich etwa damit erklären lassen, dass der menschliche Genpool in der "jüngeren" Vergangenheit stark reduziert wurde. Neue Beweise für diese These stellten nun die russischen und amerikanischen Forscher vor.
...
Der Mensch: Einziger Überlebender der Hominiden
Der moderne Mensch ist als einzige heute lebende Art übriggeblieben aus der weitverzweigten Familie der Hominiden. Die Evolutionsgeschichte des Homo sapiens ist allerdings längst nicht lückenlos. Als wahrscheinlich gilt jedoch, dass tatsächlich Afrika die vielbeschworene "Wiege der Menschheit" war: Mit dem Australopithecus, dem Affenartigen, begann dort vor etwa 4,2 Millionen Jahren unsere Entwicklung, vor mehr als zwei Millionen Jahren tauchte der Homo erectus auf und schließlich - vor rund 150.000 Jahren - der Homo sapiens. Nach der populären "Out-of-Africa"-Theorie stammen alle modernen Menschen von afrikanischen Vorfahren ab, die in die ganze Welt strömten. Zunächst wurden demnach Europa und Asien besiedelt, danach auch Amerika und Australien.
...
Erbgut-Abschnitte mit hoher Mutationsrate
Die von dem Forscherteam untersuchten so genannten Mikrosatelliten sind bei Genetikern, die nach feinen Unterschieden in der menschlichen DNA fahnden, recht beliebt. Denn diese kurzen Erbgut-Sequenzen weisen eine vergleichsweise hohe Mutationsrate auf.

Anhand der molekulargenetischen Marker lassen sich somit gut die feinen Abweichungen im Erbgut verschiedener Populationen nachweisen.

Es handelt sich um kurze Abschnitte der DNA, die aus sich wiederholenden Nukleotid-Einheiten bestehen - die Anzahl dieser Wiederholungen ist charakteristisch für ein Individuum innerhalb einer Population.
DNA-Proben aus 52 Regionen der Erde
Das Forscherteam studierte insgesamt 377 dieser Mikrosatelliten-Marker in DNA, die aus 52 Regionen rund um den Erdball stammte.
...
Enge Verwandte: Mbuti und Khosian
Die Analyse zeigte beispielsweise eine sehr enge genetische Verwandtschaft zwischen zwei afrikanischen Populationen: den Mbuti Pygmäen des Kongo-Beckens und den Khosian Buschmännern in Botswana. Nach Angaben der Forscher sehr wahrscheinlich "der älteste Zweig der modernen Menschen, die hier untersucht wurden". Laut Studie finden sich zudem Hinweise auf den Zeitpunkt, an dem sich in Afrika Jäger-Sammler-Populationen von den "Farmern" trennten - demnach liegt der Zeitpunkt zwischen 70.000 und 140.000 Jahre zurück.
...
Etwa 2.000 "Urahnen" der Menschheit
Den Schätzungen der Forscher zufolge stammen die heute auf der Erde lebenden Vertreter des Homo sapiens von einer (oder sehr wenigen) Population(en) mit etwa 2.000 Individuen ab.
Möglicherweise auch andere Populationen
"Diese Schätzung schließt die Gegenwart anderer Populationen des Homo sapiens sapiens in Afrika nicht aus, obwohl sie nahe legt, dass diese wahrscheinlich genetisch voneinander isoliert waren", heißt es laut BBC in der Studie.
Hätte der Homo sapiens aussterben können?
Haben die Forscher mit diesem evolutionären Szenario recht, dann stand die Menschheit damals relativ dicht am Rande des Aussterbens:

Denn schon eine größere Naturkatastrophe oder das Auftreten einer besonders verheerenden Erkrankung hätte den Homo sapiens zu einem kurzen Zwischenspiel der Evolution machen können.
->   Vavilov Institute of General Genetics
->   University of Southern California Molecular and Computational Biology
->   Stanford University Department of Biological Sciences
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Neue Studie: Neandertaler mischten sich nicht mit Menschen (13.5.03)
->   Älteste menschliche Fußabdrücke gefunden (13.3.03)
->   Ältester "Menschenvorfahre" gefunden (11.7.02)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010