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Gigantische Gaswolke erhellt Vergangenheit des Kosmos  
  Ein internationales Forscherteam hat in einem weit entfernten Quasar eine gigantische Ansammlung von Gas nachgewiesen. Die Strahlung von Kohlenmonoxid (CO) und Staub kommt aus einer Schlüsselepoche des jungen Universums - dem Übergang von nebulöser Dunkelheit zu einem Raum voller leuchtender Galaxien, Sterne und Schwarzer Löcher. Die Beobachtungen ermöglichen es nun, erstmals die damals herrschenden Bedingungen genauer zu untersuchen.  
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie haben gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich und den USA in dem am weitesten von der Erde entfernten Quasar J1148+5251 eine gigantische Menge an Kohlenmonoxid nachgewiesen. Über ihre Entdeckung berichten sie im aktuellen Fachmagazin "Nature".
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"An early stellar nursery"
Der Artikel "Molecular gas in the host galaxy of a quasar at redshift z = 6.42" ist erschienen in "Nature", Bd. 424, Seiten 406 - 408, vom 24. Julie 2003. Im gleichen Heft findet sich auch ein begleitender Artikel: "Astronomy: An early stellar nursery". Ein ergänzender Artikel beteiligter Forscher zu den Ergebnissen in der Fachzeitschrift "Astronomy and Astrophysics" befindet sich derzeit im Druck.
->   Der Originalartikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Schwere Elemente schnell entstanden
Bild: S.G. Djorgovski, A. Mahabal, und M. Bogosavljevic, Caltech
Echtfarbenbild von J1148+5251. Eingeblendet ist das CO Spektrum des Quasars. Wegen seiner großen Entfernung ist das Quasarlicht stark zu röteren Farben verschoben, sodass es im Vergleich zu den umliegenden Galaxien als roter Punkt erscheint.
"Wir waren sehr überrascht, in diesem so frühen Objekt so kurz nach dem Urknall einen so hohen Anteil an schweren Elementen zu finden," kommentierte Frank Bertoldi vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie die Entdeckung in einer Aussendung.

Da Kohlenstoff, Sauerstoff und die Elemente, aus denen sich der kosmische Staub zusammensetzt, erst durch Kernfusionen im Inneren der Sterne entstünden, müsse die Anreicherung des interstellaren Gases mit schweren Elementen ungewöhnlich schnell erfolgt sein - vermutlich durch gigantische Explosionen der ersten sehr massereichen Sterne.
Junge Galaxie mit Schwarzem Loch in der Mitte
Bei dem Quasar J1148+5251 - benannt nach seinen Himmelskoordinaten - handelt es sich vermutlich um eine junge Galaxie, in deren Zentrum ein extrem massereiches Schwarzes Loch sitzt. Das Schwarze Loch ist mehrere Milliarden mal so schwer wie unsere Sonne und strahlt hell im sichtbaren Licht, da große Mengen heißen Gases auf es "herabfallen".
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Nachweis via IRAM-Interferometer und Very Large Array
Das Kohlenmonoxid-Gas (CO) wurde durch Beobachtungen am IRAM-Interferometer auf dem Plateau de Bure in Frankreich und dem Very Large Array (VLA) in New Mexico nachgewiesen. Die Strahlung des kosmischen Staubs war vorab mit dem MAMBO-Wärmedetektor am 30-Meter-Radioteleskop von IRAM auf dem Pico Veleta (Spanien) entdeckt worden.
->   Mehr dazu: Kosmische Lupe enthüllt Sternentstehung (4.4.03)
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Ein Quasar aus dem "Dunklen Zeitalter"
J1148+5251 ist eine der ersten massiven Strukturen im noch jungen Universum und ermöglicht den Wissenschaftlern einen Blick auf die physikalischen und chemischen Bedingungen in der Frühzeit des Kosmos. Er gilt als einer von nur fünf Quasaren, die im so genannten "Dunklen Zeitalter" gefunden wurden.

Der Nachweis von Staub und molekularem Gas machen J1148+5251 nun zum ersten Objekt, in dem die Entstehung von Sternen und Schwarzen Löchern in dieser Schlüsselepoche des Universums untersucht werden kann: Es verwandelte sich aus nebulöser Dunkelheit in einen Raum voller leuchtender Galaxien, Sterne und Schwarzer Löcher.
Kurze Geschichte des Universums

Das Radiobild zeigt Linienstrahlung des Kohlenmonoxid-Moleküls (CO) .
Während der ersten drei Minuten nach dem Urknall entstanden die leichtesten Atome, Wasserstoff und Helium. Diese Atome waren anfänglich wegen der hohen Dichte und Temperatur ionisiert, ihre Elektronen bewegten sich frei.

Während sich das Universum ausdehnte, kühlte das Gas ab und nach etwa 300.000 Jahren, als die Temperatur des Gases unter 5.000 Grad fiel, verbanden sich die Atomkerne wieder mit den Elektronen zu neutralen Atomen.

Da noch keine Lichtquellen vorhanden waren, und weil selbst das Licht der ersten Sterne, die nach ein paar hundert Millionen Jahren entstanden, vom neutralen intergalaktischen Gas stark absorbiert wurde, wird diese Epoche des Universum das "Dunkle Zeitalter" genannt.
Ionisierung lichtete den Nebel
Als sich dann mehr und mehr Sterne und leuchtende Schwarze Löcher bildeten, ionisierte deren Strahlung das umliegende Gas wieder, das dadurch nach und nach transparent wurde - der Nebel lichtete sich. Das "Zeitalter der Re-Ionisation" endete etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall.
->   Ein Bild zur Veranschaulichung der kosmischen Geschichte
Lichtung des "kosmischen Nebels"
Da J1148+5152 eine intensive Quelle ultravioletter Strahlung ist, trägt der Quasar merklich zur Re-Ionisation des Gases zwischen den Galaxien bei. Diese Lichtung des "kosmischen Nebels" können Astronomen jetzt erstmals direkt beobachten.
Alle fünf Stunden ein neuer Stern
Die Kohlenmonoxid-Strahlung ermöglicht eine Abschätzung von Dichte, Temperatur und Größe der Sternentstehungsregion um das Schwarze Loch. Dort entsteht durchschnittlich alle fünf Stunden ein neuer Stern, womit die Sternentstehungsrate sehr viel höher ist als in jeder bisher bekannten Galaxie im jetzigen Universum.
Gasvorrat von 20 Milliarden Sonnenmassen
Die Forscher haben berechnet, dass der Gasvorrat von etwa 20 Milliarden Sonnenmassen in J1148+5251 in weniger als zehn Millionen Jahren komplett in Sterne umgesetzt wird, wenn die Sternentstehung in dem gleichen Tempo weitergeht.

Sie vermuten, dass weniger dichtes atomares Gas aus der größeren Umgebung auf die Sternentstehungsregion einfällt. Sollte jedoch dieser Nachschub versiegen, würde auch die Sternentstehung zum erliegen kommen und das Schwarze Loch würde sich mangels Nahrung verdunkeln.
Systematischer Vergleich fehlt noch
"Wir sehen nur eine kurze Momentaufnahme des Quasars", erläutert Frank Bertoldi. "Um Ursache und Entwicklung der Entstehung der Sterne und Schwarzen Löcher im frühen Universum zu verstehen, müssen wir noch mehr solche Objekte finden, um sie systematisch miteinander vergleichen zu können."
->   Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
->   Alles zum Stichwort Quasar in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010