News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Jetlag: Wenn der Körper zur falschen Zeit landet  
  In der Tourismus-Welt von heute haben ihn viele schon gespürt, mit Beginn der Urlaubszeit werden erneut viele Urlauber darunter leiden: Die Rede ist vom Jetlag. Die Ursachen dieser Störung der Inneren Uhr sind komplex, die neuesten Therapien dagegen vielversprechend einfach.  
Kleine Störung mit ernsten Folgen
Bereits eine Zeitverschiebung von einer Stunde hat Auswirkungen auf die "Innere Uhr": Sämtliche Körperfunktionen sind durcheinander und benötigen zumindest einen ganzen Tag zur Anpassung an die "Äußere Uhr". Spürbar sind: Übelkeit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Stimmungstief.

Bei einen Flug über mehrere Zeitzonen, wie zum Beispiel in die USA, ist die Innere Uhr eine ganze Woche lang verstellt. Mediziner diagnostizieren das als so genannte "Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung". Konkret heißt das: müde sein, wenn Tag ist, schlaflos sein in der Nacht.
...
Wie tickt die Innere Uhr?
Der Organismus als Uhrwerk - dieser Vergleich ist griffig und bewährt, gleichwohl ist die Realität ungleich komplexer. Die Wissenschaft der Chronobiologie kennt mittlerweile eine Vielzahl von Regelsystemen, die im rhythmischen Auf und Ab unser Leben beeinflussen.

Dazu gehören Körpertemperatur, Blutdruck, Herzschlag, Gehirnwellenaktivität und die Ausschüttung von Hormonen. Die bekanntesten sind das Stresshormon Cortisol, das tagsüber stark ausgeschüttet wird, oder das Zirbeldrüsenhormon Melatonin, das dagegen in der Nacht aktiviert wird. Gesteuert werden Melatonin und Co durch das Tageslicht, dem stärksten Zeitgeber der "Äußeren Uhr".
...
Der Fluch der Globalisierung
Während Urlauber Zeit zur Anpassung haben, erleben Vielflieger wie etwa Manager, Politiker, Spitzensportler und Flugpersonal oft mehrmals hintereinander die Verschiebung ihres Schlaf-Wach-Rhythmus. "Durch ständigen Jetlag wird die Störung gleichsam angelernt", erklärt der Schlafforscher Bernd Saletu vom AKH Wien.

Die irritierte Innere Uhr führt zu Schlafstörungen und zur vielfältigen Schwächung des Organismus. Hirnforscher diagnostizieren beispielsweise einen Rückgang von Orientierungsvermögen und Gedächtnisleistung, sogar eine Schrumpfung des Schläfenlappens des Gehirns.

Auch psychische Folgen sind bekannt: Michael Lehofer vom Psychiatrischen Krankenhaus Graz: "Bei anfälligen Personen kann ein Jetlag sogar eine depressive Phase auslösen." Der Grund dafür: Chronobiologen sehen in der Depression ebenfalls eine Störung der Inneren Zeitstruktur - wie beim Jetlag.
Zwischen Sommerzeit und Schichtarbeit
Störungen der inneren Zeitstruktur, des Schlaf-Wach-Rhythmus, sind allgegenwärtig in einer 24-Stundengesellschaft, in der das Tageslicht nicht mehr der bestimmende Faktor ist.

Bereits die Umstellung auf die Sommerzeit, die einen 23-Stunden Tag mit sich bringt, hat Auswirkungen: Studien zeigen, dass durch diesen Mini-Jetlag z.B. Verkehrsunfälle um acht Prozent ansteigen.

Noch gravierender als Sommerzeitumstellung und Jetlag wirkt sich die Schlaf-Wach-Rhythmusstörung bei Schichtarbeitern aus, wo die Innere Uhr über Jahre, manchmal ein Arbeitsleben lang, verstellt ist. Herzinfarkt und Krebs sind oft genug die Folge.
Tipps und Tricks gegen den Jetlag
Chronobiologische Störungen können nur mit den Mitteln der Chronobiologie behoben werden, darin sind sich alle Forscher einig. Weder Pillen noch Operationen sind nötig, dafür eiserne Disziplin.

Der Wiener Schlafforscher Bernd Saletu setzt auf mehrere Strategien, um die Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung abzumildern.
Schrittweise Anpassung und Ernährung
Bereits mehrere Tage vorher sollte man sich schrittweise an die neue Zeitzone anpassen: bei Flügen nach Westen die Schlafenszeit nach hinten verschieben, bei Flügen nach Osten vorverlegen.

Auch die Ernährung kann helfen: eiweißreiche Kost hilft wach zu bleiben, kohlehydratreiches Essen hilft, das Einschlafen vorzubereiten. Kaffee und Alkohol sollte man dagegen meiden, ebenso wie jede Überanstrengung, wenn man sich müde fühlt.
Chronobiologische Mittel: Licht und Melatonin
Mediziner verordnen auch zwei chronobiologische Mittel, um die Innere Uhr einzustellen. Bioaktives Licht und das Schlafhormon Melatonin. Melatonin hilft das Einschlafen vorzuverlegen, anregendes Licht sorgt dafür, dass man morgens rasch auf Touren kommt.

Auf einfache Weise verliert so der Jetlag seinen Schrecken - vorausgesetzt, man ist zu einer bewussten Lebensweise nach chronobiologischen Erkenntnissen bereit.

Ein Beitrag von Tom Matzek für die Sendung "Modern Times" am Freitag, 13. Juni 2003, um 22.35 Uhr in ORF2.
->   "Modern Times"
->   Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin
->   Joanneum Research/Chronobiologische Forschung
->   Alles zum Stichwort Jetlag in science.ORF.at
...

Buchtipp: Alles über Schlaf und Jetlag
Der Wiener Schlafforscher Bernd Saletu vom AKH Wien gibt in seinem Buch "Was Sie schon immer über Schlaf wissen wollten" einen umfassenden Einblick in das Thema. Dabei geht es um gesunden und gestörten Schlaf, sowie um sämtliche Krankheiten, die mit einer verstellten Inneren Uhr zu tun haben, darunter auch der Jetlag. Enthalten sind auch Tipps für Therapie und Vermeidung des Jetlag. (Erschienen bei Ueberreuter, EUR 19,90).
...
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010