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Gesichtschirurgie: Körpereigene statt künstliche Implantate  
  Große Krebsoperationen an Kiefer oder Gesicht, Unfalls- oder Kriegsverletzungen, angeborene Missbildungen, die NOMA-Krankheit: es gibt eine Reihe von Ursachen, die ein Gesicht so zerstören können, dass es kaum noch als solches zu erkennen ist. Während es lange Zeit nur die Möglichkeit gab, zerstörte Teile des Gesichts durch künstliche Prothesen zu rekonstruieren, scheint jetzt eine neue Methode die Gesichts- und Kieferwiederherstellung zu revolutionieren.  
Gezüchtet aus Material des Schulterblatts
Bei dieser von österreichischen Kiefer- und Gesichtschirurgen, Zahn- und HNO-Ärzten entwickelten Methode werden die defekten, zugrundegegangenen Teile aus körpereigenem Material im Schulterblatt formgerecht gezüchtet.

Dafür beschichtet man Haut mit Knochenmaterial, schafft das Gerüst für die gewünschte Form, in der sich der Knochen oder das Gewebe entwickeln soll, und stimuliert das Wachstum. Auf diese Weise lässt sich ein kompletter Gesichtsschädel im Schulterbereich vorformen.
Durchblutung: Entscheidend für Transplantation
Bei der Transplantation kommt es dann vor allem darauf an, dass die Gefäße so verbunden werden, dass der transplantierte Teil ausreichend durchblutet wird. Ist dies nicht der Fall, können Teile oder das ganze Transplantat absterben.
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NOMA-Krankheit
Ein "Einsatzgebiet" für die neue Methode liegt bei der NOMA-Krankheit. Bei dieser vor allem unter afrikanischen Kindern vorkommenden Infektion werden Kiefer und Gesicht durch eine sich ungehemmt ausbreitende bakterielle Infektion im Mund oft komplett zerfressen.
->   Mehr über die NOMA-Krankheit (medicine-worldwide)
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Spektakuläre Erfolge und weniger spektakuläre
Die spektakulärste Wiederherstellung sei bei einem Patienten gelungen, so der Kiefer- und Gesichtschirurg Kurt Vinzenz vom Evangelischen Krankenhaus Wien, bei dem die gesamte Gesichtspartie zerstört war: vom Oberkiefer, dem Oberkieferkörper, den Frontzähnen über die Wangenknochen bis zur Nase war bei ihm "alles weg", zwischen Augen und Unterlippe nahezu kein Gewebe mehr vorhanden.

Es sei gelungen dieses Gesicht in seiner Gesamtheit aus körpereigenem Gewebe wieder her zu stellen. Aber es gebe auch Patienten, bei denen man erst beim zweiten Eingriff erfolgreich war, nachdem der erste Gesichtsaufbau wieder abgestorben ist.
->   Evangelisches Krankenhaus Wien
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Der Eingriff: Ein sehr aufwändiges Unterfangen
Die Vorfertigung im Schulterblatt dauert sechs bis acht Stunden, dann braucht diese Konstruktion drei Monate, um sich in der gewünschten Form aus- und zusammenzuwachsen. Die danach erfolgende Wiederherstellung dauert etwa zwölf Stunden - der längste, besonders schwierige Eingriff dauerte 22 Stunden. Und hier sei - so Kurt Vinzenz - die große Kunst, unter dem Mikroskop die Gefäße so zusammen zu nähen, dass eine Wiederdurchblutung der rekonstruierten Gesichtsteile gewährleistet ist.
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Hilfe für irakische Kriegsopfer
Nach den Erfolgen mit den afrikanischen, an der NOMA-Krankheit leidenden Kinder hat man nun auch erste Kontakte geknüpft, um mit dieser Methode kriegsverletzten irakischen Kindern und auch Erwachsenen zu helfen.

Eveline Schütz, Ö1-Wissenschaft
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Gesichtstransplantation: Von der Utopie zur Realität? (27.11.02)
->   Die Zukunft der Organtransplantation (Gastbeitrag Thomas Wekerle, 18.3.02)
->   Meisterchirurgin Piza: Wissenschaftlerin des Jahres 2000 (12.2.01)
 
 
 
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01.01.2010