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Arbeitsmarkt: Schon jetzt ziemlich flexibel  
  Sind Arbeitslose selbst schuld an ihrem Schicksal? Die Debatte rund um die zu geringe Flexibilität des Arbeitsmarktes und ihrer Teilnehmer scheint dies vorauszusetzen. Neue Gesetze, Deregulierungen, Liberalisierungen sollen den Unflexiblen deshalb etwas nachhelfen. Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, dass die gewünschte Flexibilität schon jetzt ziemlich fortgeschritten ist: So wechseln 60 Prozent der Berufsanfänger ihren Job innerhalb der ersten zwei Jahre.  
Dies hat der Sozialwissenschaftler Christoph Köhler von der Universität Jena ermittelt. "Hierin drückt sich eine beachtliche Flexibilität des deutschen Arbeitsmarkts aus", ergänzt sein Mitarbeiter Olaf Struck in einer Aussendung der ostdeutschen Uni.
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Tagung "Beschäftigungsstabilität im Wandel?"
Die beiden Sozialwissenschaftler werden diese neuen Forschungsergebnisse erstmals am 4. bis 5. Juli während der Tagung "Beschäftigungsstabilität im Wandel? Befunde und Erklärungen für West- und Ostdeutschland" an der Uni Jena präsentieren. Der Kongress wird vom Sonderforschungsbereich (SFB) 580 "Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch" der Friedrich-Schiller-Universität veranstaltet.
->   SFB 580, Uni Jena: Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch
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Relative Beschäftigungssicherheit bis in die 90er Jahre
Lange Zeit herrschte am deutschen Arbeitsmarkt starke Beschäftigungssicherheit. "In den 90er Jahren veränderte sich dieses Stabilitätsbild", so Struck. Jährlich wechseln in Deutschland rund drei Millionen Menschen den Arbeitsplatz.

Der Arbeitsmarkt wird flexibler, selbst unter den älteren Arbeitnehmern - zu denen allerdings heutzutage bereits die 40-Jährigen gehören.

"Der Anteil an neu begonnener Beschäftigung beträgt bei 35-50-Jährigen etwa 26 Prozent, bei den über 50-Jährigen gar nur sieben Prozent", nennt Struck die aktuellen Zahlen.
60 Prozent der Berufsanfänger wechseln Job in zwei Jahren
Wirklich hohe Flexibilität ist hingegen auf jüngere Altersgruppen beschränkt, haben die Jenaer Sozialforscher in ihrem SFB-Projekt ermittelt. In den ersten sieben Jahren des Arbeitsprozesses kommt es zu einem "Job-Hopping" der Arbeitnehmer.

60 Prozent wechseln den Job innerhalb von zwei Jahren, weitere 15 Prozent spätestens nach fünf Jahren, haben die Jenaer Soziologen bei ihren Untersuchungen herausgefunden. Diese hohe Flexibilität gewinnt zunehmend an Bedeutung, schließt jedoch ältere Arbeitnehmer nur zum geringen Teil ein.
Kern stabiler Beschäftigung: 16 Prozent
Deutlich wird aus den Jenaer Untersuchungen auch, dass weiterhin ein Kern stabiler Beschäftigung besteht. "Von Anfang der 90er Jahre bis heute beträgt der Anteil an Personen, denen es früh nach der beruflichen Ausbildung gelang, eine langfristige und sichere Berufsposition zu erreichen, in Ost- und Westdeutschland stabil 16 Prozent", erklärt Christoph Köhler.

Diese Gruppe ist vor allem durch Führungsverantwortung gekennzeichnet. "Wir haben herausgefunden, dass der Weg zur Führungskraft bereits früh angelegt ist", kommentiert Struck diese Tendenz.
Rückläufige Tendenz
"Weitere 39 Prozent in West- und 34 Prozent in Ostdeutschland treten im Verlauf ihres Berufslebens in eine vergleichsweise sichere berufliche Stellung ein", sagt Köhler, "jedoch ist dieser Anteil rückläufig".
Ursachen: Demographie, Spezialisierungen ...
Während der Jenaer Tagung werden die versammelten Arbeitsmarktforscher über diese Tendenzen diskutieren. Ursachen für die Entwicklungen sehen die Jenaer Experten zum einen in der demographischen Veränderung.

Noch sind geburtenstarke jüngere Jahrgänge als Arbeitskräfte verfügbar. Doch dieser Trend wird sich vor allem im Osten bald wandeln. Auch die zunehmenden Spezialisierungen und Ausgliederungen aus den Unternehmen lassen den Austausch von Arbeitskräften an Bedeutung gewinnen.
¿ und Personalstrategien
Neben diesen Unternehmensstrategien sind es als dritter Faktor die Personalstrategien, die als Ursache der neuen Entwicklungen gesehen werden müssen. Waren früher höher qualifizierte und verantwortungsvolle Tätigkeiten durch langfristige Beschäftigung gekennzeichnet, gelinge es Unternehmen heute zunehmend, "Motivation und Verlässlichkeit auch in kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen zu erreichen", so Struck.
->   Institut für Soziologie, Uni Jena
->   Mehr zum Thema Arbeitsmarkt in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010