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Studie: Wiener sind vergleichsweise hilfsbereit  
  Wiener sind im internationalen Vergleich hilfsbereite Großstädter. Laut einer aktuellen Studie liegt die Bundeshauptstadt, was die Hilfsbereitschaft angeht, in einem Vergleich zwischen 23 Weltstädten auf Rang fünf - als beste europäische Stadt.  
Weit abgeschlagen auf Platz 22 findet sich die US-Metropole New York. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Robert V. Levine von der California State University in Fresno/Kalifornien, die in der August-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" veröffentlicht wird.
->   Spektrum der Wissenschaft
Nach vielen Jahren drei Experimente entwickelt
Levine beschäftigt sich schon seit langem mit dem Phänomen der Hilfsbereitschaft. Anfangs in Vergleichsstudien in den USA entwickelte er ein geeignetes Szenario, mit dem er der Hilfsbereitschaft der werten Zeitgenossen auf den Zahn fühlt. Im Laufe der Jahre kristallisierten sich drei Experimente heraus, die sowohl aussagekräftig als auch in den meisten Städten durchführbar sind.
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Fallengelassener Schreibstift, vermeintliche Gehbehinderung, Kreuzungs-Überqueren
Im ersten Versuch lässt eine Person irgendwo auf dem Gehsteig - scheinbar unabsichtlich - einen Schreibstift fallen. Anschließend wird einfach registriert, ob irgendein Passant die Person auf den drohenden Verlust aufmerksam macht oder sich sogar selbst um den Stift bückt und ihn zurück gibt.

In einem zweiten Experiment trägt jemand eine Beinschiene, um eine Verletzung vorzutäuschen. Die Person versucht mit gespielter Mühe, eine Zeitung vom Boden aufzuheben, wieder registrieren Beobachter, wie oft dem Gehbehinderten geholfen wird.

Ein einer dritten Versuchsanordnung wird getestet, wie weit Passanten in einer bestimmten Stadt einem offensichtlich blinden Menschen beim Überqueren einer Kreuzung behilflich sind. Andere Tests, etwa die Bitte, Geld zu wechseln, wurden von den Forschern wieder verworfen. Zu oft gab es Probleme, etwa wenn in manchen Ländern ein chronischer Mangel an Kleingeld herrschte.
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Je größer Bevölkerungsdichte, desto geringer Hilfsbereitschaft
Bei ihren USA-weiten Studien stellten die Forscher fest, dass die Bevölkerungsdichte der mit Abstand beste Indikator für die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist. "Gedränge bringt unsere schlechten Eigenschaften zum Vorschein", so Levine. In dicht gedrängten Städten fühlen sich die Leute für ihr Verhalten gegen andere - insbesondere gegen Fremde - weniger verantwortlich.
23 Städte untersucht, höchst unterschiedliche Resultate
Grafik: APA, Quelle: Spektrum der Wissenschaft
Im internationalen Vergleich waren die Ergebnisse allerdings nicht immer so eindeutig. Beispielsweise in der Großstadt Rangoon - der Hauptstadt von Birma - fand der Wissenschaftler Inseln dörflichen Zusammenhalts. Das motivierte für weitere Untersuchungen. 23 Städte wurden unter die Lupe genommen, abenteuerlustige Studenten ließen 400 Schreibstifte fallen und sprachen 500 Leute an.

Beim Blindentest halfen Menschen in fünf Hauptstädten - Rio de Janeiro (Brasilien), San Jose (Costa Rica), Lilongwe (Malawi), Madrid (Spanien) und Prag (Tschechien) dem Fremden bei jeder Gelegenheit über die Straße, während in Kuala Lumpur (Malaysia) und Bangkok (Thailand) nur in weniger als der Hälfte aller Fälle Hilfe angeboten wurde.

Mit einem verletzten Bein wird einem in San Jose, Kalkutta (Indien) oder Schanghai (China) drei Mal häufiger beim Aufheben einer Zeitschrift geholfen als auf den Straßen von New York oder Sofia (Bulgarien).
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Besonders hilfsbereit: Spanisch-portugiesische Kultur
Wie die Analysen zeigen, sind Städtebewohner aus dem spanisch-portugiesischen Kulturkreis besonders hilfsbereit. Madrid, San Salvador oder Mexico City belegten jeweils Spitzenplätze. Angesichts der Tatsache, dass einige der ganz vorne gereihten Städte mit politischen oder sozialen Unruhen oder auch hoher Kriminalität zu kämpfen haben, sei das ein bemerkenswertes Ergebnis, so die Studienautoren.
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Wien, Kopenhagen und Kuala Lumpur als Ausnahmen
Als weiteren allgemeinen Trend resümieren die Wissenschaftler, dass die Bereitschaft zu helfen in Ländern mit geringer Wirtschaftskraft und generell langsamerem Lebensrhythmus höher sein dürfte. Allerdings gibt es dabei auch Ausnahmen, wie Kopenhagen (Platz sieben) und Wien belegen.

Trotz Schnelllebigkeit und Zugehörigkeit zur so genannten Ersten Welt seien hier die Menschen vergleichsweise hilfsbereit. Auch am anderen Ende der Skala gibt es Ausnahmen von der Regel: So verläuft das Leben in Kuala Lumpur vergleichsweise langsam, ohne dass man deshalb auf Hilfsbereitschaft hoffen darf.
->   California State University, Fresno
Mehr über die Studien Robert Levines in science.ORF.at:
->   Lebensgeschwindigkeit: Eine Frage der Kultur (1.4.2002)
 
 
 
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01.01.2010